BFH: Zur Kettenzusammenfassung von BgA und dem Erfordernis einer organisatorischen Verflechtung
BFH: Zur Kettenzusammenfassung
die Zweckbetriebsvoraussetzungen eingegangen.
Sachverhalt
Klägerin ist einer Anstalt des öffentlichen Rechts, die verschiedene Betriebe betreibt, darunter ein Freibad, eine Wasserversorgung und ein mit Biogas betriebenes Blockheizkraftwerk (im Folgenden „BHKW“) auf dem Gelände des Freibades (BHKW I). Daneben existiert ein zweites kleineres BHKW (BHKW II). Der von beiden BHWK erzeugte Strom wurde jeweils an die Stadtwerke als Stromversorger verkauft.
In den Streitjahren 2009 bis 2014 wurde während der Freibadsaison (rund fünf Monate) die von dem BHKW I produzierte Wärme an das Schwimmbad geliefert.
Für den Rest des Jahres erfolgte die Lieferung an Dritte in einem Neubaugebiet in unmittelbarer Nähe des BHKW I. Ausgehend hiervon wurde durch die Klägerin der Bestand eines BgA „Versorgung“ angenommen, worunter das Freibad, die beiden BHKW sowie die Wasserversorgungen fallen sollten. Daher wurden durch die Klägerin die negativen Einkünfte aus dem Betrieb des Freibads mit den positiven Einkünften aus der Wasserversorgung und der Strom- und Wärmeerzeugung aus dem Betrieb der BHKW verrechnet.
Das Finanzamt vertrat im Rahmen einer Außenprüfung jedoch die Auffassung, dass zwar die Biogasanlage, die beiden BHKW sowie die Wasserversorgung als Versorgungsbetriebe gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG zusammengefasst werden könnten, aber eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung zwischen dem Betrieb Freibad nicht bestehe. Der Freibadbetrieb sei als eigenständiger BgA zu erfassen.
In der Vorinstanz hatte die Klägerin vor dem Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein (Urteil vom 17. Juni 2021, Az. 1 K 115/17) Erfolg. Das FG nahm zwar mit dem Betrieb der BHKW, dem Freibad sowie der Wasserversorgung insgesamt drei eigenständige BgA an. Diese seien aber gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 2 KStG durch ein zweistufiges Prüfungsprogramm entsprechend zusammenfassbar. Zunächst könnten die BgA BHKW sowie Wasserversorgung zusammengefasst werden (§ 4 Abs. 3, Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 KStG) und in einem zweiten Schritt auch der verbleibende BgA Freibad (§ 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG). Das Finanzgericht zieht für sein Begründung das BMF-Schreiben vom 12. November 2009 (BStBl. I 2009, S. 1303) heran, wonach für die Zusammenfassung eines BgA (hier Freibad) mit einem bereits zusammengefassten BgA (hier BHKW/ Wasserversorgung) die Voraussetzungen für die Verflechtung lediglich zwischen dem verbleibenden und einem der bereits zusammengefassten BgA vorliegen müssen. Dies wäre zwischen dem BgA BHKW und dem BgA Freibad zu bejahen.
Entscheidung des BFH Der BFH fordert nun aufgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung des § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG durch die Finanzverwaltung in vorgenanntem BMF-Schreiben das BMF zum Beitritt zu dem noch anhängigen Verfahren auf (§ 122 Abs. 2 Satz 3 FGO). Schwerpunkte sollen dabei die Sichtweise der Finanzverwaltung für eine organisatorische Verflechtung und eine Kettenzusammenfassung sein.
Im Rahmen der gesetzlichen Grundlage des § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG kann ein BgA grundsätzlich mit einem oder mehreren anderen BgA zusammengefasst werden, wenn sie gleichartig sind (Nr. 1), zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht (Nr. 2) oder BgA im Sinne des § 4 Abs. 3 KStG (Versorgungs-, Verkehrs- oder Hafenbetriebe) vorliegen. Diese Regelung beruht auf den zuvor von dem BFH entwickelten „Zusammenfassungsgrundsätzen“.
a) Organisatorische Verflechtung
Auf Grundlage der bisherigen BFH-Rechtsprechung sei die Zusammenfassung mehrerer gleichartiger BgA oder mehrerer Versorgungsbetriebe zu einem einzigen sog. Gewinnermittlungssubjekt für steuerliche Zwecke aufgrund organisatorischer Maßnahmen möglich.
Jedoch genüge eine organisatorische Verbindung nicht, um die restlichen geforderten Voraussetzungen für die Zusammenfassung zu ersetzen. Insbesondere sei bereits für eine organisatorische Verbindung nicht ausreichend, wenn – wie im Fall durch die Klägerin erfolgt – lediglich eine gemeinsame Steuererklärung abgegeben wird.
Eben dieser Annahme tritt die Finanzverwaltung in dem streitgegenständlichen BMF-Schreiben entgegen. Demnach sei für eine organisatorische Verflechtung der Betriebe ausreichend, wenn zur Ausübung des steuerlichen Wahlrechts für den zusammengefassten BgA eine (einzige) eigenständige Gewinnermittlung vorgenommen wird (Rn. 3 des Schreibens). Dieser Annahme haben sich auch diverse Literaturmeinungen angeschlossen.
b) Kettenzusammenfassung
Auf dem Prüfstand des BFH steht weiterhin der Aspekt der Kettenzusammenfassung in Form der durch das Finanzgericht vorgenommenen zweistufigen Prüfung. Diese wurde angenommen, ohne eine weitere Überprüfung der Zusammenfassungsvoraussetzungen zwischen dem BgA Wasserversorgung und dem BgA Freibad vorzunehmen.
Die Finanzverwaltung lässt laut BMF-Schreiben genügen, dass für die Zusammenfassung eines BgA mit einem anderen zusammengefasst BgA, die Zusammenfassungsvoraussetzungen nur zwischen diesem einen BgA und einem „BgA“ des bereits zusammengefassten BgA vorliegen. Dabei muss in den Fällen des § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG die Voraussetzungen „von einigem Gewicht“ im Verhältnis mit dem (gesamten) zusammengefassten BgA vorliegen (Rn. 5 des Schreibens). Eben diese Formulierung ermögliche die von dem Finanzgericht durchgeführte – und nun angezweifelte – zweistufige Prüfung. Nach Ansicht des BFH ergeben sich derartige Abstufungen gerade nicht aus dem Gesetzeswortlaut des § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG.
Fazit und Ausblick/Praxishinweise
Ein wichtiger Anhaltspunkt für die noch bevorstehende Entscheidung des BFH ist, dass für Streitigkeiten, die sich ausschließlich auf die Anwendung der §§ 4, 5 Abs. 1 oder 8 Abs. 7 bis 9 KStG beziehen, seit 2024 nicht mehr der I. Senat, sondern der V. Senat zuständig ist. Dieser macht in seiner ersten Entscheidung mit Zweifeln an einem praxisrelevanten BMF-Schreiben auf sich aufmerksam.
Abzuwarten bleibt, ob das BMF dem Verfahren beitritt und ob der BFH in der noch im Laufe des Jahres zu erwartenden Entscheidung sowie Veröffentlichung tatsächlich die Auffassung der Finanzverwaltung als nicht mit dem geltenden Recht im Einklang betrachtet. Zwar bildet der vorliegende Beschluss noch keine erste Entscheidung ab, kann jedoch wegweisend für das weitere Verfahren bleiben. Diese Sachentscheidung wird mit Spannung erwartet, da die Zusammenfassung von BgA eine vielfach bedeutende Fragestellung darstellt. Neben den steuerlichen Aspekten sind auch die damit verbundenen organisatorischen Änderungen insbesondere auf Ebene der Verwaltung zu berücksichtigen.
Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 2-2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.