CO2-Kostenkompensation nach BECV – Überblick und Fragen im ersten Antragsjahr

Der Kompensationsmechanismus

Die deutsche Industrie benötigt für ihre Prozesse große Mengen an Strom, Erdgas und anderen Brennstoffen. Für all diese Energieträger greift inzwischen der Emissionshandel: Kraftwerke > 20 MW unterliegen in der Europäischen Union dem europäischen Emissionshandel (EU-ETS) und Brennstofflieferanten in Deutschland dem nationalen Emissionshandel (BEHG). Sowohl Kraftwerksbetreiber als auch Brennstoff- und Wärmelieferanten reichen die Belastungen an ihre Kunden weiter.

Gerade die neuere Kostenbelastung aus dem nationalen Emissionshandel kann die deutsche Industrie in ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen und zu Abwanderungen ins Ausland führen. Um diesem sog. Carbon-Leakage- Effekt entgegenzuwirken, gibt es sowohl im deutschen als auch im europäischen Emissionshandel Beihilfen.

Vor diesem Hintergrund verabschiedete die Bundesregierung die BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung (BECV). Dort ist geregelt, wie die deutsche Industrie vor zu starken indirekten Belastungen durch den nationalen Emissionshandel geschützt werden kann. Wichtig ist hier zunächst die Antragsfrist: Wer Carbon-Leakage-Schutz für das Jahr 2021 beantragen will, muss dies bei der deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) spätestens bis zum 30. Juni 2022 tun.

In Bezug auf die Antragsvoraussetzungen orientiert sich die BECV stark am Carbon-Leakage-Schutzsystem des EU-ETS. So muss das Unternehmen zunächst unter bestimmte produzierende Sektoren fallen, um überhaupt antragsberechtigt zu sein. Für das Abrechnungsjahr 2021 ist für die Einordnung des Unternehmens in diese Sektoren der Stichtag 31. Dezember 2021 maßgeblich. Antragsberechtigt sind auch selbständige Unternehmensteile.

Die Beihilfe gibt es aber nicht umsonst. Als Gegenleistung müssen die Antragsteller genau definierte Klimaschutzmaßnahmen wie ein Energiemanagementsystem, Investitionen in Energieeffizienztechnologie oder Dekarbonierungsmaßnahmen vorweisen – all dies allerdings erst ab dem Abrechnungsjahr 2023.

Der konkrete Beihilfebetrag wird durch Rechenformeln ermittelt. Ausgangspunkt sind die für das Jahr 2021 ansetzbaren CO2-Emissionen des Antragstellers und die damit verbundene BEHG-Belastung. Je nach Sektor wird diese Belastung dann in verschiedener Höhe kompensiert, etwa zu 60 % oder zu 95 %. Bei einem Jahresverbrauch von mehr als 10 GWh muss aber ein Selbstbehalt von 150 Tonnen CO2 getragen werden, bei weniger Jahresverbrauch ist der Selbstbehalt entsprechend geringer.

Entscheidender Bezugspunkt ist somit die ansetzbare CO2-Emissionsmenge. Das Unternehmen darf dabei aber nicht die tatsächlichen Emissionen ansetzen, sondern nur die sog. maßgebliche Emissionsmenge. Diese orientiert sich an den Benchmarks des EU-ETS der jeweils 10 % effektivsten Verfahren. Wer klimaschädlichere Verfahren anwendet, wird für die daraus resultierende BEHG-Zusatzbelastung also nicht mehr kompensiert.

Welche Brennstoffmengen als Basis für die maßgebliche Emissionsmenge angesetzt werden dürfen, wird ebenfalls genau vorgeschrieben. Als Grundregel gilt, dass dies nur solche Brennstoffmengen sein dürfen, die unmittelbar für die Produktion im beihilfefähigen Sektor eingesetzt werden. Ähnlich der altbekannten Abgrenzung von Strommengen bei Umlageprivilegien (z. B. in der Besonderen Ausgleichsregelung im EEG) ist hierfür eine genaue Abgrenzung der Brennstoffmengen vorzunehmen, und zwar anhand einer Liste von sieben gesetzlich geregelten Ausschlusstatbeständen. Außerdem gibt es Sonderregelungen für importierte Wärme.

Summa summarum ermöglicht das Regelwerk bei Erdgas eine Entlastung der CO2-Kosten von ca. 45 % bis 72 % und bei Kohle eine Entlastung der CO2- Kosten von ca. 24 % bis 38 %.

Aktuelles zum Antragsverfahren im ersten Antragsjahr

Am 8. April 2022 veröffentlichte die Deutsche Emissionshandelsstelle den Leitfaden BEHG Carbon Leakage – Antragsverfahren für die Kompensation gemäß § 11 Abs. 3 BEHG und BECV. Am 20. April wurde der Leitfaden aktualisiert und ein Kapitel mit Hinweisen für Wirtschaftsprüfer aufgenommen.

Mit den Hinweisen zu Prüfungshandlungen und Bescheinigungen der Wirtschaftsprüfer sind allerdings nicht alle offenen Fragen zum Antragsverfahren beantwortet. Beispielsweise hat die DEHSt die Veröffentlichung weiterer antragsrelevanter Unterlagen angekündigt. So sollen in Kürze die Antragsformulare im Formular-Management-System (FMS) veröffentlicht werden.

Die Nutzung der Formulare des FMS sind sowohl für antragstellende Unternehmen als auch für deren Wirtschaftsprüfer verpflichtend. Die Wirtschaftsprüfer müssen zusätzlich zum Prüfungsbericht die Richtigkeit der Angaben über Klick- und Freitextfelder in den Formularen des FMS bestätigen. Die Übermittlung dieser Angaben in den Formularen entspricht der nach § 13 Abs. 4 BECV vorgeschriebenen Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers. Die späte Freischaltung des FMS verschärft das Problem der Einhaltung der Antragsfrist für die betroffenen Unternehmen und Wirtschaftsprüfer im ersten Antragsjahr.

Die Antragsteller sollen vor Einreichung des Antrags ein Aktenzeichen über die Virtuelle Poststelle (VPS) der DEHSt beantragen. Für die Erstellung des Aktenzeichens wird eine Bearbeitungszeit von 5 Tagen veranschlagt.

Weiterhin ist seitens der DEHSt eine Novelle des Leitfadens hinsichtlich der Vorschriften zu ökologischen Gegenleistungen (gemäß §§ 10 bis 12 BECV) geplant. Wie erwähnt, sind sie jedoch erst für das Abrechnungsjahr 2023 und somit erst für den im Jahr 2024 zu stellenden Antrag relevant.

Einen weiteren Aspekt, der im Hinblick auf die Fristwahrung von Bedeutung ist, stellt die zwingende Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signaturkarte zur Einreichung des Antrags dar. Die Signaturkarte kann bei verschiedenen deutschen Vertrauensdienstleistern erworben werden. Die Beschaffung und Aktivierung der Signaturkarte und des zugehörigen Kartenlesers kann allerdings bis zu drei Monate in Anspruch nehmen. Für Unternehmen, die noch keine Signaturkarte haben, droht also schon jetzt die Verfristung.

Gerne prüfen wir für Ihr Unternehmen, ob eine Antragstellung sinnvoll ist. Hierzu haben wir einen Quick-Check vorbereitet, bei dem insbesondere erkennbar wird, mit welchen wirtschaftlichen Vorteilen Ihr Unternehmen bei einer Antragstellung rechnen kann. Dafür benötigen wir lediglich ein paar wenige Informationen, die Sie uns anhand eines Fragebogens zur Verfügung stellen können. Sprechen Sie uns hierzu gerne an.

Autoren

Stefan Neubauer
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 2-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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