Anwendbarkeit der Grunderwerbsteuerbefreiung des § 6a GrEStG
Anwendbarkeit der Grunderwerbsteuerbefreiung
Das FG Münster hat mit Beschluss vom 3. Mai 2022 (8 V 246/22) entschieden, dass die Befreiungsvorschrift des § 6a GrEStG Anwendung auf die Ausgliederung eines Einzelunternehmens zur Neugründung einer Kapitalgesellschaft findet. Damit ist das FG Münster neben dem FG Sachsen mit Urteil vom 30. Juni 2021 (Az. 2 K 121/21, DStRE 2022, 122) bereits das zweite Finanzgericht, das der Auffassung ist, dass Grunderwerbsteuer bei derartigen Ausgliederungen entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung nicht erhoben werden kann.
1. Hintergrund
Die Finanzverwaltung hat ausdrücklich eine Rückausnahme zu der einschränkenden Auslegung der Vor- bzw. Nachbehaltensfrist für das kaufmännische Einzelunternehmen gebildet. Nach Teilziffer 2.1 des gleichlautenden Ländererlasses der Obersten Finanzbehörden der Länder vom 22. September 2020 (BStBl 2020 I S. 960) ist in den Fällen der Ausgliederung bzw. Aufnahme eines Einzelunternehmens auf eine neu zu gründende Kapitalgesellschaft die Steuervergünstigung (mangels Einhaltung der fünfjährigen Vorbehaltensfrist) nicht zu gewähren.
Eine Erklärung dazu lässt der Ländererlass 2020 vermissen, auch steht ein solches Verständnis im Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 21. August 2019, Az. II R 15/19). Dieser hat auch den „umgekehrten“ Fall der Verschmelzung einer abgängigen Kapitalgesellschaft auf eine natürliche Person (Einzelkaufmann) als nach § 6a GrEStG begünstigungsfähig anerkannt.
Klägerin im Fall des FG Münster war eine im Zuge einer Ausgliederung gegründete GmbH.
Alleiniger Gesellschafter dieser GmbH war ein im Handelsregister eingetragener Einzelkaufmann, welcher Alleineigentümer mehrerer Grundstücke war, die er im Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens hielt. 2021 übertrug er sein Einzelunternehmen im Wege der Ausgliederung mit allen Aktiva und Passiva gemäß §§ 152, 158 ff., 123 ff. UmwG auf die im Zuge dieser Ausgliederung gegründete Antragstellerin (sog. Ausgliederung zur Neugründung). Dabei wurden auch Anteile an einer weiteren GmbH, die Alleingesellschafterin weiterer, teils grundbesitzender Kapitalgesellschaften war, mitübertragen.
Das zuständige FA setzte hinsichtlich der Ausgliederung der GmbH-Beteiligung Grunderwerbsteuer fest.
2. Wesentliche Entscheidungsgründe
Nach summarischer Prüfung durch das FG Münster bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Grunderwerbsteuerbescheids.
So handelt es sich bei der durch Ausgliederung erfolgten Übertragung der Grundstücke und dem Übergang der im Eigentum der Tochtergesellschaften der weiteren GmbH stehenden Grundstücke, um jeweils grunderwerbsteuerpflichtige Vorgänge.
Jedoch greife der gemäß § 6a Satz 1 GrEStG bestehende Befreiungstatbestand.
Nach Auffassung des FG Münster ist die Anwendung des § 6a GrEStG nicht deshalb ausgeschlossen, weil der spätere Alleingesellschafter der Klägerin als Einzelunternehmer beteiligt gewesen ist. „Unternehmen“ im Rahmen des § 6a GrEStG seien alle Rechtsträger, die wirtschaftlich tätig seien, unabhängig von der Rechtsform.
Weiterhin sei es für die Anwendung des § 6a GrEStG nicht erforderlich, dass Beteiligungen an den abhängigen Unternehmen im Betriebsvermögen gehalten werden, auch dann nicht, wenn
– wie hier der Fall – ein Einzelunternehmen im Wege der Ausgliederung zur Neugründung auf eine Kapitalgesellschaft übertragen wird.
Das FG Münster stellte daher fest, dass die Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine Kapitalgesellschaft zur Neugründung von § 6a GrEStG erfasst wird. Hätte der Gesetzgeber bestimmte, nach UmwG zulässige Verschmelzungen vom Anwendungsbereich des § 6a GrEStG ausnehmen wollen, hätte dies im Wortlaut des § 6a GrEStG Anklang finden müssen.
Auch seien keine Vor- und Nachbehaltensfristen verletzt worden; diese gelten nicht, wenn sie aus umwandlungsbedingten Gründen nicht eingehalten werden können.
Bislang äußerte sich die Finanzverwaltung nicht zu dem Beschluss des FG Münster, das Gericht ließ die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Ähnlich sieht es bereits das FG Sachsen in seinem Urteil vom 30. Juni 2021. Hier wurde die Revision zugelassen, das Verfahren ist seit dem 20. Mai 2022 unter dem Aktenzeichen BFH, II R 2/22 anhängig, eine Entscheidung bleibt abzuwarten.
3. Praktische Auswirkungen / Ausblick
Beide FG-Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig. Für die zukünftige Behandlung dieser Frage – auch durch die Finanzverwaltung – bleibt die Entscheidung des BFH abzuwarten. Aufgrund der Entscheidung des BFH vom 21. August 2019 bezüglich § 6a GrEStG zugunsten der Steuerpflichtigen würden wir hier zuversichtlich davon ausgehen, dass auch diese Fälle zugunsten einer Steuerbefreiung entschieden werden. Der BFH hat in einer früheren Entscheidung die grunderwerbsteuerliche Befreiung daran festgemacht, dass die Verschmelzung nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 UmwG zugelassen und § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwG allgemein durch den Verweis in § 6a Satz 1 GrEStG in den Tatbestand aufgenommen ist. Da aber auch nach § 152 a. E. UmwG die Ausgliederung von einem Einzelkaufmann auf eine Kapitalgesellschaft zur Neugründung vorgesehen ist, kann u. E. für diesen Umwandlungsfall nichts anderes gelten als für den vom BFH entschiedenen Fall.
Daher ist es in vergleichbaren Fällen, in denen ebenfalls eine Grunderwerbssteuer festgesetzt wurde, sinnvoll, Einspruch einzulegen und die Revision abzuwarten.
Im Fall der Gestaltung derartiger Vorhaben sollte vorab geprüft werden, ob eine verbindliche Auskunft beim zuständigen Finanzamt eingeholt werden soll. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Finanzverwaltung in der Regel nicht in Widerspruch zum (weiterhin geltenden) Ländererlass setzen wird.
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Autor
Patrick Wolff
Tel: +49 30 208 88 1344
Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 3/2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.