FG Düsseldorf – Mittelfehlverwendung aufgrund Veruntreuung durch GmbH-Geschäftsführerin
Mittelfehlverwendung aufgrund Veruntreuung
Sachverhalt
Die Klägerin, eine gemeinnützige GmbH, wendet sich mit dem Verfahren gegen die Aberkennung ihrer Gemeinnützigkeit für die Jahre 2013 bis 2018 aufgrund einer Mittelfehlverwendung.
Die B war von 2009 bis 2018 als Geschäftsführerin der Gesellschaft bestellt. Im Jahr 2013 wurde der Aufsichtsratsvorsitzende A der Klägerin auf Beschluss des Aufsichtsrats hin mit der Verlängerung des Anstellungsvertrags der B um fünf Jahre, bis 2019, beauftragt. Neben der Verlängerung vereinbarten A und B, ohne einen entsprechenden Beschluss des Aufsichtsrats, auch die Erhöhung der Vergütung von B. B wies die Mitarbeiter*innen der Klägerin an, die Auszahlungen an sie entsprechend der Vertragsanpassung zu erhöhen. Im Jahr 2016 wurde der Anstellungsvertrag erneut, ohne einen entsprechenden Beschluss des Aufsichtsrats, durch A und B angepasst und eine Erhöhung der Vergütung vereinbart. Die Vertragsanpassungen wurden dem Aufsichtsrat nicht vorgelegt.
Erst im Jahr 2017 erlangte der neue Aufsichtsratsvorsitzende R Kenntnis von den Anpassungen der Vergütungen von A und B. Auf ein Gutachten zur Angemessenheit der Geschäftsführervergütung hin berief der Aufsichtsrat die B im Jahr 2018 als Geschäftsführerin ab und beschloss, den Anstellungsvertrag mit ihr außerordentlich, fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen.
Eine für die Jahre 2013 bis 2015 durchgeführte Betriebsprüfung kam zu dem Ergebnis, dass eine Mittelfehlverwendung mangels Selbstlosigkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 3 AO in Bezug auf die Geschäftsführervergütung vorlag. Für diese Jahre erkannte das Finanzamt die Gemeinnützigkeit ab.
Entscheidung des FG
Mit ihrer Klage hatte die Klägerin vor dem Finanzgericht Düsseldorf Erfolg. Die Klägerin habe die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 3 AO erfüllt und hätte auch in den Streitjahren selbstlos gehandelt.
Ein Verstoß gegen § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO setze voraus, dass die begünstigte Körperschaft eine Person z. B. durch überhöhte Vergütungen aktiv und gezielt begünstigt. Dabei sei eine allein objektive Begünstigung für die Versagung der Gemeinnützigkeit nicht ausreichend, die entsprechende Handlung müsse der Körperschaft auch zugerechnet werden können. An einer solchen zurechenbaren aktiven Begünstigung fehle es, da die Klägerin von A und B geschädigt worden sei. Dabei nimmt das Gericht Bezug auf das Urteil des zivilrechtlichen Schadenersatzverfahrens.
Die Mittelfehlverwendung liege zwar objektiv vor, könne der Klägerin aber nicht zugerechnet werden. Zur wirksamen Vereinbarung der Erhöhung der Vergütung sei ein Beschluss des Aufsichtsrats erforderlich gewesen, dieser lag gerade nicht vor. Der Aufsichtsratsvorsitzende war daher nicht für den Abschluss der Vertragsanpassungen im Namen der Klägerin berechtigt. Eine Zurechnung des eigenmächtigen Handelns des A sei den übrigen Organen nur infolge grober Vernachlässigung der ihnen obliegenden Überwachungspflichten zuzurechnen (ständige Rechtsprechung des BFH, Urteil vom 27. September 2011 – V R 17/99, BStBl. II 2002, S. 169 unter Verweis auf BFH, Urteil vom 31. Juli 1963 – I 319/60, HFR 19637, S. 407). Das Gericht erkennt dabei zwar eine Verletzung der Sorgfaltspflichten des Aufsichtsrats, der die Vergütung hätte regelmäßig kontrollieren müssen. Es sei aber keine ungewöhnlich hohe und unentschuldbare Sorgfaltspflichtverletzung anzunehmen.
Hinzu trete, dass bei ehrenamtlich tätigen Organen in Hinblick auf ein Überwachungsverschulden ein anderer Maßstab an die Kontroll- und Sorgfaltspflichten zu stellen sei als bei hauptamtlichen Organen. Zu berücksichtigen sei ebenfalls, dass B sich des Unrechtsgehalts ihres Tuns bewusst gewesen sei und für die fortdauernde Verschleierung des Sachverhalts gesorgt habe.
Gegen eine grobe Sorgfaltspflichtverletzung spreche weiterhin, dass die Erhöhung der Geschäftsführervergütung für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Rahmen der Jahresabschlussprüfung nicht ersichtlich war. B hatte in den von ihr erstellten Anhängen der Jahresabschlüsse von dem Wahlrecht des § 286 Abs. 4 HGB Gebrauch gemacht – d. h., es waren nur die Gesamtbezüge der Aufsichtsratsmitglieder, nicht aber diejenigen der Geschäftsführung angegeben. Der Aufsichtsrat habe aufgrund der Umstände keinen Anlass gehabt, die Anwendung des Wahlrechts anzuzweifeln.
Fazit und Ausblick / Praxishinweise
Das FG Düsseldorf stellt anschaulich die Maßstäbe für die Zurechnung des Verhaltens einzelner Personen zu der gemeinnützigen Körperschaft dar. Es ist zu unterscheiden, ob die betreffenden Personen innerhalb ihres Zuständigkeits- bzw. Vertretungsbereichs oder eigenmächtig gehandelt haben. Bei Letzterem ist in einem zweiten Prüfungsschritt auf das Verschulden der Organisation im Einzelfall abzustellen.
Die Entscheidung zeigt die Wichtigkeit regelmäßiger Compliance-Überprüfungen auch in gemeinnützigen Körperschaften. Werden gravierende Fehler festgestellt, kann frühzeitig mit der Aufarbeitung begonnen werden, um den „Worst Case“ – die Aberkennung der Gemeinnützigkeit – zu vermeiden. Diese ist zudem auch denkbar, wenn die betreffende Körperschaft auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen verzichtet.
Gern beraten wir Sie umfänglich zu den Fragestellungen der gemeinnützigkeitsrechtlichen Voraussetzungen von der Gründung Ihrer Körperschaft bis zur Abwehrberatung gegenüber der Finanzverwaltung zum Erhalt der Gemeinnützigkeit.
Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 4-2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.