Neues zur Umsatzsteuer

BMF-Schreiben vom 15. Juni 2022 – Versagung des Vorsteuerabzugs und der Steuerbefreiung bei Beteiligung an einer Steuerhinterziehung (§ 25f UStG)

Mit dem Jahressteuergesetz 2019 wurde bereits zum 1. Januar 2020 der § 25f „Versagung des Vorsteuerabzugs und der Steuerbefreiung bei Beteiligung an einer Steuerhinterziehung“ neu in das Umsatzsteuergesetz (UStG) eingeführt. Aus der Bezeichnung dieser neuen Regelung ergibt sich auf den ersten Blick der Eindruck, dass hier eine erwartbare Selbstverständlichkeit in Gesetzesnorm gegossen wurde. Denn es erscheint zweifelsfrei nachvollziehbar, dass der Beteiligte an einer Steuerstraftat von den Gesetzesregelungen, gegen die verstoßen wurde, nicht auch noch profitieren soll. Dazu sei auch auf das BFH-Urteil vom 10. Juli 2019 verwiesen, in dem der BFH formuliertet: „Außerdem ist – unabhängig von der Erfüllung formeller Rechnungsanforderungen – das Recht auf Vorsteuerabzug auch zu versagen, wenn aufgrund der objektiven Sachlage feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird.“

In einem aktuellen BMF-Schreiben vom 15. Juni 2022 hat die Finanzverwaltung nunmehr Stellung genommen und in dem Zusammenhang auch zwei neue Abschnitte im Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) eingeführt:

  • Abschnitt 25f.1. UStAE: Versagung des Vorsteuerabzugs und der Steuerbefreiung bei Beteiligung an einer Steuerhinterziehung
  • Abschnitt 25f.2. UStAE: Auswirkungen im Rahmen innergemeinschaftlicher Dreiecksgeschäfte

Grundsätzlich ist mit § 25f UStG nunmehr gesetzlich geregelt, dass dem Unternehmer der Vorsteuerabzug zu versagen ist, wenn dieser „wusste“ oder „hätte wissen müssen“, dass er sich mit seiner Leistung innerhalb einer Leistungskette an einem Umsatz beteiligt, bei dem auf irgendeiner vor- oder nachgelagerten Leistungsstufe eine Hinterziehung von Umsatzsteuer oder die Erlangung eines ungerechtfertigten Vorsteuerabzugs oder eines anderen Vorteils zum Schaden des Umsatzsteueraufkommens erfolgte.

Das BMF-Schreiben vom 15. Juni 2022 stellt nunmehr zweifelsfrei klar, dass der Unternehmer alle vor- und nachgelagerten Umsatzstufen einer Leistungsketteauf das Vorliegen der genannten Steuerdelikte zu untersuchen hat. Dabei wird dem Unternehmer auch das „Wissen oder Wissen müssen seiner Angestellten“ zugerechnet.

Was das bedeutet, vermag jeder Unternehmer für seine Lieferanten und Kunden selbst einzuschätzen. Wie beispielsweise ein Wasserversorger ermitteln soll, ob sein geliefertes Wasser bei der Herstellung eines Zwischenprodukts verwendet wurde, das nach mehreren weiteren Zwischenstufen in eine Lieferung eingeflossen ist, mit der ein Umsatzsteuerdelikt begangen wurde, ist nicht nachvollziehbar.

Inwieweit es dabei entlastend wirkt, dass die Finanzverwaltung dem Unternehmer sein „Wissen oder Wissen müssen“ nachweisen muss, wird die Zukunft zeigen. Jedenfalls hat sie in Abschnitt 25f.1 Abs. 5 UStAE eine nicht abschließende Nennung von „Anhaltspunkten“ vorgenommen, die als Indizien für das Vorliegen von Unregelmäßigkeiten dienen sollen. Die praktische Bedeutung, insbesondere der jeweils kausale Zusammenhang eines dort beispielhaft genannten „Anhaltspunktes“ mit der daraus abzuleitenden positiven Kenntnis einer Steuerstraftat wird vermutlich noch viele Gerichte beschäftigen. Beispielhaft sei dies an dem Anhaltspunkt

„– dem Unternehmer Waren bzw. Leistungen angeboten werden, deren Preis unter dem Marktpreis liegt“

verdeutlicht. Sofern also ein Unternehmer – warum auch immer – positiv weiß (denn wissen muss er es wohl kaum), dass der Vorlieferant seines Vorlieferanten eine Lieferung oder sonstige Leistung unter Marktpreis erhalten hat und diese dann auch (unmittelbar oder mittelbar?) in die letztendlich von unserem Unternehmer bezogene Lieferung oder sonstige Leistung eingegangen ist, muss er befürchten, dass ein Steuerdelikt vorliegt. Andernfalls müsste er wohl Nachforschungen anstellen und dokumentieren, warum der Vorlieferant des Vorlieferanten unter Marktpreis angeboten hat (z. B. könnte er eine Umstellung seines Sortiments vorgenommen haben, er könnte Qualitätsprobleme haben oder insolvent sein).

Das wirft die weitere Frage auf, welche Maßnahmen vom Unternehmer (vernünftigerweise) verlangt werden können, um das Vorliegen eines den Vorsteuerabzug gefährdenden Vorgangs in der vor- und/oder nachgelagerten Lieferkette zu erkennen.

Hinzu kommt, dass § 25f UStG offenkundig eine steuerliche Vorschrift ist. Gleichwohl führt die Versagung des Vorsteuerabzugs unter Bezugnahme auf § 25f UStG zwangsläufig zu der Frage, ob „wissen oder hätte wissen müssen“ nicht die Beteiligung an einer Steuerstraftat impliziert. Konsequenterweise wäre dann im Falle der Versagung des Vorsteuerabzugs wegen § 25f UStG auch ein Steuerstrafrechtsverfahren einzuleiten.

Welche praktische Relevanz § 25f UStG zukünftig haben wird, bleibt abzuwarten. Es empfiehlt sich aber, diese „Denkrichtung“ der Finanzverwaltung im Rahmen des eigenen Tax Compliance Management-Systems (Tax CMS) zu adressieren und vor allem die Information und Schulung der involvierten Mitarbeiter* innen nachvollziehbar zu dokumentieren.

Autor

Ulf Urner
Tel: +49 351 45 15 2207

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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