Tax Compliance Management-Systeme und die Bedeutung für die Betriebsprüfung
Tax Compliance Management-Systeme
Die Bundessteuerberaterkammer (BStBk) hat am 1. Dezember 2021 einen Vorschlag für ein freiwilliges Antragsverfahren zum Erhalt von Prüfungserleichterungen in Betriebsprüfungen an das Bundesministerium der Finanzen (BMF) gerichtet. Als wesentliche Voraussetzung für diesen wichtigen Schritt im Rahmen der Modernisierung der Betriebsprüfung wird die Implementierung eines wirksamen und angemessenen Tax Compliance Management-Systems (Tax CMS) angesehen.
Hintergrund
Mit dem Anwendungserlass zur Abgabenordnung in Bezug auf § 153 AO im Mai 2016 hat die Finanzverwaltung das Vorliegen eines sogenannten innerbetrieblichen Kontrollsystems (oder auch Tax CMS) für den Bereich Steuern als Indiz gegen das Vorliegen von Vorsatz oder Leichtfertigkeit im Rahmen der Abgabe unrichtiger oder unvollständiger Steuererklärungen gewertet. Dies war der Startschuss für zahlreiche Unternehmen, das eigene Tax CMS zu analysieren und in vielen Fällen auch zu optimieren. Aus Kreisen der Finanzverwaltung ist zu vernehmen, dass das Trendthema Tax CMS weit überwiegend positiv aufgenommen wird. Insbesondere der sich immer mehr verstärkende Personalmangel innerhalb der Finanzverwaltung wird die Behörden in Zukunft ohnehin zu einer Risikokategorisierung der Steuerpflichtigen zwingen. In Zusammenhang mit der Entlastung der Behörden wird das Thema Tax CMS somit eine immer wichtigere Rolle einnehmen. Die große und berechtigte Kritik besteht jedoch darin, dass dies eine weitere Entwicklung hin zum gläsernen Steuerbürger darstellt und die Unternehmer zu Erfüllungsgehilfen der Finanzverwaltung werden. Da keine gesetzlichen Regelungen zur Ausgestaltung eines Tax CMS implementiert wurden und keinerlei rechtssichere Vorteile aus dem oft kostenintensiven Aufbau eines Tax CMS hervorgehen, sehen bis heute viele Unternehmen nicht genügend Anreize, diese Investition in der aktuellen Situation anzugehen. Die Bundessteuerberaterkammer hat diesen Mangel erkannt und fordert das BMF auf, an dieser Stelle tätig zu werden. Gefordert wird nicht weniger als ein Kulturwandel: weg von dem heute vorwiegend konfrontativen Steuervollzug, geprägt durch den Rechtsstreit, hin zu einem kooperativen Steuervollzug, welcher durch Transparenz und ein gemeinsames Ziel gekennzeichnet ist.
Inhalt des Gesetzesvorschlags
Der Regelungsvorschlag besteht darin, dass dem Steuerpflichtigen ein Antragsrecht eingeräumt wird, um Prüfungserleichterungen zu erreichen. Als Prüfungserleichterungen werden Systemprüfungen, die konsequente Bildung von Prüfungsschwerpunkten, zeitnähere Betriebsprüfungen und/oder das Erwachsen in punktueller Bestandskraft für bereits geprüfte oder unstrittige Sachverhalte vorgeschlagen. Voraussetzung für die Antragsgewährung soll das Vorliegen eines Tax CMS sein. Das Tax CMS muss angemessene und wirksame Vorkehrungen zur Vermeidung von Steuerrisiken enthalten. Es ist von einer Person des § 3 StBerG (Steuerberater*innen, Wirtschaftsprüfer*innen oder Rechtsanwält*innen) zu errichten oder von dieser zu prüfen, sofern das Tax CMS durch den Steuerpflichtigen selbst errichtet wurde. Die Standards für die Errichtung und Prüfung eines Tax CMS sowie auch die Rechtsfolgen eines erfolgreichen Antrags sollen in einer Rechtsverordnung separat geregelt werden.
Gesetzgebungsverfahren
Das BMF hat auf den Vorschlag der BStBk zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mit einer offiziellen Stellungnahme reagiert. Bislang liegen auch keine Hinweise vor, dass aktuell im BMF an einem entsprechenden Gesetzesentwurf gearbeitet wird. Bereits seit 2019 besteht eine Arbeitsgruppe im BMF mit der Aufgabe, ein gesetzliches Rahmenpaket zur Modernisierung der Betriebsprüfung zu erarbeiten. Noch in diesem Jahr ist mit einem entsprechenden Gesetzesentwurf zu rechnen. Es ist jedoch nicht sehr wahrscheinlich, dass darin Prüfungserleichterungen enthalten sind, welche an ein Tax CMS geknüpft sind. Jedoch lässt sich deutlich der Wunsch im BMF hin zu einem kooperativeren Ansatz erkennen. Dabei werden Überlegungen bezüglich der gesetzlichen Implementierung der Maßgaben an und der Rechtsfolgen aufgrund eines implementierten Tax CMS nicht ausgeschlossen und offen diskutiert.
Neuralgische Punkte einer zukünftigen Regelung
Zwar kann sich die BStBk sogar eine zukünftige Verpflichtung zur Implementierung eines Tax CMS vorstellen, jedoch sind auf dem Weg dahin einige Hürden zu meistern. Insbesondere muss bezüglich der Standards für ein Tax CMS ein abgestuftes System eingeführt werden. In Abhängigkeit von der Größe und Komplexität der Unternehmen müssen die Anforderungen an eine Tax CMS klar definiert werden. Der Fokus darf dabei nicht ausschließlich auf Großbetriebe gerichtet werden, sondern muss insbesondere kleine und mittelständische Betriebe umfassen. Auch fällt aus vielen Richtungen die kritische Begrifflichkeit der „Überobligation“. Es muss also eine ausgewogene Lösung gefunden werden, welche zu einem rechtssicheren System führt und nicht zu einem Regelungssumpf, welcher weit über die heutigen Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen hinausgeht und somit an die Grenzen der Zumutbarkeit gelangen würde. Im Ergebnis kommt es erheblich auf die tatsächlich möglichen Prüfungserleichterungen an und die Wahrscheinlichkeit ihrer Inanspruchnahme. Das aktuelle Spannungsfeld zwischen Vorteilen für die Finanzverwaltung und Vorteilen für die Steuerpflichtigen muss dringend ausgebessert werden, um tatsächlich das Ziel einer echten Kooperation zu erreichen.
Bedeutung für die Praxis und Fazit
Das Schreiben der BStBK signalisiert die gegenwärtige Aktualität von Tax CMS. Zur Implementierung eines Tax CMS besteht zurzeit keine gesetzliche Regelung, gleichwohl besteht bereits heutzutage ein faktischer Zwang, da durch die ihm zukommende Indizwirkung ein Tax CMS strafmildernd berücksichtigt wird. Eine Tax CMS-Pflicht ist derzeit nicht absehbar, ist aber grundsätzlich nicht auszuschließen. Folglich sollte die Entwicklung dahingehend dringend verfolgt werden, um kurz- oder mittelfristig agieren zu können. Grundsätzlich ist daher zu empfehlen, bereits heute Vorkehrungen zu treffen, um auf eine zukünftige Kodifizierung gut vorbereitet zu sein. Auch ist darauf hinzuweisen, dass Unternehmen schon jetzt von einem Tax CMS profitieren können, da die dabei durchgeführten Prozess- und Risikoanalysen zu Verbesserungen in den Aufbauund Ablauforganisation führen, Effizienzen heben und zu einem insgesamt weniger fehleranfälligen Steuervollzug führen.
Autoren
Fadi Ramadan
Tel: +49 40 288 01 3553
Max Ullenboom
Tel: +49 30 208 88 1135
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.