Solarpaket I
Der Ausbau der Solarenergie soll beschleunigt und entbürokratisiert werden, indem die gesamte Spannbreite der Photovoltaik – von der kleinen Anlage auf dem Balkon über Anlagen auf Dächern von Ein- und Mehrfamilienhäusern sowie Fabrikhallen bis hin zur großen Freiflächenanlage – von der Gesetzesänderung in den Blick genommen wird.
Was ist das Ziel?
Mit dem Solarpaket I soll die Photovoltaik-Strategie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) umgesetzt werden. Die Strategie soll eine wesentliche Rolle bei der Erreichung der ambitionierten Klimaschutzziele, die u. a. bis 2030 einen Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch von 80Prozent und die weitgehend klimaneutrale Stromversorgung bis 2035 vorsehen, spielen.
Zur Erreichung dieser Ziele muss der Ausbau der Solarenergie deutlich beschleunigt werden. Das nun beschlossene Solarpaket I dient daher der Vereinfachung und Beschleunigung von Netzanschlussverfahren, der Flexibilisierung und Vereinfachung von Vergütungsmodellen und dem weiteren Zubau von Photovoltaik-Anlagen („PV-Anlagen“).
Welche Änderungen sieht das Solarpaket I im Einzelnen vor?
Das Solarpaket I enthält eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen, die nachfolgend auszugsweise für verschiedene Bereiche vorgestellt werden sollen.
Gewerbe und Industrie
Bisher waren alle Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 100 kW zur Direktvermarktung verpflichtet, was bei Überschreiten dieser Schwelle zu einem finanziellen und bürokratischen Aufwand führte. Um das zu vermeiden, wurden Anlagen oft so konzipiert, dass sie die 100-kW-Schwelle nicht überschreiten. Künftig können die Betreiber von Anlagen mit einer installierten Leistung von bis zu 200 kW ihre Überschussmengen dem Netzbetreiber unentgeltlich zur Verfügung stellen, ohne dass dabei der Aufwand der Direktvermarktung anfällt. Von Vorteil ist diese Änderung insbesondere für Anlagen mit einem hohen Eigenverbrauch, für die sich eine Direktvermarktung bisher nicht gelohnt hat.
Zudem kommt es zu Änderungen bei der Anlagenzusammenfassung, nach der mehrere PV-Anlagen im Hinblick auf die Anlagengröße wie eine einheitliche Anlage behandelt werden können. Die Anlagenzusammenfassung kann dazu führen, dass eine relevante Leistungsgrenze überschritten wird und dadurch eine Pflicht zur Direktvermarktung oder zur Teilnahme an Ausschreibungen ausgelöst wird. Das Solarpaket I sieht eine Ausnahme für das Zusammenfassen von PV-Dachanlagen hinter verschiedenen Netzanschlusspunkten vor. Maßgeblich ist künftig die Sicht des Netzbetreibers.
Um den Ausbau von PV-Anlagen auf den Dächern von Gewerbebetrieben zu stärken, wird die Förderung für größere Solaranlagen auf Dächern ab 40 kW um 1,5 ct/kWh angehoben. Hierdurch soll auch den gestiegenen Bau- und Kapitalkosten Rechnung getragen werden. Die ausgeschriebene Menge für große PV-Anlagen wächst auf 2,3 GW pro Jahr ab 2026. Die derzeit bei 1 MW liegende Schwelle für eine verpflichtende Teilnahme an Ausschreibungen soll für Gebäudeanlagen (wieder) auf 750 kW gesenkt werden.
Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung und Mieterstrom
Durch das Solarpaket I wird das Instrument der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung eingeführt, die eine bürokratiearme Lieferung von Solarstrom innerhalb eines Gebäudes ermöglichen soll. Die Weitergabe des PV-Stroms aus der sog. Gebäudestromanlage an Wohn- und Gewerbemieter*innen sowie Wohnungseigentümer*innen soll weitestgehend von Lieferantenpflichten ausgenommen werden, sodass die strengen Anforderungen an Verträge und Rechnungen nicht vollumfänglich eingehalten werden müssen. Der Stromverbrauch der Gebäudenutzer kann rechnerisch aufgeteilt werden.
Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung soll als eigenständiges Modell neben dem Mieterstrom stehen. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass bei der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung ausschließlich der von der Gebäudestromanlage erzeugte Strom über den sog. Gebäudestromnutzungsvertrag geleistet wird. Eine Pflicht zur Lieferung des Reststroms besteht nicht. Eine mit dem Mieterstromzuschlag vergleichbare Förderung der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung ist hingegen nicht vorgesehen.
Mieterstrom wird künftig auch auf gewerblichen Gebäuden und Nebenanlagen gefördert, solange der Stromverbrauch ohne Netzdurchleitung erfolgt. Durch die gleichzeitige Vereinfachung der Regelungen zur Anlagenzusammenfassung werden die technischen Anforderungen an den Mieterstrom verringert, was die Attraktivität auch für Quartiere steigern soll.
Auch die Inbetriebnahme von sog. Balkonkraftwerken wird vereinfacht. Die vorherige Anmeldung beim Netzbetreiber entfällt und die Anmeldung beim Marktstammdatenregister wird auf wenige, einfache Daten beschränkt. Auch wird die Nutzung von alten rückwärtsdrehenden Zählern vorübergehend bis zur Installation eines geeichten Zweirichtungszählers geduldet. Das sog. Repowern von Dachanlagen, d.h. die umfangreiche Erneuerung von bestehenden Anlagen z.B. durch effizientere Module, wird ebenfalls erleichtert. Der Einsatz von effizienteren Modulen soll künftig auch ohne Vorliegen eines Schadens möglich sein.
Photovoltaik in der Fläche
Durch das Solarpaket I wird die Förderung von PV-Anlagen auf Gebäuden im Außenbereich erweitert. Die Regelung, die verhindern sollte, dass Gebäude im Außenbereich zu dem alleinigen Zweck des Baus einer PV-Anlage errichtet werden (sog. „Solarstadl“), bleibt indes bestehen. Da der Stichtag auf den 1. März 2023 verschoben wird, kann auf bereits bestehenden Gebäuden eine Anlage errichtet werden.
Der Ausbau von PV-Freiflächenanlagen soll durch einen zweigleisigen Ansatz erreicht werden: Zum einen sollen mehr Flächen zur Förderung von Solarparks zur Verfügung stehen, zum anderen soll der Ausgleich von landwirtschaftlichen und naturschutzrechtlichen Interessen gestärkt werden. Insbesondere soll die kombinierte Nutzung von Flächen für Landwirtschaft und PV-Module (sog. Agri-PV) in den Genuss einer höheren Förderung kommen. Darüber hinaus werden mit Blick auf den Naturschutz auch Mindestkriterien für PV-Freiflächenanlagen eingeführt.
Sog. benachteiligte Gebiete der Landwirtschaft sind künftig grundsätzlich für die Förderung von PV-Freiflächenanlagen geöffnet. Daher sind Gebote für PV-Anlagen in diesen Gebieten, anders als nach alter Rechtslage (Opt-in), möglich, wenn das jeweilige Bundesland das betreffende Gebiet nicht durch Rechtsverordnung ausgenommen hat (Opt-out).
Weitere Änderungen
Darüber hinaus enthält das Solarpaket I eine Vielzahl weiterer Änderungen im Detail. Hierzu zählt beispielsweise die Vereinheitlichung der Technischen Anschlussbedingungen (TAB) der über 850 Netzbetreiber in Deutschland. Nur in bestimmten Einzelfällen sollen Sondervorgaben durch einen Netzbetreiber zulässig sein. Auf öffentlichen Grundstücken wird es ein Wegenutzungsrecht zur Verlegung von Leitungen sowie ein Recht zu Überfahrten bei der Errichtung oder dem Rückbau von PV-Anlagen und anderen EE-Anlagen geben. Die ursprünglich vorgesehene Duldungspflicht privater Grundstückseigentümer*innen wurde nicht in den Gesetzesentwurf aufgenommen.
Fazit
Ob die mit dem Solarpaket I einhergehenden Erleichterungen und Beschleunigungen ausreichen, um die ambitionierten Ziele des Ausbaus der Solarenergie und die Klimaschutzziele zu erreichen, bleibt abzuwarten.
Jedenfalls sind die zahlreichen Neuerungen und Maßnahmen zur Verringerung der Bürokratie zu begrüßen. Das betrifft namentlich die Änderungen beim Mieterstrom und das neue Konzept der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung, die die Installation von PV-Anlagen für die Immobilienwirtschaft und für Gewerbebetriebe attraktiver macht. In diesem Zusammenhang sind auch die geplanten Änderungen des Strom- und Energiesteuergesetzes zu sehen. Auch die Lockerung der Regelungen zur Anlagenzusammenfassung und die Möglichkeit, dem Netzbetreiber Überschussstrom künftig unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, sind positiv zu bewerten.
Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 2-2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.