Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften möglich
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) war lange erwartet worden und sorgt für Rechtssicherheit. Denn die Anwendung von § 6 Abs. 5 EStG auf die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen den Gesamthandsvermögen beteiligungsidentischer Schwesterpersonengesellschaften war viele Jahre umstritten.
Unterschiedliche Rechtsauffassungen zur Reichweite der Norm
§ 6 Abs. 5 S. 3 EStG ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen und in drei abschließend genannten Fällen die Übertragung von Wirtschaftsgütern zum Buchwert, und damit steuerneutral ohne Aufdeckung von stillen Reserven. Erfasst sind Übertragungen innerhalb derselben Mitunternehmerschaft sowie zwischen zwei über ihre (Mit-)Unternehmer miteinander verbundenen Betrieben beziehungsweise Mitunternehmerschaften. Nach dem Wortlaut des Gesetzes hingegen nicht erfasst ist die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Personengesellschaften, an denen dieselben Gesellschafter im gleichen Verhältnis beteiligt sind (beteiligungsidentische Personengesellschaften).
Die Finanzverwaltung vertrat die Auffassung, dass die unmittelbare Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern zwischen den Gesamthandsvermögen von Schwesterpersonengesellschaften keinen Anwendungsfall des § 6 Abs. 5 S. 3 EStG darstellt, und zwar auch dann nicht, wenn es sich um beteiligungsidentische Personengesellschaften handelt (vgl. BMF-Schreiben vom 8. Dezember 2011, Rn. 18). Entsprechend wäre eine steuerneutrale Übertragung zu Buchwerten nicht zulässig.
Unterschiedliche Auffassungen zu dieser Rechtsfrage bestanden sogar zwischen einzelnen Senaten des BFH. Der I. Senat hatte in seinem Urteil vom 25. November 2009 (I R 72/08) entschieden, dass bei Übertragungen zwischen beteiligungsidentische Personengesellschaften keine Buchwertfortführung möglich sei, da dieser Vorgang nicht im Katalog des § 6 Abs. 5 S. 3 EStG genannt sei. Geäußert wurden hier allerdings bereits verfassungsrechtliche Bedenken. Dagegen entschied der IV. Senat mit Beschluss vom 15. April 2010 (IV B 105/09), dass bei summarischer Prüfung die zwingende Buchwertverknüpfung auch auf Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften zu erstrecken sei. Schließlich legte der I. Senat mit Beschluss vom 10. April 2013 (I R 80/12) die Rechtsfrage dem BVerfG vor.
Klarstellende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Mit Beschluss vom 28. November 2023 (2 BvL 8/13) kommt das BVerfG zu dem Ergebnis, dass § 6 Abs. 5 EStG in der Tat nicht so ausgelegt werden kann, dass er auch die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen den Gesamthandsvermögen beteiligungsidentischer Personengesellschaften erfasst. Eine analoge Anwendung von § 6 Abs. 5 EStG, scheide aus, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Eine verfassungskonforme Auslegung der Norm sei nicht möglich.
Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften sind somit nicht zum Buchwert möglich. Damit werden diese Vorgänge benachteiligt gegenüber den durch § 6 Abs. 5 S. 3 EStG begünstigten Wirtschaftsguttransfers. Das BVerfG kommt zu dem Ergebnis, dass keine sachlich einleuchtenden Gründe für diese Ungleichbehandlung ersichtlich sind. Darin liegt ein verfassungswidriger Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
Der Gesetzgeber wird durch das BVerfG verpflichtet, unverzüglich rückwirkend für Übertragungsvorgänge nach dem 31. Dezember 2000 (Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung von § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG) eine Neuregelung zu treffen. Bis zu deren Inkrafttreten bleibt § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG mit der Maßgabe anwendbar, dass die Vorschrift auch für Wirtschaftsguttransfers zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften nach dem 31. Dezember 2000 gilt.
Praxishinweis
Das BVerfG hat damit eine für die Praxis wichtige steuerrechtliche Frage geklärt. Eine steuerneutrale Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften ist grundsätzlich möglich.
Bei laufenden Einspruchsverfahren, denen ein solcher Sachverhalt zugrunde liegt, sollte das Finanzamt mit Verweis auf den Beschluss des BVerfG um entsprechende Änderung des Steuerbescheids gebeten werden.
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Autor
Tobias Radloff
Tel.: +49 40 288 01 3257
Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 1/2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.