BFH – Keine Grunderwerbsteuerbefreiung bei Erwerb eines Grundstücks infolge eines Umlegungsverfahrens

Im Revisionsverfahren mit dem Az. II R 4/22 hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 15. Mai 2024 mit der Frage der Grunderwerbsteuerpflicht mehrerer Grundstückserwerbe durch einen interkommunalen Zweckverband im Wege eines Umlegungsverfahrens beschäftigt. Dabei widmete er sich speziell der Anwendbarkeit verschiedener Steuerbefreiungstatbestände

Sachverhalt

Klägerin ist ein interkommunaler Zweckverband, welcher sich aus drei Kommunen zusammensetzt. Er agiert in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. In der Satzung des Zweckverbands findet sich unter anderem die Aufgabe der Planung und Erschließung eines künftigen Gewerbegebiets im Umfang von 24 Hektar. Zu diesem Zweck soll der Zweckverband die notwendigen Grundstücke erwerben und anschließend vermarkten. Zunächst hatte der Zweckverband an keinem der im Zweckverbandsgebiet belegenen Grundstücke Eigentum inne. Dieses oblag primär Privatpersonen und mitunter auch den Gemeinden.

Die Klägerin leitete im Jahr 2013 ein Umlegungsverfahren gemäß der §§ 45 ff. BauGB ein. In dieses Verfahren haben die betreffenden Privatpersonen und Gemeinden ihre Grundstücke eingebracht. Die Klägerin stellte am 16. Dezember 2013 einen Umlegungsplan auf, der am 25. Januar 2014 in Kraft trat. Die Klägerin erhielt daraufhin das Eigentum an den Grundstücken im Umlegungsgebiet im Umfang von 23,93 Hektar (§ 72 Abs. 1 BauGB). Die früheren Eigentümer erhielten eine Ausgleichszahlung (§ 59 Abs. 2, 4 BauGB).

Nach Zusendung des Umlegungsplans durch die Klägerin setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 27. Mai 2014 Grunderwerbsteuer fest. Die an die bisherigen Eigentümer geleisteten Ausgleichszahlungen dienten hierfür als Bemessungsgrundlage. Daraufhin durchlief die Klägerin erfolglos das Einspruchsverfahren und erhob schließlich Klage gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Mai 2014.

Am 17. Juni 2020 erließ das Finanzamt einen geänderten Grunderwerbsteuerbescheid, in dem es die Bemessungsgrundlage auf die Ausgleichszahlungen an die vorigen Privateigentümer beschränkte und somit die festgesetzte Grunderwerbsteuer herabsetzte. Die Klägerin führte die Klage sodann gegen den Änderungsbescheid fort. Das Finanzgericht Hessen wies die Klage mit Urteil vom 22. Oktober 2020 ab (Az. 5 K 1676/15).

Daraufhin erhob die Klägerin Revision zum BFH und machte hierbei geltend, dass eine Grunderwerbsteuerbefreiung greife. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe b GrEStG gelte über ihren Wortlaut hinaus auch für die Fälle, in denen das Umlegungsverfahren stellvertretend für die Gemeinden als Grundstückseigentümer durchgeführt worden sei. Zudem ergebe sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe b i.V. m. § 4 Nr. 1 GrEStG, dass der Grundstückserwerb der Klägerin im Umlegungsverfahren lediglich einen abgekürzten Leistungsweg darstelle. Es könne keinen Unterschied machen, ob die Klägerin das Eigentum während des Umlegungsverfahrens oder bereits im Vorfeld von den Gemeinden erwerbe bzw. ob die Gemeinden das Eigentum durch die Umlegung selbst erwerben und anschließend auf die Klägerin übertragen würden.

Entscheidung des BFH

Der BFH weist die Revision als unbegründet zurück und folgt den vorigen Ausführungen des Finanzamts. Dieses habe richtig entschieden, dass durch die Umlegung erfolgte Grundstückserwerbe nicht von der Grunderwerbsteuer befreit seien. Es liege ein grunderwerbsteuerpflichtiger Erwerbsvorgang i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG vor. Diese Norm sei auch anwendbar, da der Eigentumserwerb im Wege der Umlegung mit Inkrafttreten des Umlegungsplans (§ 72 Abs. 1 BauGB) kraft Gesetzes erfolge und nicht im Wege eines Rechtsgeschäfts. Ferner greife die Steuerbefreiung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe b GrEStG nicht, da die Klägerin nicht als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks am Umlegungsverfahren beteiligt war. Diese standen vielmehr im Eigentum von Privatpersonen oder den Gemeinden. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe b GrEStG könne auch nicht über seinen Wortlaut hinaus ausgelegt werden, da dies dem gesetzgeberischen Zweck widerspreche. Eine planwidrige Regelungslücke sei insofern nicht erkennbar. Schließlich sei § 4 Nr. 1 GrEStG hinsichtlich Privateigentümern ebenfalls nicht anwendbar. Auch eine kombinierte Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe b i.V. m. § 4 Nr. 1 GrEStG scheide aus. Der BFH erkenne eine solche Zusammenschau mehrerer Befreiungstatbestände zwar in bestimmten Fällen an. Eine solche käme insbesondere in Fällen des abgekürzten Leistungswegs in Betracht, bei dem die unterbliebenen Zwischenerwerbe ihrerseits steuerfrei wären. Eine solche Konstellation sei vorliegend mangels eines dreiseitigen Rechtsverhältnisses aber gerade nicht gegeben

Fazit und Ausblick / Praxishinweise

Im Vorfeld von Umlegungsverfahren ist stets gezielt zu prüfen, ob und inwiefern die Befreiungstatbestände der Grunderwerbsteuer Anwendung finden, um steuerliche Mehrbelastungen zu vermeiden. Der BFH nimmt bei der Prüfung der Befreiungstatbestände eine restriktive Haltung ein und orientiert sich ausschließlich am Gesetzeswortlaut, obgleich eine Auslegung nach Sinn und Zweck wünschenswert gewesen wäre. Insofern sollten Kommunen und Zweckverbände diesbezüglich vorsichtig agieren.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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