Das lange Warten vor dem Zuschlag

Jeder Auftraggeber, der im Oberschwellenbereich schon einmal eine Ausschreibung durchgeführt hat, weiß, dass er nach Abschluss etwaiger Verhandlungen und Wertung der finalen Angebote, d. h. am Ende eines langwierigen Prozesses, den Bietern „nur“ noch das Ergebnis seiner Ausschreibung mitteilen muss, bevor er endlich den Zuschlag erteilen kann. Alle unterlegenen Bieter erhalten die Mitteilung, dass der Zuschlag nach Ablauf der Wartefrist des § 134 GWB einem anderen Bieter erteilt werden soll. Bei dieser Wartefrist handelt es sich jedoch mitnichten um eine nebensächliche Formsache. Denn hält der Auftraggeber die Wartefrist nicht ein, droht schlimmstenfalls die Unwirksamkeit des Zuschlags. Vor diesem Hintergrund haben Auftraggeber ein signifikantes Interesse daran, die Wartefrist zutreffend zu berechnen und die Mitteilung an die Bieter in der gebotenen Form vorzunehmen.

Die Berechnung der Frist nach § 134 GWB erscheint auf den ersten Blick eindeutig: Der Auftraggeber hat (beim Versand auf elektronischem Wege) 10 Tage nach Absendung der Mitteilung abzuwarten, bis er den Zuschlag erteilen darf. Der Tag der Absendung wird dabei nicht mitgerechnet. Es stellt sich jedoch auch im Nachprüfungsverfahren häufiger die Frage, was geschieht, wenn das Fristende auf einen Sonnoder Feiertag fällt oder innerhalb der Frist so viele Feiertage und Wochenenden liegen, dass dem Bieter nur wenige Arbeitstage für die Vorbereitung eines Nachprüfungsantrags bleiben.

Es ist unvermeidbar, dass innerhalb der Frist wenigstens ein Wochenende liegt. Auch wenn die Frist auf einem Sonn- oder Feiertag endet, bedeutet dies nicht, dass sich die Frist automatisch verlängert. Dies wurde durch die Rechtsprechung bereits mehrfach, zuletzt durch die Vergabekammer des Bundes in einer aktuellen Entscheidung (VK Bund, Beschluss v. 28. Juni 2021, Az.: VK 2 – 77/21), bestätigt.

Problematisch wird es dann, wenn die Frist aufgrund gesetzlicher Feiertage so wenige Arbeitstage enthält, dass den Bietern nur wenige Tage für die Vorbereitung eines Nachprüfungsantrags bleiben. So zog das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 5. Oktober 2016 – VIIVerg 24/16) bei lediglich 4–5 Arbeitstagen (bedingt durch die Osterfeiertage) die Reißleine und erklärte, eine solche Frist sei nicht ausreichend und der erteilte Zuschlag daher unwirksam. Bei der Beurteilung, wie viele Arbeitstage zur Verfügung stehen, werden darüber hinaus auch Brückentage besonders gewürdigt und ggf. nicht als Arbeitstage angesehen. Das OLG München (Beschluss vom 30. November 2015 – Verg 07/15) kam in einem vergleichbaren Fall (5 Arbeitstage) zum gegenteiligen Ergebnis und wies den Nachprüfungsantrag als unzulässig ab. Die Rechtsprechung verfolgt demnach keine einheitliche Linie. Es ist es daher durchaus empfehlenswert, von einer allzu großzügigen Ausnutzung der Feiertage abzusehen und den Fristbeginn entweder zu verschieben oder die Frist im eigenen Ermessen um ein paar (Arbeits-)Tage zu verlängern.

Hat man als Auftraggeber nun die Frist hinreichend bestimmt, stellt sich die Frage, in welcher Form die Mitteilung an die Bieter erfolgen muss. Die Einführung verschiedener Vergabeplattformen hat die Bieterkommunikation revolutioniert. Wo man früher noch mit Briefen hantierte, genügt nun ein Knopfdruck. Oder etwa doch nicht?

In einer aktuellen Entscheidung greift die VK Sachsen (Beschluss vom 28. Juli 2021 – 1/SVK/043-20) die Problematik auf. Ein Bieter hatte gerügt, dass das an das Bieterpostfach versandte Schreiben nicht ausreichend gewesen sei, weil das Bieterpostfach nicht in seinem Machtbereich liege und damit das Anschreiben nicht „versendet“ worden sei. Er zitierte hierzu eine Entscheidung der VK Südbayern (Beschl. v. 29. März 2019 – Z3-3-3194-1-07-03/19).

In dessen Entscheidung hatte der Auftraggeber zwar eine entsprechende Mitteilung in das Bietercockpit hochgeladen und für die Bieter freigeschaltet. Der Bieter erhielt aber erst nach einer Woche eine E-Mail, dass eine entsprechende Mitteilung im Bietercockpit zum Abruf bereitstehe. Nach Ansicht der VK München begann die Frist erst mit dem Download der Nachricht durch den Bieter, da erst dann die Nachricht in seinen Machtbereich gelangt sei. An dieser Einschätzung hätte auch eine unmittelbare Benachrichtigung des Bieters nichts geändert.

Die VK Sachsen folgte dieser Entscheidung nicht. Zum einen habe der Auftraggeber die Nachricht nicht nur freigeschaltet, sondern die Mitteilung nach § 134 GWB innerhalb der Bieterplattform an das Bieterpostfach versandt. Das Bieterpostfach entspreche einer E-Mail-Adresse und erfülle demnach die Textform des § 126b BGB. Darüber hinaus sei die Nachricht auch ordnungsgemäß versandt worden, da die versandte Benachrichtigung nach dem Versenden nicht mehr vom Auftraggeber bearbeitet werden konnte, also seinen Machtbereich verließ und in den Machtbereich des Bieters gelangte.

In seiner Entscheidung setzte sich die VK besonders mit den technischen Gegebenheiten auseinander. Ob diese Entscheidung auf andere Vergabeplattformen übertragen werden kann, ist daher fraglich. Es empfiehlt sich jedoch zum einen, in den Vergabeunterlagen eindeutig auf die technische Ausgestaltung der Bieterkommunikation hinzuweisen, und zum anderen, dass eine genaue Auseinandersetzung mit der Vergabeplattform erfolgt.

Autorin

Theresa Katharina Klemm
Tel: +49 30 208 88 1447

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 4-2021. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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