BFH mit (seltenen) Aussagen zum Zweckbetrieb

Der BFH hat mit seinem Beschluss vom 18. Oktober 2023 (Az. XI R 4/20, veröffentlicht am 29. Februar 2024) entschieden, dass die Lieferung („Vermittlung“) herrenloser Tiere aus dem Ausland nach Deutschland durch einen Tierschutzverein bei diesem einen Zweckbetrieb darstellen kann. In seiner Entscheidung ist er unter anderem detailliert auf die Zweckbetriebsvoraussetzungen eingegangen.

Sachverhalt 

Der Kläger war ein gemeinnütziger Tierschutzverein. Dieser verfolgte laut seiner Satzung Zwecke des Tierschutzes sowie die Vermittlung in Not geratener ausländischer Tiere ins Inland. In den Streitjahren 2010 bis 2016 „vermittelte“ der Kläger entsprechende Tiere aus dem europäischen Ausland nach Deutschland. Die Interessent*innen zahlten vor Ort in Deutschland eine nach Tierart, Rasse, Alter und Gesundheitszustand des Tieres in der Höhe bemessene „Schutzgebühr“. Regelmäßig betrug diese 300 € und wurde in Einzelfällen ermäßigt. 

Der Kläger vertrat in den Jahren 2011 (Umsätze: 39.071 €) und 2012 (Umsätze: 45.600 €) die Auffassung, mit den Umsätzen aus der „Vermittlung“ der Tiere kein Unternehmer zu sein. In den Jahren 2013 bis 2015 meldete er die Umsätze aus den „Schutzgebühren“ gegenüber dem Finanzamt als Umsätze aus einem Zweckbetrieb mit dementsprechend ermäßigtem Steuersatz. 

Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt jedoch die Auffassung, dass es sich in allen Streitjahren um einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb handelt. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz sei demzufolge nicht anwendbar. Zur Begründung führte das Finanzamt an, dass die Vermittlung von Tieren zwar als satzungsmäßiger Zweck in der Satzung aufgeführt, jedoch keine entgeltliche Vermittlung vorgesehen ist. Soweit die Vermittlung entgeltlich erfolgt, trete der Kläger in Konkurrenz zu ähnlich agierenden Vereinen und besonders zu gewerblichen Hundezüchtern. 

In der Vorinstanz entschied das Finanzgericht Nürnberg mit Urteil vom 21. Oktober 2020 (Az. 2 K 114/19) zugunsten des Klägers. Der Kläger erziele mit den Umsätzen aus der Tiervermittlung zwar steuerpflichtige Umsätze, da er am Markt auftritt und gegen die Bezahlung der „Schutzgebühr“ die Vermittlung des Tieres als Leistung erbringt. Jedoch stellt diese Tätigkeit einen Zweckbetrieb im Sinne des § 65 AO dar. Ein Wettbewerb zu den von dem Finanzamt angeführten nicht steuerbegünstigten Marktteilnehmern sei lediglich in einem unvermeidbaren Maß gegeben, gehe aber auch nicht darüber hinaus. 

Entscheidung des BFH 

Der BFH hat sich in seiner Entscheidung dem Finanzgericht zu weiten Teilen angeschlossen und die Revision des Finanzamtes als unbegründet zurückgewiesen. 

Entgegen der Annahme des Finanzgerichts erbringe der Kläger aber keine Vermittlungsleistung. Es liege eine Lieferung von Gegenständen (vgl. § 90a BGB) vor. Der Kläger bringe die Interessenten in eine solche Lage, dass sie über die Tiere faktisch und rechtlich so verfügen können, als wären sie Eigentümer. Auf die tatsächliche zivilrechtliche Eigentumsverschaffung soll es im umsatzsteuerlichen Sinne nicht ankommen. Für diese Lieferungen hat der Kläger als Entgelt die „Schutzgebühr“ verlangt. 

Mit dieser Tätigkeit war der Kläger nach Auffassung des BFH auch unternehmerisch (wirtschaftlich) tätig. Für die Einordnung als solche wirtschaftliche Tätigkeit sei nicht maßgeblich, dass der Kläger damit zugleich seine Satzungszwecke verwirklicht. Dabei verweist der BFH auf die Rechtsprechung des EuGH (vgl. hierzu EuGH-Urteil vom 3. Dezember 2015 – C-301714 „Pfotenhilfe-Ungarn“).

Dem Finanzgericht zustimmend, wendet auch der BFH auf diese Umsätze den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a UStG an, da ein Zweckbetrieb im Sinne des § 65 AO vorliege. Die drei Voraussetzungen eines Zweckbetriebes, die Verwirklichung steuerbegünstigter, satzungsmäßiger Zwecke (§ 65 Nr. 1 AO), die nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können (§ 65 Nr. 2 AO), sowie ein mangelnder Wettbewerb in größerem Umfang mit steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlicher Art (§ 65 Nr. 3 AO) lägen vor. 

Die Zwecke, in Not geratene Tiere in gute Hände zu „vermitteln“ sowie Hilfestellung bei der „Vermittlung“ von ausländischen Tieren ins Inland zu geben, könnten nur durch den Geschäftsbetrieb erreicht werden. Die „Schutzgebühr“ gewährleistet einen Kostenbeitrag für die Tätigkeit des Klägers und diene dazu, ein Minimum an Verlässlichkeit und Ernsthaftigkeit der Interessenten sicherzustellen. Auch ein über das Unvermeidbare hinausgehender Wettbewerb mit anderen Händlern oder Züchtern liegt nicht vor, da die „vermittelten“ Tiere nicht in deren Angebot fielen und auch bisher nicht gefallen seien. Die „Vermittlung“ herrenloser Tiere sei von einer solchen von Tieren mit einer klaren Herkunft abzugrenzen. Dies gelte sowohl für eventuelle (angeborene) Krankheiten oder Verhaltensauffälligkeiten als auch für den Preis. 

Fazit und Praxishinweise 

Die Entscheidung des BFH ist zu begrüßen, da sie hinsichtlich der Abgrenzung zwischen Zweckbetrieb (§ 65 AO) und wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb (§ 64 AO) für die Praxis Argumentationsspielraum gegenüber der Finanzverwaltung eröffnet, die regelmäßig eine sehr strenge Auslegung der Voraussetzungen des § 65 AO vornimmt. Insbesondere die Ausführungen zum „unmittelbaren Wettbewerb“ zu Unternehmern, die dem allgemeinen Steuersatz unterliegende Leistungen erbringen, sind interessant. Teilweise überraschend ist, dass eine Unterscheidung hinsichtlich der Tätigkeit zu einem gewerblichen Tierzüchter auch tatsächlich begründet wurde und damit der Wettbewerb nicht gesehen wurde. Daran ist ersichtlich, dass auch gegenüber der Finanzverwaltung stets der Sachverhalt so detailliert wie möglich betrachtet werden muss, um die Feinheiten einer abweichenden Tätigkeit darzustellen.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 2-2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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