Neue Auslegungsleitlinien zur Verordnung (EG) Nr. 1370/ 2007 am 22. Juni 2023 durch die Europäische Kommission verabschiedet

Nachdem bereits Ende 2021 ein Entwurf zur Überarbeitung der bisherigen Leitlinien aus dem Jahr 2014 vorgelegt worden war, hat die Europäische Kommission am 22. Juni 2023 neue Auslegungsleitlinien zur Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 verabschiedet. Am 26. Juni 2023 veröffentlichte die Kommission die neuen Leitlinien im EU-Amtsblatt (2023/C 222/01).

Bedarfsprüfung vor Vergabe eines öffentlichenDienstleistungsauftrags (öDA) durchden kommunalen ÖPNV-Aufgabenträger

Wichtiges Regelungsziel des Entwurfs von 2021 warmit Abschnitt 2.2.3 die sog. Bedarfsprüfung (insb. Binnenmarktbeeinträchtigung). Die Kommission hat klargestellt, dass die ÖPNV-Aufgabenträger vor der Vergabe eines öDA konkret zu prüfen haben, ob einstaatlicher Eingriff über einen öDA gerechtfertigt ist.

Der ÖPNV-Aufgabenträger ist insbesondere gehalten, eine Prognose der Nachfrage nach öffentlichen Verkehrsleistungen anzustellen, z. B. aufgrund von Daten zu Nutzererwartungen an den ÖPNV, repräsentativen Umfragen bzw. öffentlichen Konsultationen.Die Aufgabenträger sind verpflichtet, bereits vor Erlasseines öDA entsprechende Untersuchungen durchzuführen, wobei die Leitlinien keine Festlegungen dazuenthalten, mit welcher Prüfungstiefe die Untersuchungen vorgenommen werden müssen.

Allgemeine Vorschriften (aV) als milderes Mittel ggü. öDA-Vergaben

Erste Bewertungen gehen dahin, dass nach den neuen Leitlinien aV als milderes Mittel ggü. öDA-Vergaben verstärkt zum Zuge kommen dürften. Bereits bislang ging die Kommission davon aus, bei der Auswahl des staatlichen Eingriffs nur die geringste Beeinträchtigung für das Funktionieren des Binnenmarkts zuwählen sei. In den Leitlinien ist nunmehr formuliert: „Bei der Prüfung, ob die in einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag festgelegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen die Grundfreiheiten am wenigsten einschränken und das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts am wenigsten beeinträchtigen, kann die zuständige Behörde alternative Maßnahmen im Einklang mit dem Unionsrecht in Betracht ziehen. Wenn beispielsweise das Ziel darin besteht, erschwingliche Verkehrsdienste zu gewährleisten, kann die zuständige Behörde erwägen, allgemeine Regeln für Höchsttarife vorzuschreiben, anstatt einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag an einen einzigen Betreiber zu vergeben.“ Damit könnte die Kommission darauf abzielen, das uneingeschränkte Wahlrecht der Aufgabenträger in Bezug auf die Wahl zwischen öDA und aV zugunsten der aV als „milderem Mittel“ zu verschieben.

On-Demand-Verkehre

On-Demand-Verkehre fallen nach Auffassung der Kommission in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007. Hier besteht ein Gleichklang mit den diesbezüglichen Vorgaben des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG).

Seilbahnen

Seilbahnen fallen nach Auffassung der Kommission ebenfalls unter die EU-VO 1370/2007, wenn sie „ständig Straßen- oder Gleiskontakt haben“.

Unterauftragsvergabe

Der Umfang zulässiger Unterauftragsvergaben bei Direktvergaben wird von der Kommission nach wie vor eher restriktiv interpretiert. Der interne Betreiber soll hinsichtlich seiner Pflicht zur Selbsterbringung des „überwiegenden“ Teils der Verkehrsleistung – unbeschadet der abweichenden Bewertung im Einzelfall – nicht mehr als ein Drittel der öffentlichen Verkehrsdienste unterbeauftragen dürfen.

Autor

Dr. Hans-Martin Dittmann
Tel: +49 30 208 88 1014

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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