Ein Kampf gegen protektionistische Maßnahmen im internationalen öffentlichen Beschaffungswesen

Lässt China sich davon beeindrucken?

Am 9. Juni 2022 verabschiedete das Parlament der Europäischen Union (EU) die Verordnung 2022/1031, das sogenannte Instrument für das internationale Beschaffungswesen (IPI), eine Maßnahme zur Verbesserung des Zugangs von Wirtschaftsteilnehmern aus der EU zu den Märkten für öffentliche Aufträge in Drittländern. Dank dieses neuen Instruments wird die Europäische Union in der Lage sein, Maßnahmen zu ergreifen, um den Zugang ausländischer Unternehmen zu den europäischen öffentlichen Beschaffungsmärkten in den Fällen zu beschränken, in denen europäische Unternehmen nicht in gleichem Maße Zugang zu ausländischen öffentlichen Beschaffungsmärkten haben.

Was muss man wissen?

  • Was ist IPI: Die Abkürzung steht für International Procurement Instrument und ist ein Instrument der EU, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und Gegenseitigkeit – sprich Reziprozität – zu gewährleisten.
  • IPI-Maßnahmen: Man will sicherstellen, dass europäische und ausländische Unternehmen auf dem europäischen Markt nach denselben Regeln (playing field level) spielen. Das IPI zielt auch darauf ab, in die europäischen Vergabeverfahren einzugreifen und ggf. den Zugang von Unternehmen aus Drittländern zu beschränken.
  • Drittstaaten, z. B. China: Derzeit haben chinesische Unternehmen weitaus mehr Zugang zu öffentlichen Aufträgen in Europa als europäische Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen in China. Dies ist ein langjähriger Kritikpunkt. Wie China auf das Instrument reagieren wird, bleibt abzuwarten.

Hintergrund

Der Markt für öffentliche Aufträge in der EU gehört zu den größten und zugänglichsten weltweit. Dennoch wenden viele wichtige Handelspartner der EU beschränkende Maßnahmen an, die vor allem wettbewerbsorientierte EU-Branchen wie Bau, öffentlicher Verkehr, Medizinprodukte, Stromerzeugung und Arzneimittel betreffen.

Der Exekutiv-Vizepräsident und Kommissar für Handel, Valdis Dombrovskis, erklärte hierzu:

„Gleiche Wettbewerbsbedingungen sind für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen von grundlegender Bedeutung. Obschon die EU die Offenheit ihres Marktes für öffentliche Aufträge aufrechterhält, trifft dies auf viele Drittländer, in denen unsere Unternehmen nach wie vor mit unfairen Hindernissen konfrontiert sind, nicht zu. Für die Lösung solcher Probleme bevorzugen wir nach wie vor den Dialog. Dieses neue Instrument wird uns in letzter Konsequenz zusätzlich dabei helfen, diese Hindernisse zu beseitigen und einen fairen Wettbewerb zum Nutzen aller zu fördern.“

Anwendungsbereich

Die IPI-Maßnahmen gelten für Ausschreibungen im Wert von 15 Mio. € für Bauarbeiten und Konzessionen, z. B. Straßen- oder Brückenbau, und 5 Mio. € für Waren und Dienstleistungen, wie z. B. den Kauf von Büromaterial. Dies soll gewährleisten, dass der Verwaltungsaufwand und die Reichweite des Instruments in einem angemessenen Verhältnis stehen. Maßgeblich ist der geschätzte Auftragswert eines Vergabeverfahrens. Es wird unterschieden zwischen Beschaffungen, hinsichtlich derer die EU-Marktzugangsvereinbarungen im Rahmen eines internationalen Abkommens im Bereich von öffentlichen Aufträgen oder Konzessionen abgeschlossen hat („erfasste Beschaffungen“), und solchen, die nicht von derartigen Vereinbarungen erfasst werden („nicht erfasste Beschaffungen“). IPI-Maßnahmen können nur im Hinblick auf „nicht erfasste Beschaffungen“ vorgenommen werden (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 IPI). Daher können Maßnahmen nur gegen Drittländer gerichtet sein, soweit diese mit der EU keine Marktöffnungsvereinbarungen über öffentliche Aufträge wie z. B. das Government Procurement Agreement (GPA) vereinbart haben. Dies beträfe beispielsweise China. Zeitlich gilt das IPI nur für Vergabeverfahren, die nach Inkrafttreten der Verordnung gestartet wurden.

Was darf die Kommission?

Die Kommission darf auf eigene Initiative oder aufgrund einer Beschwerde eines Beteiligten der Union oder eines Mitgliedstaats eine Untersuchung einer mutmaßlichen Maßnahme oder Praxis eines Drittlands einleiten. Die Kommission fordert das betreffende Drittland anschließend auf, mit sachdienlichen Informationen Stellung zu nehmen und eine Konsultation zu beginnen. Nach Abschluss der Untersuchung (in der Regel nach neun Monaten) veröffentlicht sie einen Bericht mit den wichtigsten Ergebnissen sowie einem Vorschlag zum weiteren Vorgehen (Art. 5 IPI). Gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass eine Maßnahme eines Drittlands besteht, kann sie eine IPI-Maßnahme erlassen (Art. 6 IPI).

Der Maßnahmenkatalog erlaubt es, Angebote von Ländern zu sanktionieren oder zu blockieren, die die Teilnahme der EU an ihren heimischen Beschaffungsmärkten beschränken. Die Kommission kann zwei Arten von IPI-Maßnahmen ergreifen, um den Zugang eines betroffenen Landes zur EU-Beschaffung zu beschränken:

  1. Sie kann eine Strafe auf die Punktzahl von Angeboten anwenden, die von Anbietern aus dem betreffenden Drittland eingereicht wurden, oder
  2. sie kann solche Angebote vollständig von der Beschaffung ausschließen.

Eine wichtige Ausnahme besteht darin, dass die Kommission keine Untersuchungen gegenüber den am wenigsten entwickelten Ländern einleitet, es sei denn, es liegen Beweise für die Umgehung von IPI-Maßnahmen vor, die diesen Drittländern oder ihren Wirtschaftsbeteiligten zuzurechnen sind.

Ausblick

Zu einer Zeit, in der weniger als die Hälfte der weltweiten öffentlichen Beschaffungsmärkte europäischen Unternehmen offenstehen und man den Eindruck gewinnen könnte, dass der weltweite Handel eher von Protektionismus geprägt ist, ist die Verabschiedung des neuen europäischen Instruments ein deutliches Zeichen der Europäischen Union für freien und fairen Wettbewerb. Ein großes Verdienst hieran gebührt der französischen Ratspräsidentschaft, die dies noch vor den französischen Parlamentswahlen erreichen wollte. China als größte Volkswirtschaft, die dem GPA nicht angehört, wird mit Sicherheit Gegenstand einer solchen Untersuchung werden.

Sollten Sie ein Vergabeverfahren begleiten, auf welches eine IPI-Maßnahme Anwendung findet, zögern Sie nicht, eine Beratung von Mazars in Betracht zu ziehen.

Autor*innen

Noreen Völker
Tel: +49 30 208 88 1190

Andreas Philipp Wohlfarth
Tel: +49 30 208 88 1678

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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