EuGH – Zur Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen innerhalb einer Organschaft
Zur Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen
Sachverhalt
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist eine deutsche Stiftung des öffentlichen Rechts. Bei dieser handelt es sich um die Trägerin einer Universität. Sie ist zudem Organträgerin der U-GmbH. Die U-GmbH erbrachte 2005 in einem der Gebäudekomplexe Reinigungsleistungen für die Klägerin. Die Klägerin nutzte diesen Gebäudekomplex einerseits für wirtschaftliche, der Mehrwertsteuer unterliegende Tätigkeiten und andererseits für ihren hoheitlichen Bereich, welcher nicht der Mehrwertsteuer unterliegt.
Das Finanzamt berichtigte den der Klägerin ergangenen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2005. Begründet wurde diese Änderung zum einen damit, dass die Klägerin und die Betriebe, deren Organträgerin sie sei, ein einheitliches Unternehmen bilden. Danach sei lediglich eine Umsatzsteuererklärung abzugeben und nur ein Umsatzsteuerbescheid zu erteilen. Zum anderen unterlägen die von der U-GmbH ausgeführten Reinigungsleistungen gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wegen des Vorliegens einer Organschaft nicht der Umsatzsteuer. Anders beurteile es sich jedoch für Reinigungsleistungen, die für den Hoheitsbereich der Klägerin erfolgt seien. Diese dienten einer unternehmensfremden Tätigkeit, sodass § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG einschlägig sei.
Die Klägerin durchlief erfolglos das Einspruchsverfahren gegen den Umsatzsteuerbescheid und erhob anschließend Klage beim Finanzgericht. Dieses gab der Klage mit der Begründung statt, dass sich die Organschaft auch auf den Hoheitsbereich der Klägerin erstrecke. Das Finanzamt erhob daraufhin Revision zum Bundesfinanzhof (BFH). Der BFH legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG mit dem Unionsrecht vereinbar und Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Sechsten Richtlinie (RL 77/388/EWG) vorliegend anwendbar sei. Im Urteil des EuGH vom 1.Dezember 2022 (Az. C-269/20, EU:C:2022:944) stellte dieser fest, dass die Erbringung einer Dienstleistung eines Mitglieds der Gruppe im Zusammenhang mit einer hoheitlichen Tätigkeit, die ihrerseits gem. Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie nicht mehrwertsteuerbar ist, nicht gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Sechsten Richtlinie besteuert werden dürfe.
Der BFH legte daraufhin dem EuGH im gleichen Verfahren erneut eine Frage zur Vorabentscheidung vor. Dabei fragt der BFH, ob gegen Entgelt erbrachte Leistungen zwischen Personen der gleichen Mehrwertsteuergruppe der Mehrwertsteuer unterliegen. Ergänzend möchte der BFH wissen, ob diese Leistungen zur Vermeidung der Gefahr von Steuerverlusten dann mehrwertsteuerbar sind, wenn der Leistungsempfänger nicht oder lediglich zum Teil zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Entscheidung des EuGH
Der EuGH entscheidet in seinem Urteil vom 11. Juli 2024 (Az. C-184/23), dass Art. 2 Nr. 1, Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie dahingehend auszulegen seien, dass gegen Entgelt erbrachte Leistungen zwischen Personen der gleichen Mehrwertsteuergruppe nicht der Mehrwertsteuer unterliegen. Dies gelte insbesondere auch dann, wenn die vom Empfänger dieser Leistungen geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen werden dürfe. Vorsteuerabzugsbeschränkungen der Beteiligten haben hierauf folglich keine Auswirkungen.
Der EuGH beruft sich in der Entscheidung auf den Wortlaut der Normen der MwStSystRL und auf seine bisherige Rechtsprechung. Er führt aus, dass Mitglieder einer Organschaft einen einzigen Steuerpflichtigen bilden und damit nicht als getrennte Steuerpflichtige betrachtet werden dürfen. Eine Leistung erfordere gerade zwei Steuerpflichtige, sodass in diesem Verhältnis kein steuerbarer Umsatz gegeben sein könne. Es sei daher lediglich eine Mehrwertsteuererklärung abzugeben und lediglich ein Mehrwertsteuerbescheid zu erlassen.
Er äußert sich außerdem zu den Ausführungen des BFH, wonach Unsicherheit in Anbetracht des EuGH-Urteils vom 1. Dezember 2022 (Az. C-141/20, EU:C:2022:943) herrsche. Der EuGH führt aus, dass sich daraus nichts anderes hinsichtlich der Steuerbarkeit der Innenumsätze wegen der Vermeidung einer Gefahr von Steuerverlusten ergeben könne. Der genannten Entscheidung liege eine völlig andere Fragestellung zugrunde. Sie befasse sich gerade nicht mit der Steuerbarkeit von Innenumsätzen, sodass sie hierfür nicht heranzuziehen sei.
Fazit und Ausblick / Praxishinweise
Es ist zu begrüßen, dass der EuGH seine Linie zur umsatzsteuerlichen Organschaft beibehält. In der Entscheidung des EuGH bestätigt dieser die bisherige Praxis und verneint die Umsatzsteuerbarkeit für entgeltliche Leistungen innerhalb einer umsatzsteuerlichen Organschaft, insbesondere auch in Bezug auf hoheitliche Tätigkeiten. In der Vergangenheit hat sich der EuGH vielfach mit der Organschaft im Umsatzsteuerrecht beschäftigt. Indem der EuGH sich nun gegen die Steuerbarkeit ausgesprochen hat, wenn Innenumsätze auch für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Umsätze bezogen werden, sorgt er hiermit für Rechtssicherheit.
Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.