Freiwilliges Soziales Jahr – aktuelle Verfügung der Finanzverwaltung zur Umsatzbesteuerung

Die Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt am Main hat mit Verfügung vom 21. März 2023 Stellung genommen, in welchen Fällen ein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch vorliegt bzw. welche Umsatzsteuerbefreiung einschlägig ist.

Einleitung

Menschen im Alter von 16 bis 27 Jahren wird mit dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) und dem Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) ein Bildungs- und Orientierungsjahr (von sechs bis 18 Monaten) ermöglicht, das von einem öffentlichen oder freien Maßnahmeträger (Träger) pädagogisch begleitet wird. Der Arbeitseinsatz der Freiwilligen erfolgt nicht beim Träger, sondern wird in überwiegend praktischer Hilfstätigkeit in gemeinwohlorientierten Einrichtungen bzw. in Einrichtungen, die im Bereich des Natur- und Umweltschutzes tätig sind (Einsatzstellen), geleistet.

Die Rahmenbedingungen und Vertragsverhältnisse zwischen Freiwilligen, Maßnahmeträgern und Einsatzstellen sind ab dem 1. Juni 2008 im Jugendfreiwilligendienstegesetz (JFDG) geregelt. Um am FSJ oder FÖJ teilnehmen zu können, sind die Freiwilligen verpflichtet, eine Teilnahmevereinbarung mit dem Maßnahmeträger abzuschließen. Das JFDG bietet erstmals die gesetzliche Grundlage für dreiseitige Vereinbarungen zwischen Freiwilligen, Trägern und Einsatzstellen (§ 11 Abs. 2 JFDG). Da die umsatzsteuerlichen Leistungsbeziehungen und auch die steuerlichen Auswirkungen bei den verschiedenen Vereinbarungen variieren, ist zwischen den folgenden Vertragsgestaltungen zu unterscheiden:

Zweiseitige Vereinbarung zwischen Freiwilligem und Maßnahmeträger (§ 11 Abs. 1 JFDG)

Der Freiwillige und der Maßnahmeträger können die Durchführung eines FSJ oder FÖJ durch eine zweiseitige Teilnahmeerklärung vereinbaren (Arbeitszeit, Urlaubsanspruch, Seminarteilnahmepflicht, Vergütung). Die Freiwilligen erhalten vom Träger ein Taschengeld. Zudem wird ihnen entweder eine unentgeltliche Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung oder eine entsprechende Geldersatzleistung zur Verfügung gestellt. Auch die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung werden von dem Verband entrichtet und abgeführt.

Die Freiwilligen leisten ihren Dienst bei einer (als gemeinnützig anerkannten) Einsatzstelle (z. B. Krankenhäusern, Einrichtungen der Kinder- oder Jugendhilfe, Sportvereinen). Nach dem Vertrag zwischen Maßnahmeträger und Einsatzstelle ersetzt die Einsatzstelle dem Maßnahmeträger das Taschengeld sowie die Sozialversicherungsbeiträge und zahlt ihm einen bestimmten monatlichen Betrag, der pauschal die Kosten des Trägers für Verwaltung, Lohnbuchhaltung, Gehaltsabrechnung, Abwicklung der Sozialversicherungspflicht sowie die gesetzlich vorgeschriebene pädagogische und sozialpädagogische Betreuung abdeckt.

Nach der getroffenen Vereinbarung bestehen Rechtsbeziehungen zwischen dem Freiwilligen und dem Maßnahmeträger, welche Letzterem die Befugnis einräumt, den Freiwilligen delegieren zu können. Eine derartige Rechtsbeziehung besteht zwischen dem Freiwilligen und der Einsatzstelle nicht, sodass diese insoweit auf Dienste des Trägers zurückgreifen und in der Folge diese Inanspruchnahme auch entgelten muss.

Dadurch liegt ein umsatzsteuerrechtliches Leistungsaustauschverhältnis zwischen Träger und Einsatzstelle (Personalüberlassung) vor. Diese Leistung ist als eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistung anzusehen und demzufolge nach § 4 Nr. 18 UStG steuerbefreit (BFH, Urteil vom 24. Juni 2020, V R 21/19, BStBl II 2023, S. 276).

Diese Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für Umsätze, die vor dem 1. April 2023 erbracht werden, wird es jedoch nicht beanstandet, wenn der Unternehmer seine Leistungen abweichend von den o. g. Ausführungen als umsatzsteuerpflichtig behandelt bzw. behandelt hat.

Übergangsregelung für Verträge vor dem 1. Oktober 2008

Wegen der Neuregelung des § 11 Abs. 2 JFDG wird die Finanzverwaltung Verträge zwischen Trägern und Einsatzstellen zur Durchführung von Jugendfreiwilligendiensten, die vor dem 1. Oktober 2008 abgeschlossen wurden, nicht aufgreifen. Diese Übergangsregelung bewirkt, dass alle vor dem 1. Oktober 2008 geschlossenen Verträge, auch wenn die Einsatzzeit den Zeitraum 2008 und 2009 umfasst, nicht mit Umsatzsteuer belastet werden.

Dreiseitige Vereinbarung zwischen Freiwilligem, Maßnahmeträger und Einsatzstelle (§ 11 Abs. 2 JFDG)

Mit Inkrafttreten des JFDG wurde die Möglichkeit einer dreiseitigen Vereinbarung zwischen Träger, Einsatzstelle und Freiwilligem zur Durchführung des Jugendfreiwilligendienstes geschaffen. Bei Abschluss einer solchen Vereinbarung liegt keine umsatzsteuerbare Überlassung der Freiwilligen durch den Träger an die jeweilige Einsatzstelle vor.

Die dreiseitige Vereinbarung begründet ein Rechtsverhältnis, wonach die beteiligten Einsatzstellen und Träger jeweils für die sie betreffenden Rechte und Pflichten ausschließlich und unmittelbar berechtigt und verpflichtet sind. Demnach werden die Einsatzstellen aus dem Arbeitseinsatz der Freiwilligen aus der Vereinbarung unmittelbar berechtigt und sind im Gegenzug auch hinsichtlich der von ihr übernommenen Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge und des sog. Taschengeldes selbst verpflichtet. Es liegt damit keine entgeltliche Personalüberlassung durch den Maßnahmeträger mehr vor.

Eine Abwicklung der Zahlungen durch den Träger ist dabei unschädlich, sofern dies im Namen und für Rechnung der Einsatzstelle erfolgt. Erhebt der Träger jedoch für diese und/oder weitere Verwaltungsleistungen ein Entgelt von den Einsatzstellen, liegt insoweit eine umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Leistung des Trägers vor. Soweit die Einsatzstellen verpflichtet sind, an den Maßnahmeträger ein Entgelt für Leistungen im Bereich der formalen Bildungsarbeit des Trägers zu leisten, können diese nach § 4 Nr. 22 Buchstabe a) UStG steuerfrei sein.

Teil der Verfügung der OFD Frankfurt am Main ist eine Mustervereinbarung. Auf den Abdruck wird verzichtet.

Bundesfreiwilligendienst

Der Bund hat nach Aussetzung der Wehrpflicht den Bundesfreiwilligendienst (BFD) eingerichtet, der zukünftig den Zivildienst ersetzen soll. Der wesentliche Unterschied zum FSJ oder FÖJ besteht darin, dass der BFD nicht nur für Personen bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres zugänglich und der Maßnahmeträger hier die Bundesrepublik Deutschland (vertreten durch das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben) selbst ist. Die dargestellten Grundsätze zum FSJ bzw. FÖJ sind auch auf den BFD anzuwenden.

Autor

Dr. Alexander Becker
Tel: +49 30 208 88 1212

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 4-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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