Signing/Closing – Beseitigung der Doppelbesteuerung auf Antrag nach dem neuen § 16 Abs. 4a GrEStG

Die Besteuerungstatbestände des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) sind nicht trennscharf voneinander abgegrenzt. Dadurch drohen Doppelbesteuerungen, die nicht in allen Fällen durch das Gesetz selbst ausgeschlossen werden. Eine solche Doppelbesteuerung konnte z. B. in Fällen eintreten, in denen der Vertragsabschluss über den Verkauf von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft und der Vollzug dieses Kaufvertrages zeitlich auseinanderfallen. Für diesen in der Praxis sehr relevanten Fall hat das Jahressteuergesetz 2022 mit Wirkung ab dem 21. Dezember 2022 durch Einführung des § 16 Abs. 4a GrEStG Abhilfe geschaffen.

Hintergrund  

Zum 1. Juli 2021 fügte der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2b dem GrEStG einen neuen Tatbestand hinzu, um sog. Share Deals bei der Grunderwerbsteuer besser zu erfassen. Seitdem kann der wirksame Übergang von Anteilen an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften (Closing) Grunderwerbsteuer auslösen. Außerdem unterwirft § 1 Abs. 2a GrEStG die wirksame Abtretung von Anteilen an grundbesitzenden Personengesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen der Grunderwerbsteuer. Zusätzlich kann nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Abschluss eines Kaufvertrages über die Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft (Signing) grunderwerbsteuerpflichtig sein. Bei einem zeitlichen Auseinanderfallen von Signing und Closing konnten nach Ansicht der Finanzverwaltung beide Vorgänge der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen sein, auch wenn beide Vorgänge dieselbe Gesellschaft und denselben Grundbesitz betrafen. Sowohl im Signing als auch im Closing sah die Finanzverwaltung Vorgänge, die nach §§ 18 ff. GrEStG anzuzeigen sind. Zwar sollte auch nach Meinung der Finanzverwaltung in solchen Fällen eine Doppelbesteuerung vermieden werden. Bisher fehlte hierfür jedoch eine eindeutige gesetzliche Grundlage. Daher äußerten sich auch die hierzu ergangenen Erlasse der Finanzverwaltung nicht eindeutig.

Gesetzliche Grundlage in § 16 Abs. 4a GrEStG

Zur Beseitigung der rechtlichen Unsicherheiten bei Signing und Closing hat der Gesetzgeber im Jahressteuergesetz 2022 mit § 16 Abs. 4a GrEStG eine Korrekturvorschrift eingeführt. Danach kann auf Antrag die GrESt-Festsetzung für Anteilsübertragungen an grundbesitzenden Personen- und Kapitalgesellschaften aufgehoben oder geändert werden in Fällen, in denen sowohl der Tatbestand gemäß § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG als auch der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG für dieselbe Anteilsübertragung erfüllt sind. Diese Beseitigung der doppelten GrESt-Erfassung greift allerdings nur dann ein, wenn alle betroffenen Erwerbsvorgänge fristgerecht und vollständig angezeigt wurden (§ 16 Abs. 5 S. 2 GrEStG). Gleiches gilt für Festsetzungen nach § 1 Abs. 3a GrEStG. Die Korrekturnorm des § 16 Abs. 4a GrEStG ergänzt die Regelung zum Anwendungsvorrang der verschiedenen Tatbestände in § 1 GrEStG für Fälle, in denen der Abschluss des Rechtsgeschäfts und die Anteilsübertragung zeitlich auseinanderfallen.

Fortbestehende Unklarheiten

Mit der Einführung des § 16 Abs. 4a GrEStG stellen sich nun neue Fragen. Obwohl eine explizite Übergangsregelung fehlt, kann wohl davon ausgegangen werden, dass die Regelung rückwirkend zugunsten des Steuerpflichtigen Anwendung findet. Die Vorschrift enthält auch keine Regelungen zu Form und Frist des Antrags. Es wird darauf hinauslaufen, dass der Antrag parallel zur Anzeige des Closings erfolgt. Des Weiteren regelt § 16 Abs. 4a S. 2 GrEStG lediglich die Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist hinsichtlich § 1 Abs. 2a, 2b GrEStG, nicht jedoch in Bezug auf den nach § 1 Abs. 3 GrEStG erfolgten GrESt-Bescheid. Es ist zu vermuten, dass die Anteilsübertragung als rückwirkendes Ereignis den Eintritt der Festsetzungsverjährung für Erwerbe nach § 1 Abs. 3 GrEStG verhindern kann.

Bedeutung für die Praxis

Für die Steuerpflichtigen folgt aus der Einführung des § 16 Abs. 4a GrEStG, dass die Gefahr der Doppelbesteuerung in einem in der Praxis sehr relevanten Bereich effektiv beseitigt werden kann. Allerdings muss dazu sowohl der Signing- als auch der Closing-Vorgang vollständig und fristgerecht angezeigt werden. Gleichzeitig mit der Anzeige des Closing-Vorgangs sollte bereits der Antrag auf Aufhebung oder Änderung der darauf beruhenden GrESt-Festsetzung gestellt werden, wenn ein Closing der Transaktion – z. B. wegen noch nicht eingetretener Fälligkeitsvoraussetzungen – erst später zu erwarten ist.

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 1/2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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