Kurtaxe für öffentlich zugängliche Kureinrichtungen kein Entgelt für steuerbare Dienstleistung

EuGH, Urt. v. 13. Juli 2023 – C-344/22
Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob eine Gemeinde durch den Betrieb einer Kureinrichtung, für deren Bereitstellung sie aufgrund einer kommunalen Satzung von Besuchern eine Kurtaxe erhebt, als Unternehmerin eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt und ihr deshalb der Vorsteuerabzug für damit in Zusammenhang stehende Eingangsleistungen zusteht (BFH v. 15. Dezember 2021 – XI R 30/19).

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Gemeinde, ist ein staatlich anerkannter Luftkurort und betreibt im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art (BgA) u. a. einen Kurpark, ein Kurhaus und sonstige Anlagen und Wege. Diese Einrichtungen waren in den Streitjahren allen Personen frei zugänglich, eine Kurkarte wurde zum Eintritt nicht benötigt.

Zur Deckung ihres Aufwands für die Herstellung, Unterhaltung und Sanierung der zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten Einrichtungen und für die zu diesem Zweck durchgeführten Veranstaltungen erhebt die Gemeinde aufgrund einer kommunalen Satzung eine Kurtaxe. Kurtaxepflichtig sind u. a. ortsfremde Personen, die sich – auch aus beruflichen Gründen – in der Gemeinde aufhalten und denen die Möglichkeit zur Benutzung der Einrichtungen und zur Teilnahme an den betreffenden Veranstaltungen geboten wird. Dagegen wird die Kurtaxe nicht von Tagesgästen sowie von Ortsfremden oder Einwohner*innen erhoben, die in der Gemeinde arbeiten oder in Ausbildung stehen.

Die Klägerin sah die Kurtaxe als Entgelt für eine umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit, nämlich den Kurbetrieb, an und beantragte den Vorsteuerabzug aus allen Eingangsleistungen, die mit dem Fremdenverkehr zusammenhingen.

Das Finanzamt berücksichtigte allerdings nur Vorsteuerbeträge in Bezug auf das Kurhaus, soweit dieses entgeltlich verpachtet worden war.

Das Finanzgericht lehnte die Klage gegen die entsprechend ergangenen Umsatzsteuerbescheide mit der Begründung ab, die Klägerin habe durch ihre Betätigung zur Erhebung der Kurtaxe gegenüber den Kurgästen keine Leistungen als Unternehmerin erbracht.

Die Frage, ob im vorliegenden Fall aus umsatzsteuerlicher Sicht Dienstleistungen gegen Entgelt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL anzunehmen seien und deswegen eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliege, legte der BFH im Revisionsverfahren dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Entscheidung

Der EuGH hat diese Frage nunmehr verneint.

Nach seiner Ansicht liegt kein steuerbarer Leistungsaustausch vor. Zur Begründung führte er aus, dass eine entgeltliche Dienstleistung nur dann vorliege, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger gegenseitige Leistungen aufgrund eines Rechtsverhältnisses ausgetauscht werden und wenn die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für eine dem Leistungsempfänger erbrachte, bestimmbare Dienstleistung bilde.

Im vorliegenden Fall könne nicht angenommen werden, dass die von der Gemeinde empfangene Kurtaxe den unmittelbaren Gegenwert für die Erbringung einer Dienstleistung, nämlich die Bereitstellung der Kureinrichtungen, darstelle. Denn die Pflicht zur Entrichtung der Kurtaxe hänge nicht von der Nutzung der von der Gemeinde bereitgestellten Kureinrichtungen, sondern vom Aufenthalt im Gemeindegebiet unabhängig von dessen Grund ab. Ebenso richte sich die Höhe der Kurtaxe nicht nach der Inanspruchnahme der Nutzungsmöglichkeit, sondern bestehe in Höhe eines bestimmten Betrags pro Aufenthaltstag. Die Besucher seien selbst dann zur Entrichtung des Entgelts verpflichtet, wenn sie sich in der Gemeinde aufhalten und nicht die Absicht haben, die Kureinrichtungen zu nutzen. Die Einrichtungen seien für jedermann, auch für Einwohner oder Tagesgäste, frei und unentgeltlich zugänglich, unabhängig davon, ob die betreffende Person zur Zahlung der Kurtaxe verpflichtet ist oder nicht. Somit hätten die Kurtaxeschuldner keine anderen Vorteile als Personen, die diese Kureinrichtungen benutzen und nicht kurtaxepflichtig sind.

Es fehle daher an dem notwendigen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer Dienstleistung der Gemeinde und der streitigen Kurtaxe.

Praxishinweis

Da der vorlegende BFH bereits im Rahmen der Vorlagefrage zum Ausdruck brachte, dass er dazu neige, das Vorliegen einer wirtschaftlichen und damit unternehmerischen Tätigkeit der Gemeinde ebenfalls zu verneinen, ist ein entsprechendes klageabweisendes Urteil des BFH zu erwarten.

Für die Beurteilung der Entgeltlichkeit zur Annahme eines umsatzsteuerlichen Leistungsaustauschs und einer wirtschaftlichen Tätigkeit kam es schon immer maßgeblich darauf an, dass sich Leistung und Gegenleistung gegenüberstehen. Erforderlich war stets ein wechselseitiger, unmittelbarer Zusammenhang aufgrund eines Rechtsverhältnisses (vgl. Abschnitt 1.1 Abs. 1 und 12 UStAE). Nach den Grundsätzen des EuGH liegt ein solcher Zusammenhang nicht vor, wenn die Entgeltverpflichtung unabhängig vom Willen des Zahlenden entsteht und wenn die Leistungsinanspruchnahme nicht von der Entrichtung des Entgelts abhängt, sondern ohnehin jedermann offensteht.

Für Kurortgemeinden kann die EuGH-Rechtsprechung allerdings spürbare Auswirkungen haben. Während die Finanzverwaltung die Kurtaxen in der Vergangenheit der Umsatzsteuer unterworfen und dementsprechend Vorsteuerabzug gewährt haben, dürfte davon künftig nicht mehr auszugehen sein. Der Vorsteuerabzug auf die Kureinrichtungen wird voraussichtlich entfallen. Gleichzeitig sparen die Gemeinden die 7 % Umsatzsteuer auf die Kurtaxe. Dies gilt jedoch nur, soweit die Kurtaxe beitragsähnlich ausgestaltet und die Einrichtungen unabhängig von der Kurtaxenpflichtigkeit allen Personen offenstehen. Dürfen Kureinrichtungen dagegen nur von Personen benutzt werden, die einen Kurbeitrag zahlen, beurteilt sich der Fall anders. Nach den Grundsätzen des EuGH wäre in diesen Fällen ein Leistungsaustausch gegeben. Dann stellt sich die vom BFH ebenfalls vorgelegte (vom EuGH aber nicht beantwortete) Frage, ob größere Wettbewerbsverzerrungen vorliegen. Insofern bleibt dieser rechtliche Aspekt ungeklärt.

Autorin

Kirsa Krüger
Tel: +49 30 208 88 1665

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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