Referentenentwurf Funktionsverlagerungsverordnung vom 5. Juli 2022 – worauf müssen sich Steuerpflichtige einstellen?

Am 5. Juli 2022 hat das Bundesministerium der Finanzen den Referentenentwurf einer aktualisierten Funktionsverlagerungsverordnung veröffentlicht, der neben Anpassungen an die aktuelle Gesetzeslage auch einige weitergehende, verschärfte Bestimmungen enthält. Die neue Verordnung (FVerlV_2022_E) findet Anwendung auf alle vollendeten Funktionsverlagerungen in Veranlagungszeiträumen, die nach dem 31. Dezember 2021 beginnen, und gilt damit rückwirkend.

Hintergrund

Eine Funktionsverlagerung wird angenommen, wenn unter nahestehenden Unternehmen betriebliche Funktionen einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken sowie der mitübertragenen oder mitüberlassenen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile als Ganzes von Deutschland ins Ausland verlagert werden (Transferpaket). Da dies mit einem Einschnitt in die Steuerhoheit der Bundesrepublik einhergeht, unterliegt die Funktionsverlagerung einer Steuerentstrickung.

Mit dem Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz vom 2. Juni 2021 (BGBl. I S. 1259) wurden die Regelungen zum Fremdvergleichsgrundsatz an die aktuellen OECD-Verrechnungspreisleitlinien angepasst und neu strukturiert. In diesem Zusammenhang wurden die Bestimmungen zur Funktionsverlagerung konkretisiert und in einen neuen Absatz 3b in § 1 des Außensteuergesetzes (AStG) überführt. Die Regelungen zum Transferpaket aus der bisherigen Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV) werden nunmehr im Gesetz definiert. Dadurch wurden bestimmte Inhalte der bisherigen FVerlV obsolet und eine Aktualisierung der seit 2008 bestehenden FVerlV notwendig. 

Nach Analyse des Referentenentwurfs ist jedoch festzustellen, dass sich die vorgesehenen Änderungen nicht auf die Anpassung an die neue Gesetzlage beschränken (wie in der Begründung dargelegt), sondern auch einige neue, umfassendere und in gewissem Maß verschärfende Bestimmungen enthalten. Nachstehend eine Zusammenfassung dieser wesentlichen Änderungen:  

  • Bewertung des Transferpakets (§ 2 FVerlV_2022_E)

In Zukunft wird es erforderlich sein, die steuerlichen Effekte, die sich aus einer Funktionsverlagerung ergeben, bei der Bewertung des Transferpakets zu berücksichtigen. Dieser Ansatz ist international umstritten und war bisher nur in den Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung 2010 geregelt und daher für die Steuerpflichtigen nicht bindend. Mit der Neufassung in § 2 FVerlV_2022_E ist die Berücksichtigung der Steuereffekte bei der Ermittlung des Einigungsbereiches verpflichtend. Die inländische Steuerbelastung hat aus Sicht des abgebenden Unternehmens Einfluss auf den erwarteten Mindestpreis (erhöht diesen), während die ausländische Steuerbelastung – sofern der Erwerb im Ausland zu Aufwendungen führt – Einfluss auf den Höchstpreis (reduziert diesen) aus Sicht des Erwerbers hat.

Darüber hinaus bestimmt die neue Regelung für die Berechnung des Einigungsbereiches die Anwendung einer kapitalwertorientierten Bewertungsmethode. Abweichend von § 1 Abs. 3, Satz 7 AStG, der die Anwendung ökonomisch anerkannter Methoden erlaubt, schränkt die neue Fassung von § 2 FVerlV_2022_E den gesetzlichen Rahmen zusätzlich ein.

  • Kapitalisierungszinssatz (§ 4 FVerlV_2022_E)

Die Bemessung des Risikozuschlages für den angemessenen Kapitalisierungszinssatz muss künftig nicht mehr die unternehmensübliche Risikobeurteilung berücksichtigen. Der Vergleichsparameter soll einen Transaktionsbezug aufweisen, den auch fremde Dritte in ihre Überlegungen einbeziehen würden, sodass der Risikozuschlag „marktüblichen“ Konditionen entspricht. Die neue Fassung schließt einen vereinfachten Ansatz zur Bestimmung des Risikozuschlages künftig aus und verweist auf die verbindliche Anwendung der Marktwerte. Diese Anpassung kann aus unserer Sicht zu einem erhöhten Aufwand für die Steuerpflichtigen führen.

  • Übergang der Beweislast (§ 1 (5), § 2, § 5 FVerlV_2022_E):

Besonders anzumerken ist die Verlagerung der Beweislast von der Finanzverwaltung hin zum Steuerpflichtigen an mehreren Stellen des Referentenentwurfs.

Kapitalisierungszeitraum: War es zuvor ausreichend, die Gründe für einen bestimmten, von der Funktionsausübung abhängigen Kapitalisierungszeitraum glaubhaft zu machen, um den anderenfalls zugrunde zu legenden unbegrenzten Kapitalisierungszeitraum zu suspendieren, muss der Steuerpflichtige nach der neuen Fassung nun für eine abweichende Bemessung des Kapitalisierungszeitraums einen Nachweis erbringen.

Funktionsverdoppelung: Zusätzliche Nachweispflichten bestehen auch bei Funktionsverdoppelungsfällen. Gemeint sind Fälle, bei denen z. B. trotz Aufnahme einer Funktion im Ausland die bisherige Produktions- und Vertriebstätigkeit des inländischen Unternehmens unverändert fortgeführt wird. Wobei allein die Glaubhaftmachung, dass die Einschränkung der betreffenden Funktion beim verlagernden Unternehmen nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Funktionsverdoppelung steht, nach der geplanten Neuregelung nicht mehr ausreicht.

Ausgleichszahlungen: Dieselbe Nachweispflicht – und damit eine zulasten des Steuerpflichtigen verschärfte Beweislast – gilt für Schadensersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche, wenn argumentiert werden soll, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile übertragen oder zur Nutzung überlassen worden sind.

Aus unserer Sicht führen diese verschärften Nachweisanforderungen einerseits zu einer Erhöhung von Komplexität und Kosten für den Steuerpflichtigen und andererseits zu einem erhöhtem Diskussionspotenzial in Betriebsprüfungen.

  • Funktionsverlagerungen an Routineunternehmen – künftig keine Ausnahmeregelung?

Gestrichen wurde dagegen die bestehende Regelung, wonach in Fällen, in denen das übernehmende Unternehmen die übergehende Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen auf Basis der Kostenaufschlagsmethode ausübt, davon auszugehen sei, dass mit dem Transferpaket keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter übergehen. Fraglich ist, ob in derartigen Konstellationen nach wie vor der Anwendungsbereich der Öffnungsklausel gegeben sein wird, der eine Einzelbewertung (anstelle einer Transferpaketbewertung) ermöglicht.

Nächste Schritte

Mit Veröffentlichung von FVerlR _E_2022 haben die Verbände die Möglichkeit, ihre Stellungnahmen zu dem Entwurf einzureichen. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten, inwieweit der Referentenentwurf vom Bundesrat in die endgültige Fassung der Verordnung übernommen wird. Alle Aktualisierungen zu diesem Thema werden in unseren nächsten Newslettern veröffentlicht.

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Autorin

Bettina Grothe
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 3/2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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