Wegzugsbesteuerung: BFH zur Berücksichtigung von nachträglichen Wertminderungen

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 26. Juli 2023 (I R 39/20) entschieden, dass für eine Minderung der festgesetzten Steuer bei Wegzügen nach § 6 AStG a. F., wenn der Wert der Anteile i. S. d. § 17 Abs. 1 EStG bei einer späteren Veräußerung niedriger ist als zum Wegzugszeitpunkt, ein Nachweis über den erfolglosen Versuch einer Anerkennung der Wertminderung im Zuzugsstaat nicht zu erbringen ist.

Sachverhalt

Die Klägerin, als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes, verzog im Jahr 2012 nach Österreich und beendete die bis dahin bestehende unbeschränkte Steuerpflicht im Inland. Für die im Privatvermögen gehaltenen GmbH-Anteile wurde der Tatbestand der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG a. F. ausgelöst. Das zuständige Finanzamt stellte für das Jahr 2012 einen fiktiven Veräußerungsgewinn zum Wegzugszeitpunkt fest, dessen Besteuerung dauerhaft und zinslos zu stunden war. Im Jahr 2016 veräußerte die Klägerin die Anteile zu einem wesentlich geringeren Wert als im Jahr 2012 festgestellt. Die vom Finanzamt gewährte Stundung war zu widerrufen und die festgesetzte Wegzugsteuer zu begleichen. Die Klägerin begehrte im Zuge der nachweislich betrieblich bedingten Wertminderung eine Reduktion der Wegzugsteuer gemäß § 6 Abs. 6 AStG a. F. Das Finanzamt und später das Finanzgericht Münster lehnten die Berücksichtigung der nachträglichen Wertminderung ab, da die Klägerin eine Ablehnung für die Berücksichtigung der Wertminderung im Zuzugsstaat nicht nachweisen konnte.

Berücksichtigung von Wertminderungen in sog. Altfällen des § 6 AStG a. F.

Mit Urteil vom 26. Juli 2023 (I R 39/20) stellt der BFH klar, eine festgesetzte und gestundete Wegzugsteuer ist in sog. Altfällen (Wegzüge und Wertminderungen, die vor dem 1. Januar 2022 erfolgten) zu mindern, wenn bei einer späteren Veräußerung der Anteile eine betrieblich bedingte Wertminderung vorliegt und diese Wertminderung bei der Einkommensbesteuerung durch den Zuzugsstaat (vorliegend Österreich) nicht berücksichtigt wird.

Der BFH konstatierte, dass es hierbei auf die konkrete Berücksichtigung der Wertminderung durch die Finanzbehörde im Zuzugsstaat, z. B. im Steuerbescheid, ankomme. Ausreichend sei hingegen nicht, dass der Zuzugsstaat eine Berücksichtigung der Wertminderung lediglich in einer abstrakt-generellen Norm vorsehe.

Die Klägerin war in Österreich nicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet. Eine Feststellungslast für die Nichtberücksichtigung der Wertminderung im Zuzugsstaat oblag ihr daher nicht.

Bedeutung für die Praxis

Der BFH hat zutreffend klargestellt, dass als Maßstab für die Frage, ob eine Wertminderung gemäß § 6 Abs. 6 S. 1 AStG a. F. „bei der Einkommensbesteuerung durch den Zuzugsstaat nicht berücksichtigt“ wurde, eine konkrete und nicht eine bloß abstrakte (Nicht-)Berücksichtigung erforderlich ist. Eine (erhöhte) Steuerfestsetzung zum Wegzugszeitpunkt kann daher bei einer späteren Veräußerung der Anteile nach unten korrigiert werden. Auf die Bemühungen des Steuerpflichtigen, eine Berücksichtigung der Wertminderung im Zuzugsstaat zu erreichen, kommt es dabei nicht an. Mit Verweis auf das BFH-Urteil sind die Anforderungen an die Nachweispflichten des Steuerpflichtigen, zumindest in sog. Altfällen, reduziert.

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Autorin

Kathrin Nicklis

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 1/2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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