Zum Ort der Geschäftsleitung von Einschiffsgesellschaften
Geschäftsleitung von Einschiffsgesellschaften
Reedereien und Liniendienstbetreiber nutzen für die Erbringung ihrer Transportleistungen regelmäßig entweder die eigene Schiffsflotte oder alternativ Schiffe, die für diese Zwecke gechartert werden. Diese gecharterten Schiffe stehen oft im Eigentum von in- oder ausländischen Gesellschaften in der Rechtsform von Personen- oder Kapitalgesellschaften. Soweit die jeweilige Gesellschaft nur ein einzelnes Schiff besitzt und betreibt, spricht man von einer sog. Einschiffsgesellschaft. In der Regel verfügen solche Einschiffsgesellschaften über kein eigenes Personal. Die Bereederung erfolgt dann vielfach durch externe Shipmanagement-Dienstleister.
Inländische Einschiffsgesellschaften sind regelmäßig in Deutschland steuerpflichtig. In vielen Fällen ermitteln diese Gesellschaften den steuerlichen Gewinn nach der Tonnage (sog. Tonnagesteuer), was gerade bei hochprofitablen Ergebnissen steuerlich vorteilhaft sein kann. Einschiffsgesellschaften mit Sitz im Ausland unterliegen dagegen nur dann der unbeschränkten deutschen Steuerpflicht, soweit sich der Ort der Geschäftsleitung in Deutschland befindet.
Bezüglich des Orts der Geschäftsleitung ist zu beachten, dass sich dieser nicht etwa aus gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen ergibt, sondern nach den tatsächlichen Begebenheiten bestimmt. Das deutsche Steuerrecht definiert den Ort der Geschäftsleitung als den Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Dieser befindet sich dort, wo die laufende Geschäftsführung, das sog. Tagesgeschäft, betrieben wird. Dabei handelt es sich um die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt, und solche organisatorischen Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören. Im Vordergrund steht hierbei nicht die juristische Berechtigung, sondern die konkrete Ausübung der Leitung seitens der Entscheidungsträger. Der Ort der Geschäftsleitung wird sich in der Regel an dem Ort befinden, an dem die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende Geschäftsführertätigkeit tatsächlich ausüben.
In besonders gelagerten Fällen kann sich der Ort der Geschäftsleitung der ausländischen Schiffsbesitzgesellschaft sogar ausnahmsweise in den Geschäftsräumen eines inländischen Shipmanagement-Dienstleisters befinden. Das kann jedenfalls dann gelten, wenn die Aufgaben und Befugnisse des Dienstleisters so weit reichen, dass das Tagesgeschäft de facto nicht durch die eigentlichen Geschäftsführer der Gesellschaft, sondern ausschließlich durch den Dienstleister betrieben wird. Es genügt nicht, dass die Tätigkeit des Dienstleisters von der Geschäftsführung nur beobachtet wird. Insbesondere die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erforderlichen Entscheidungen von einigem Gewicht sind von der Geschäftsführung zu treffen.
Falls also Geschäftsführungsentscheidungen für eine ausländische Einschiffsgesellschaft in Deutschland getroffen werden, kann sich der Ort der Geschäftsleitung dieser Gesellschaft in Deutschland befinden. Dies könnte eine deutsche Steuerpflicht der ausländischen Gesellschaft begründen. Dasselbe kann gelten, wenn das Tagesgeschäft ausschließlich durch einen inländischen Shipmanagement-Dienstleister betrieben wird.
Erhöhte steuerliche Risiken können sich ergeben, wenn die ausländische Einschiffsgesellschaft in einem Staat ansässig ist, mit dem die Bundesrepublik Deutschland kein gültiges Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat. Ob die ausländische Einschiffsgesellschaft im Falle einer deutschen Steuerpflicht hilfsweise die Tonnagegewinnermittlung anwenden kann, hängt von weiteren Voraussetzungen ab und wäre im Einzelfall zu prüfen.
Einerseits – mit Blick auf eine steuerlich nicht gewünschte Verlagerung des Orts der Geschäftsleitung aus dem Ausland ins deutsche Inland – sollte es daher dringend vermieden werden, laufende Geschäftsführungsentscheidungen des Tagesgeschäfts von ausländischen Einschiffsgesellschaften in Deutschland zu treffen. Es kann sich anbieten, Bereederungs- und Serviceverträge zwischen ausländischen Einschiffsgesellschaften und deutschen Shipmanagement-Dienstleistern in Bezug auf den Umfang der vereinbarten Leistungen und damit verbundene steuerliche Risiken zu prüfen.
Andererseits – bedingt durch infrastrukturelle Gegebenheiten des Schiffsmanagements – könnte der Standort Deutschland eine relevante Rolle mit Blick auf eine inländische Standortscheidung spielen. Häufig ist in diesem Zusammenhang zu beobachten, dass die relevanten Geschäftsleitungsaktivitäten bereits faktisch aus dem Inland erbracht werden bzw. sogar erbracht werden müssen, sodass das Recht zur Besteuerung der Schifffahrteinkünfte nicht – so wie gedacht – im Ausland liegen kann. Es kann daher höchst vorteilhaft sein, das faktisch bestehende inländische Besteuerungsrecht mit dem vorteilhaften Tonnagebesteuerungsregime zu verbinden, andernfalls können erhebliche steuerliche Nachteile ausgelöst werden.
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