Steuerlicher Kurzhinweis zum Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 8. Mai 2024 (Az. VIII R 9/21)
Urteil des Bundesfinanzhofes (Az. VIII R 9/21)
Leitsätze
1. Tritt der Steuerpflichtige aufgrund eines förmlichen Bestellungsakts nach außen für eine juristische Person des öffentlichen Rechts als deren Vertreter im Aufsichtsrat einer kommunalen Gesellschaft auf, ist er im Auftrag der juristischen Person des öffentlichen Rechts tätig.
2. Die Steuerbefreiung der Tätigkeit im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts hat keine weiteren Voraussetzungen; sie muss insbesondere nicht gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke fördern.
Zur Urteilsbegründung
Aufgrund kommunalrechtlicher Vorschriften ist die Gründung oder Beteiligung von Gemeinden an Unternehmen einer privaten Rechtsform nur zulässig, wenn diese in einem Aufsichtsrat oder einem entsprechenden Überwachungsorgan einen angemessenen Einfluss erhalten (vgl. z. B. § 96 Abs. 1 Ziff. 2 Sächsische Gemeindeordnung – SächsGemO). Daraus ergibt sich unmittelbar die Notwendigkeit, dass der Gemeinderat Personen für die Tätigkeit in einem Aufsichtsrat bestimmt, die über die für diese Aufgabe erforderliche betriebswirtschaftliche Erfahrung und Sachkunde verfügen (vgl. z. B. § 98 Abs. 2 S. 4 SächsGemO). Üblicherweise erhalten die Mitglieder der Aufsichtsräte finanzielle Vergütungen (z. B. Sitzungsgelder, Aufwandsentschädigungen) für ihre Tätigkeit, die in betrieblichen Satzungen durch die Gesellschafterversammlung beschlossen werden.
Diese Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (jPöR) sind nach § 3 Nr. 26a EStG derzeit bis zur Höhe von insgesamt 840 € im Jahr steuerfrei. Unscharf und interpretationsfähig war jedoch der folgende Textteil des § 3 Nr. 26a EstG: „oder einer unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallenden Einrichtung zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung)“. Dieser Textteil kann als Beschreibung des begünstigten Tätigkeitszwecks (Mitwirkung in einem Aufsichtsrat) verstanden werden, der dann auch eine Tätigkeit für eine juristische Person des öffentlichen Rechts betreffen würde. Er kann aber auch allein auf die „unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende(n) Einrichtung“ bezogen werden.
In seiner Urteilsbegründung setzt sich der BFH ausführlich mit dieser Frage auseinander. Er weist darauf hin, dass eine diesbezügliche Abgrenzung in der Rechtsprechung bisher nicht ausdrücklich vorgenommen wurde. Im Schrifttum ist es hingegen umstritten (soweit dieses Thema überhaupt diskutiert wird), ob sich die Formulierung „zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung)“ auf die nebenberufliche Tätigkeit selbst oder ausschließlich auf die begünstigte Körperschaft im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG als Auftraggeber bezieht. Im Ergebnis seiner rechtlichen Beurteilung gelangt der BFH zur folgenden Einschätzung:
Tz. 26: „Die Auslegung der Norm nach ihrem Sinn und Zweck sowie nach dem Willen des Gesetzgebers ergibt, dass sich der Satzteil ,zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung)‘ nicht auf eine Tätigkeit im Auftrag oder im Dienst einer juristischen Person des öffentlichen Rechts bezieht.“
Erläuternd führt der BFH dazu im weiteren Verlauf aus, dass die Regelung des § 3 Nr. 26a EStG mit dem Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10. Oktober 2007 (BGBl I 2007, 2332) eingeführt worden ist. Damit wollte der Gesetzgeber gezielt das „bürgerschaftliche“ beziehungsweise „ehrenamtliche“ Engagement stärken (BTDrucks 16/5926, S. 1 f.). Eine Auslegung, wonach diese Tätigkeit nur dann steuerbegünstigt wäre, wenn sie für eine juristische Person des öffentlichen Rechts zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke erfolgt, wäre zur Umsetzung dieses Gesetzeszwecks nicht geeignet.
Tz. 39: „Eine von § 3 Nr. 26a EStG begünstigte Tätigkeit ist danach (ohne weitere Voraussetzungen) schon dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige im Auftrag oder im Dienst einer juristischen Person des öffentlichen Rechts tätig wird.“
Für die Praxis
Zu den Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit gehören nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG die Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Tätigkeit, zum Beispiel für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied. Hierunter fallen Mitglieder von Organen einer Körperschaft wie Aufsichtsrat oder Verwaltungsrat oder andere Personen, die mit der Überwachung der Geschäftsführung beauftragt sind. Das betrifft auch die nebenberufliche Tätigkeit im Dienst oder Auftrag einer jPöR. Damit verbunden sind somit auch alle deklaratorischen Pflichten im Rahmen der persönlichen Steuererklärung des Aufsichtsratsmitgliedes.
Zahlungen, die das Aufsichtsratsmitglied eines kommunalen Unternehmens für seine Tätigkeit erhält, sind derzeit nach § 3 Nr. 26a EStG bis zu einem Gesamtbetrag von 840 € im Jahr (einkommen-)steuerfrei. Dabei ist die Bezeichnung der Zahlungen (Aufwandsersatz, Sitzungsgeld o. Ä.) irrelevant.
Sofern die tatsächlichen Aufwendungen, die dem Aufsichtsratsmitglied im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit entstanden sind, den steuerfreien Betrag von derzeit 840 € im Jahr über-steigen, können diese gemäß § 3c Abs. 1 EStG steuerlich berücksichtigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 20. Dezember 2017 – III R 23/15, BFHE 260, 271, BStBl II 2019, 469, insbesondere Tz. 18). Betragen beispielsweise die tatsächlichen Ausgaben 1.000 € im Jahr, können 160 € bei den Einnahmen gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG steuermindernd geltend gemacht werden (1.000 € Ausgaben abzüglich 840 € steuerfreie Einnahmen). Ein Abzug der verbleibenden nicht verrechenbaren Ausgaben im Zusammenhang mit den Einkünften nach § 3 Nr. 26a EStG (hier 840 €) bei anderen Einkunftsarten des Steuerpflichtigen ist ebenfalls ausgeschlossen.
Hinweis
Von der dargelegten ertragsteuerlichen Beurteilung der Einnahmen aus der nebenberuflichen Tätigkeit im Dienst oder im Auftrag einer jPöR ist deren umsatzsteuerliche Würdigung klar zu unterscheiden. Wir verweisen dazu insbesondere auf das EuGH-Urteil vom 13. Juni 2019 (C-420/18), dem diesem folgenden BFH-Urteil vom 27. November 2019 (V R 23/19 – Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern) sowie auf das BMF-Schreiben vom 8. Juli 2021 (III C 2 – S 7104/19/10001 :003 BStBl 2021 I, S. 919 Umsatzsteuer; Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern). Die darin verankerten umsatzsteuerlichen Grundsätze gelten grundsätzlich unabhängig von der Höhe der Einnahmen aus der nebenberuflichen Tätigkeit.
Bei Fragen zur Besteuerung der kommunalen Aufsichtsräte wenden Sie sich gern an unsere Expert*innen.
Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 4-2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.