Dauerthema „Steuerliches Einlagekonto bei Betrieben gewerblicher Art (BgA)“: BMF-Schreiben vom 4. April 2022

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte in seinem Urteil vom 30. September 2020 I R 12/17 entschieden, dass der Bestand des steuerlichen Einlagekontos eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit nach § 27 Abs. 7 i. V. m. § 27 Abs. 2 KStG weder an die Gewinnermittlungsart noch an das Überschreiten der jeweiligen Betragsgrenzen des § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG gebunden ist (sachlich-abstrakte Sichtweise). Nur so lässt sich der gesetzgeberische Wille einer lückenlosen Feststellung des steuerlichen Einlagekontos erreichen. Wir berichteten darüber in unserer Newsletter-Ausgabe 1/2021.

Die Finanzverwaltung schließt sich nunmehr der sachlich-abstrakten Betrachtung des BFH an und gibt ihre bisherige sachlich-konkrete Sichtweise auf. Das BMF-Schreiben vom 4. April 2022 enthält die damit verbundenen notwendigen Anpassungen des BMF-Schreibens vom 28. Januar 2019.

Aus der sachlich-abstrakten Sichtweise des BFH folgt, dass jeder BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit lückenlos ein steuerliches Einlagekonto festzustellen hat. Die bisherige Randnummer 42 wurde um diese Kernaussage des Urteils ergänzt.

Eine weitere Ergänzung erfolgt in Randnummer 38. Bei teilweise steuerbefreiten BgA kann auf die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos für den steuerpflichtigen Teil des BgA verzichtet werden, wenn der Träger des BgA die Voraussetzungen von § 44a Abs. 7 EStG erfüllt.

Gänzlich neu gefasst ist Randnummer 44. Wurde bisher kein steuerliches Einlagekonto festgestellt oder erfolgte die Feststellung nicht lückenlos, so ist das steuerliche Einlagekonto zwingend auf den Schluss des letzten, in 2022 endenden Wirtschaftsjahres (sog. Erstjahr) zu erklären und festzustellen – bei kalendergleichem Wirtschaftsjahr mithin auf den 31. Dezember 2022. Damit einher geht die Frage nach der Ermittlung des korrekten Anfangsbestands.

Bei BgA mit lückenhafter Feststellung, deren letzte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos auf den Schluss des dem Erstjahr unmittelbar vorangegangenen Wirtschaftsjahres erfolgte (bei kalendergleichem Wirtschaftsjahr auf den 31. Dezember 2021), leitet sich der Anfangsbestand im Erstjahr entsprechend § 27 Abs. 1 Satz 2 KStG aus ebendieser Feststellung ab.

Bei BgA, für die bisher noch kein steuerliches Einlagekonto festgestellt wurde, setzt sich der Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos im Erstjahr wie folgt zusammen: Summe des vorhandenen Eigenkapitals zu Beginn des im Erstjahr endenden Wirtschaftsjahres ohne Nennkapital (bzw. vergleichbare Kapitalgröße) zuzüglich der seit dem Systemwechsel zum Halbeinkünfteverfahren geleisteten Verlustausgleiche.

Bei BgA mit lückenhafter Feststellung, aber ohne Feststellung auf den Schluss des dem Erstjahr unmittelbar vorangegangenen Wirtschaftsjahres, ist es möglich, das steuerliche Einlagekonto, ausgehend von dessen letztmaliger Feststellung, Jahr für Jahr bis zum Erstjahr fortzuschreiben, entsprechend zu erklären und feststellen zu lassen. Andernfalls ist der Anfangsbestand analog zu der im vorhergehenden Absatz dargestellten Vorgehensweise zu ermitteln.

Gewinne, die als an die Trägerkörperschaft abgeführt gelten, sind folglich bei der Ermittlung des Anfangsbestands des steuerlichen Einlagekontos nicht zu berücksichtigen. Im Anfangsbestand zu berücksichtigen sind auch Verlustausgleiche, die steuerlich durch Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung gemindert wurden.

Von der Feststellung des steuerlichen Einlagekontos des BgA nach § 27 KStG zu unterscheiden ist das Vorliegen von Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG bei dessen Träger und eine sich daraus ergebende Kapitalertragsteuerpflicht. Damit befasst sich die ebenfalls angepasste Randnummer 45.

Nach Randnummer 54 Satz 4 des BMF-Schreibens vom 28. Januar 2019 sind für Zwecke des § 27 KStG jedwede tatsächliche Zuführung von Mitteln sowie ein buchungstechnisches „Stehenlassen“ von Gewinnen als Einlage und als Zugang zum steuerlichen Einlagekonto zu erfassen. Dies gilt nach Satz 5 nicht, soweit die Gewinne nach den Grundsätzen der Randnummer 35 in eine steuerliche Rücklage eingestellt werden.

Sind die Buchführungs- und Betragsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10b Satz 1 EStG in einem Wirtschaftsjahr durch den BgA nicht erfüllt (sog. Unterjahr), führt dieses „Stehenlassen“ indes nicht zu Rücklagen im Sinne dieser Vorschrift und löst folglich mangels Vorliegens von Einkünften aus Kapitalvermögen beim Träger bei späterer Verwendung für Zwecke außerhalb des BgA keine Kapitalertragsteuer aus.

Rücklagen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 10b Satz 1 EStG können nach dessen Wortlaut nur vorliegen, soweit es sich um stehengelassene Gewinne aus Wirtschaftsjahren handelt, in denen der BgA die ausdrücklich dort genannten Buchführungs- oder Betragsvoraussetzungen erfüllt (sog. Überjahr). Nach Randnummer 54 Satz 5 des BMF-Schreibens vom 28. Januar 2019 erhöhen diese Gewinne das steuerliche Einlagekonto nicht. Sie führen bei ihrer Auflösung, da von § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG erfasst, zu Kapitalertragsteuer.

Das aktuelle BMF-Schreiben stellt diese Zusammenhänge in einem ausführlichen Beispiel dar.

Randnummer 46 fußte auf der überholten sachlichkonkreten Sichtweise und war daher aufzuheben.

Der Volltext des BMF-Schreibens ist auf der Internetseite des BMF abrufbar.

Autorin

Britta Benkißer
Tel: +49 351 45 15 2201

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 2-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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