Finanzgericht München: Selbstverbrauch bei der Erzeugung von Nutzenergie
Selbstverbrauch bei der Erzeugung von Nutzenergie
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt ein Biomasseheizkraftwerk (HKW) mit einer elektrischen Nennleistung von 9.680 kW. In einer Entfernung von 200 bis 250 Metern zum HKW befinden sich Gewächshausanlagen, die nicht im Eigentum der Klägerin stehen und auch nicht von ihr betrieben werden. Die im HKW der Klägerin erzeugte Wärme wird teilweise zur Beheizung der Gewächshäuser eingesetzt und teilweise ins Fernwärmenetz eingespeist. Der im HKW erzeugte Strom, der nicht unmittelbar im HKW verbraucht wird, wird zum Betrieb von Beleuchtungsanlagen in den Gewächshäusern verwendet. Die Gewächshäuser und die Beleuchtungsanlagen befinden sich im Eigentum eines Dritten.
Die Klägerin verfügte seit dem 1. Juli 2019 über eine Erlaubnis zur steuerfreien Entnahme von Strom zum Selbstverbrauch nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG. Diesbezüglich beantragte Sie, auch die o. g. Beleuchtungsanlagen in den Gewächshäusern in die Erlaubnis mit aufzunehmen.
Das Hauptzollamt (HZA) war der Auffassung, dass die Klägerin nicht über die Sachherrschaft über die Beleuchtungsanlagen verfüge und damit kein Selbstverbrauch im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG gegeben sei. Außerdem finde die Stromentnahme weder am „Ort der Erzeugung“ noch an einem mit dem Betriebsgelände der Klägerin in einem räumlich zusammengehörenden Gebiet statt, weswegen auch eine Erlaubnis im Hinblick auf die Beleuchtungsanlagen nicht zu erteilen sei.
Entscheidungsgründe
Nach dem FG sind die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung jedoch nicht gegeben.
Die Entnahme des Stromes sei nach Auffassung des FG zwar grundsätzlich durch die Betreiberin der Anlage (Klägerin) erfolgt, jedoch beziehe sich eine Entnahme zum Selbstverbrauch bei der Verwendung von Strom zur Erzeugung von Nutzenergie auf denjenigen, der die Nutzenergie nutzt. Da die erzeugte Nutzenergie (das Licht) nicht von der Klägerin, sondern vom Betreiber der Gewächshäuser genutzt wird, ist das FG davon ausgegangen, dass kein Selbstverbrauch im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 1 StromStG vorliegt. Grundsätzlich sei der Begriff des Selbstverbrauches an eine Personenidentität zwischen dem Betreiber einer Anlage und der Person, die den Strom entnimmt bzw. verwendet, geknüpft. Dabei stelle die Entnahme durch einen Dritten (z. B. Mieter, Pächter) keinen Selbstverbrauch dar. Wenn der Strom indes zur Erzeugung von Nutzenergie eingesetzt wird, sei aus beihilferechtlichen Gründen eine Einschränkung dahingehend geboten, dass ein Selbstverbrauch nur vorliegt, wenn der Betreiber der Anlage auch die Nutzenergie verbraucht. Nach der Rechtsprechung des BFH sei ein reines Weiterleiten oder Weiterverkaufen der Nutzenergie nicht als Nutzung im stromsteuerrechtlichen Sinne anzusehen.
Bedeutung für die Praxis/Fazit
Das FG greift mit seinem Urteil die Rechtsprechung des BFH (Beschl. v. 25. April 2018, VII R 15/17) auf und weist insbesondere darauf hin, dass zwischen demjenigen, der den Strom entnimmt, und demjenigen, der den Strom nutzt, zu trennen ist.
Das FG geht in seiner Entscheidung zudem auf sog. Contracting-Modelle, nach denen Nutzenergie nach den Anforderungen Dritter (vorliegend: dem Gewächshausbetreiber) erzeugt und zur Verfügung gestellt wird, ein. Da Contracting-Modelle weit verbreitet sind, sollten die Beteiligten von Nutzenergie-Contracting die steuerliche Behandlung ihrer Projekte überprüfen. Nutzenergie im stromsteuerrechtlichen Sinne umfasst insbesondere Licht, Wärme, Kälte, Druckluft und mechanische Energie.
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