Einführung der UVgO in Sachsen-Anhalt – da war es nur noch eines: neues Tariftreue- und Vergabegesetz Sachsen-Anhalt

Die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) ist für viele Bundesländer schon ein alter Hut. Zuletzt hatten Hessen und Rheinland-Pfalz den Schritt gewagt und die UVgO implementiert. Das war 2021. Von den 16 Bundesländern hielten zu diesem Zeitpunkt nur noch Sachsen und Sachsen-Anhalt an der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen – Teil A VOL/A fest. Dies ändert sich nun: Sachsen-Anhalt führt zum 1. März 2023 die UVgO ein und lässt Sachsen als letztes Bundesland übrig, in dem die VOL/A noch Anwendung findet.

Die zum 1. März 2023 eintretenden Änderungen, die im neuen Tariftreue- und Vergabegesetz Sachsen- Anhalt (TVergG LSA) geregelt sind, überraschen der Sache nach wenig (zumal viele Regelungen auch übernommen wurden), weisen aber einige landesspezifische Besonderheiten auf: So findet das TVergG LSA für Vergaben, die nach dem 1. März 2023 begonnen wurden, erst ab einem Auftragswert von 120.000 € (netto) für Bauleistungen bzw. von 40.000 € (netto) für Liefer- und Dienstleistungen Anwendung. Unterhalb dieser Wertgrenzen sind die Vorgaben des Haushaltsrechts anzuwenden. Die Vergaben nach dem TVergG LSA sind zudem nunmehr über die Vergabeplattform des Landes Sachsen-Anhalt bekanntzumachen.

Weitere Wertgrenzen sind bereits vom zuständigen Ministerium erlassen worden. Nach der neuen Auftragswerteverordnung (AwVO) sind Direktaufträge bis 5.000 € sowie die Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UVgO) und die Verhandlungsvergabe (§ 8 Abs. 4 Nr. 17 UVgO) bis zum Auftragswert von 215.000 € zulässig. Die Verordnung regelt auch die Wertgrenzen für die VOB/A neu und ist zeitlich auf Vergaben befristet, die vor dem 31. Dezember 2023 begonnen wurden.

Eine weitere Arbeitserleichterung soll durch § 8 (Bestbieterprinzip) erreicht werden. Hiernach werden zunächst die Wertungsstufen umgekehrt, sodass nunmehr nicht zuerst auf Eignung, Vollständigkeit und Angemessenheit der Preise geprüft wird, sondern die Auswertung zunächst anhand der Zuschlagskriterien (Wirtschaftlichkeitsprüfung) erfolgen soll. Erst danach sind die konkreten Eignungsnachweise nur von dem Bieter zu fordern, der auch den Zuschlag erhalten soll. Folgt man dieser Logik, wären die Prüfungsstufen 1–3 (Eignung, Vollständigkeit und Angemessenheit) bei den übrigen Angeboten gar nicht durchzuführen.

Die Auftraggeber sind durch diese Regelung verpflichtet, sich daher im Verfahren selbst auf Eigenerklärungen zu beschränken. Bei genauerer Betrachtung stellt sich die Regelung des § 8 TVergG jedoch als zweischneidiges Schwert dar, denn für die Einreichung der Nachweise bleiben dem Bestbieter maximal fünf Werktage. Erfolgt die Einreichung der Nachweise nicht innerhalb dieser Frist und kann der Auftraggeber auch eine Fristverlängerung nicht hinreichend begründen, ist das Angebot auszuschließen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber auch im Unterschwellenbereich am Nachprüfungsverfahren festgehalten hat, kann diese Regelung einige Brisanz entwickeln. Die Bieter sind daher bereits zu Anfang der Ausschreibung auf diese Rechtsfolge hinzuweisen.

Eine Verschärfung bringt das Gesetz (auch) bezüglich der Tariftreue. Nach § 11 TVergG hat der Auftraggeber nunmehr anzugeben, welches Entgelt (entsprechend einem repräsentativen Tarifvertrags) als maßgeblich anzusehen ist. Sofern hiervon Ausnahmen greifen (z. B. nach § 11 Abs. 1 Satz 3 TVergG LSA) muss sich der Auftraggeber verpflichten, ein anhand der Entgeltgruppe 1 Erfahrungsstufe 2 des TVöD berechnetes Entgelt zu bezahlen. Welche Tarifverträge repräsentativ sind, soll ebenfalls auf Ministerialebene festgelegt werden.

Eine weitergehende Regelung hat zudem das Nachprüfungsverfahren erhalten. Zwar kannte Sachsen-Anhalt schon vor der Gesetzesänderung einen Primärrechtsschutz im Unterschwellenbereich. Dessen Anstrengung bedeutete jedoch nicht die Aussetzung des Vergabeverfahrens, sondern lediglich ein temporäres Zuschlagsverbot von vier bzw. sechs Wochen. Nach Ablauf dieser Frist konnte der Auftraggeber den Zuschlag trotz des laufenden Verfahrens erteilen, wenn die Vergabekammer das Vergabeverfahren nicht unter Angabe von Gründen beanstandet hatte.

Der Gesetzgeber hat sich von dieser Fristenregelung verabschiedet und ersetzt diese durch eine (fristungebundene) Interessenabwägung. Der Zuschlag darf damit während des Nachprüfungsverfahrens nicht erteilt werden, sofern die Vergabekammer dies nicht auf Antrag ausdrücklich gestattet hat. Hierdurch kann der Auftraggeber nicht mehr schlicht abwarten, sondern muss für eine vorzeitige Zuschlagserteilung proaktiv vorgehen. Neu ist außerdem eine Pflicht zur Vorinformation von sieben Werktagen und die Rügeobliegenheit des Bieters.

Abseits des eigentlichen Gesetzeswortlauts stellt sich schließlich erneut die Frage, ob Sektorenauftraggeber nunmehr vom Anwendungsbereich des TVergG LSA erfasst sind. Für die VOL/A, die einen wortgleichen Verweis auf § 99 Nr. 2 GWB enthielt, hatte das OLG Naumburg unter Verweis auf die in § 98 GWB a. F. enthaltenen Aufspaltung zwischen klassischen Auftraggebern (§ 98 Nr. 2 GWB a. F.) und Sektorenauftraggeber (§ 98 Nr. 4 GWB a. F.) noch entschieden, dass die TVergG LSA nicht auf Sektorenauftraggeber anzuwenden sei, weil der Verweis sich in der ursprünglichen Fassung nur auf § 98 Nr. 2 GWB a. F. bezog und Sektorenauftraggeber damit nicht erfasst sein sollten. Diese Intention wird man dem Gesetzgeber nach der weitreichenden Überarbeitung des TVergG und dem globalen Verweis auf § 99 Nr. 2 GWB wohl nur schwerlich unterstellen können. Inwieweit diese Argumentation also weiterhin tragfähig ist, ist jedenfalls mehr als fraglich. Im Zweifel wird sich das OLG Naumburg eher früher denn später mit dieser Grundlagenfrage befassen müssen.

Autorinnen

Theresa Katharina Klemm
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Anna Theresa Welskop
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