Formelle Voraussetzungen von Steuerbegünstigungen nach dem Strom- und Energiesteuergesetz

Steuerbegünstigungen nach dem Stromsteuergesetz (StromStG) und dem Energiesteuergesetz (EnergieStG) wie z. B. Steuerbefreiungen und Steuerentlastungen sind an formelle Voraussetzungen geknüpft. Beispielsweise müssen für Steuerbefreiungen Erlaubnisse des zuständigen Hauptzollamts (HZA) vorliegen, zudem sind die Anträge auf Steuerentlastung fristgebunden. Ob die formellen Voraussetzungen eingehalten worden sind, ist regelmäßig Gegenstand von Auseinandersetzungen der Steuerpflichtigen mit den Hauptzollämtern. In jüngerer Zeit haben der Europäische Gerichtshof (EuGH) bzw. das Finanzgericht Hamburg (FG Hamburg) interessante Entscheidungen zu diesen Fragen gefällt, die Steuerpflichtigen bei Diskussionen mit den Finanzbehörden helfen können.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 22. Dezember 2022 (C-553/21)

Der EuGH hat in einem Vorabentscheidungsverfahren entschieden, dass eine Steuerentlastung nach dem EnergieStG im Einzelfall auch dann gewährt werden kann, wenn die Frist für die Antragstellung bereits abgelaufen ist. Eine Versagung der Steuerentlastung aufgrund der im nationalen Recht geregelten Frist kann gegen Vorgaben des Unionsrechts verstoßen.

Die Steuerentlastung nach § 54 Abs. 1 EnergieStG wird Unternehmen des Produzierenden Gewerbes gewährt, die Energieerzeugnisse zu betrieblichen Zwecken verheizen oder in begünstigten Anlagen verwenden. Eine fristgerechte Antragstellung ist in der Praxis häufig eine große Herausforderung, da die Antragsfrist lediglich ein Jahr beträgt und mit dem Ablauf des auf den Verbrauch der Energieerzeugnisse folgenden Jahres abläuft. Grundsätzlich besteht ein Gleichlauf von Antragsfrist und Festsetzungsfrist; allerdings kann der Ablauf der Festsetzungsfrist – anders als der Ablauf der Antragsfrist – beispielsweise durch eine Außenprüfung gehemmt werden. Diese Besonderheit kann zu der Situation führen, dass die Steuerentlastung nicht mehr beantragt werden kann, obwohl die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist (und ggf. bevor eine Festsetzung der Steuer erfolgt ist). Die Steuerentlastung selbst ist unionsrechtlich vorgesehen, die kurze Antragsfrist hingegen hat ihre Grundlage im nationalen Recht.

Der EuGH hat in dem Vorabentscheidungsverfahren entschieden, dass die einjährige Antragsfrist nach deutschem Recht gegen den unionsrecht unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt. Die Verletzung des Effektivitätsgrundsatzes liege darin begründet, dass die Nichteinhaltung der Frist stets zu einer Versagung der Steuerbefreiung führe. Dadurch sei es dem Steuerpflichtigen faktisch nicht möglich, in den Genuss der unionsrechtlich vorgesehenen Steuerentlastung zu kommen. Der Effektivitätsgrundsatz sehe vor, dass die Durchsetzung von Unionsrecht durch die Mitgliedstaaten nicht übermäßig erschwert oder unmöglich gemacht werden dürfe. Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liege vor, weil an der Erfüllung der materiellrechtlichen Voraussetzungen der Steuerentlastung keine Zweifel bestanden hätten und die Gewährung der Steuerentlastung ausschließlich aufgrund der versäumten Antragsfrist versagt worden sei.

Die Entscheidung des EuGH zeigt, dass Steuerbegünstigungen nach dem StromStG und dem EnergieStG auch bei versäumter Antragsfrist erfolgreich bei Gericht eingeklagt werden können.

Beschluss des FG Hamburg zum Erfordernis einer stromsteuerlichen Erlaubnis

Nach dem Beschluss des FG Hamburg vom 13. Oktober 2022 (4 V 36/22, rkr.) kann die Versagung einer Steuerbefreiung nach dem StromStG wegen fehlender Erlaubnis zur steuerfreien Entnahme von Strom rechtswidrig sein.

Das StromStG sieht mehrere Steuerbefreiungen vor – unter anderem für Strom, der in einer Anlage mit einer elektrischen Nennleistung von mehr als 2 Megawatt erzeugt und vom Anlagenbetreiber am Ort der Erzeugung selbst verbraucht wird (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG). Zudem ist Strom, der zur Stromerzeugung verwendet wird, ebenfalls steuerfrei (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG). Allerdings werden die Steuerbefreiungen nur gewährt, wenn eine Erlaubnis des Hauptzollamts vorliegt.

Im konkreten Fall hatte der Betreiber einer Windkraftanlage den erzeugten Strom teilweise selbst verbraucht und teilweise vor Ort an andere Gesellschaften geliefert. Die Voraussetzungen der o. g. Steuerbefreiungen waren unstreitig erfüllt, allerdings lagen keine Erlaubnisse des HZA vor. Das HZA setzte die Stromsteuer für den entnommenen Strom fest und behandelte ihn als vollumfänglich steuerpflichtig. Der Einspruch gegen den Bescheid war erfolglos, der Anlagenbetreiber stellte im Anschluss einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.

Im Rahmen der summarischen Prüfung hat das FG Hamburg ernstliche Zweifel daran geäußert, dass die Versagung der Steuerbefreiungen ausschließlich aufgrund der Tatsache, dass dem Anlagenbetreiber keine gültige Erlaubnis des HZA vorlag, rechtmäßig ist. Die Steuerbefreiungen seien unionsrechtlich vorgesehen, wohingegen das Erfordernis einer Erlaubnis auf nationalem Recht beruhe. Die Rechtsprechung der Finanzgerichte zu den Auswirkungen einer fehlenden Erlaubnis seien uneinheitlich: So habe das FG Düsseldorf die Versagung der Steuerbefreiung mangels Erlaubnis unter Bezug auf EuGH-Rechtsprechung als rechtswidrig angesehen (FG Düsseldorf v. 8. Januar 2020 – 4 K 3223/18 VSt), während das FG Hamburg die mitgliedstaatliche Ausgestaltung für europarechtskonform befunden habe (FG Hamburg v. 22. Mai 2020 – 4 K 144/17). Aufgrund dieser divergierenden Rechtsprechung bezüglich der Erlaubnis nach § 9 Abs. 4 StromStG als notwendiger Voraussetzung für die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StromStG und dem Fehlen einer höchstrichterlichen Klärung dieser offenen Rechtsfrage sah das FG Hamburg ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids und setzte die Vollziehung des Steuerbescheids aus. Da es sich um eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz handelt, bleibt die Entscheidung in der Hauptsache mit Spannung zu erwarten.

Die Entscheidung zeigt, dass es sich für Unternehmen, denen die Steuerbefreiungen des StromStG aufgrund einer fehlenden Erlaubnis versagt wurde, lohnen kann, dies einer gerichtlichen Überprüfung zuzuführen.  

Autoren

Gregor Weimer
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Jerome Eufinger
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