Verletzung des Neutralitätsgebots in Konzessionsverfahren

Mit Urteil vom 6. April 2021 (Az. 17 U 3/19 Kart) hat das OLG Brandenburg zu der Frage entschieden, ob ein mit einem Interessenkonflikt behafteter Mitarbeiter des Konzessionsgebers (ein Mitarbeiter der kommunalen Beteiligungsverwaltung) an dem Verfahren zur Vergabe des Wegenutzungsrechts in federführender Weise beteiligt war und dies einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot im Rahmen eines Stromkonzessionsverfahrens darstellt.

Am Konzessionsverfahren beteiligte sich als Bieter ein regionales Energieversorgungsunternehmen, das Konzessionärin verschiedener Ortsteile der konzessionsvergebenden Stadt war. Das Stromversorgungsnetz im Kerngebiet der Stadt wird durch ein kommunales Eigenunternehmen der Stadt betrieben.

Ein erstes Konzessionsverfahren musste abgebrochen und wiederholt werden. Im wiederholten Verfahren war federführend ein Mitarbeiter der Beteiligungsverwaltung der Stadt als verfahrensleitende Stelle tätig. In diesem Verfahren ging der Zuschlag an das kommunale Eigenunternehmen der Stadt.

Zur Vermeidung von Interessenkollisionen wurde in diesem Zusammenhang dem Bediensteten der Stadtverwaltung mit Wirkung ab dem 1. September 2017 untersagt, als Mitarbeiter der Beteiligungsverwaltung weiterhin sein diesbezügliches Teilnahmerecht für die Aufsichtsratssitzungen und die Gesellschafterversammlungen der kommunalen Eigenbewerberin wahrzunehmen. Unabhängig davon blieb der Mitarbeiter in der Beteiligungsverwaltung der Stadt tätig. Dies rügte der unterlegene Bieter.

Die Stadt trug vor, dass die Stellung des Mitarbeiters der Beteiligungsverwaltung keine Interessenkollision begründe, da dieser nicht an der strategischen Entwicklung des Beteiligungsunternehmens beteiligt und seine Funktion auf grundsätzliche Belange beschränkt sei. Die von der Verfügungsklägerin behaupteten vermeintlichen Verflechtungen begründeten daher nicht mehr als einen „bösen Schein“. Ein solcher könne einen Verfahrensverstoß aber nicht begründen, erforderlich sei eine tatsächliche kausale Beeinflussung. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs komme eine Interessenkollision für ihren Mitarbeiter im Übrigen schon deshalb nicht in Betracht, weil danach ein Mitwirkungsverbot bei der Vergabe eines Wegenutzungsrechts überhaupt nur für solche Personen bestehe, die bei einem Bewerber entgeltlich beschäftigt oder bei ihm als Mitglied eines Organs tätig seien (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – EnZR 99/18 –, Gasnetz Leipzig). Diese Voraussetzungen lägen für ihren Mitarbeiter unstreitig nicht vor, zumal er sein Teilnahmerecht an Gremiensitzungen während des laufenden Auswahlverfahrens habe ruhen lassen. Ein persönliches Interesse am Ausgang des Auswahlverfahrens – etwa im Sinne von § 6 VgV oder § 5 KonzVgV – könne ihm daneben nicht unterstellt werden, weil er ersichtlich in keiner Weise von einem etwaigen Vertragsabschluss mit den gemeindeeigenen Stadtwerken profitieren könne.

Nach Ansicht des OLG Brandenburg „ist aus der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs jedoch nicht abzuleiten, dass sich aus allgemeinen Rechtsprechungsgrundsätzen keine weiteren Mitwirkungsverbote für an der Durchführung des Auswahlverfahrens beteiligte Mitarbeiter des Konzessionsgebers ergeben und sich der für einen Interessenkonflikt in Frage kommende Personenkreis daher auf Gemeinderäte beschränkt, die zugleich Organmitglied eines Bewerbers sind und an der verfahrensabschließenden Auswahlentscheidung teilnehmen.“

Das OLG bezieht sich darauf, dass es der Bundesgerichtshof nicht ausgeschlossen habe, dass ein Interessenkonflikt für Personen, die an der Durchführung des Vergabeverfahrens beteiligt sind oder Einfluss auf den Ausgang eines Vergabeverfahrens nehmen können, sofern sie dabei ein direktes oder indirektes finanzielles, wirtschaftliches oder sonstiges persönliches Interesse haben, das ihre Unparteilichkeit und Unabhängigkeit im Rahmen des Vergabeverfahrens beeinträchtigen könnte.

Für das OLG stand vielmehr fest, dass für den Bediensteten der Beteiligungsverwaltung der Stadt vor dem Hintergrund seines hauptamtlichen Zuständigkeitsbereichs im Rahmen der Durchführung des Auswahlverfahrens ein gewichtiger persönlicher Interessenkonflikt bestand.

Ein persönliches Interesse kann auch ein berufliches sein, wobei in Anlehnung an § 6 Abs. 2 VgV n.F. bzw. § 5 Abs. 2 KonzVgV sowohl ein indirektes Interesse des Mitarbeiters an der positiven wirtschaftlichen Entwicklung der Beteiligungsgesellschaft zugunsten der Stadt anzunehmen ist, das schon in seinem objektiven Zuständigkeitsbereich liegt, als auch sein direktes Interesse an einer erfolgreichen Neukonzessionierung für die stadteigene Gesellschaft, weil diese seiner beruflichen Karriere förderlich sein kann; denn eine erfolgreiche Entwicklung der Beteiligungsgesellschaft kann erfahrungsgemäß zu Anerkennung und guter Beurteilung durch den Dienstherrn führen. Insofern ist sein hauptamtlicher Zuständigkeitsbereich auch nicht nur mit dem eines Kämmerers oder eines sonstigen für Finanzen zuständigen Mitarbeiters der Beklagten vergleichbar, die lediglich ein allgemeines wirtschaftliches Interesse ihres Dienstherrn verfolgen.

Die für den Mitarbeiter der Beteiligungsverwaltung bestehenden persönlichen Interessen sind mit Blick auf sein beschriebenes Aufgabenprofil vielmehr geeignet, einen Konflikt auszulösen, dem ein solches Gewicht zukommt, dass dadurch seine Unparteilichkeit und Unabhängigkeit im Rahmen des Vergabeverfahrens entsprechend § 6 Abs. 2 VgV bzw. § 5 Abs. 2 KonzVgV beeinträchtigt sein kann. Daher hatte der Zuschlag an den kommunalen Eigenbewerber keinen Bestand.

Die Textfassung des Urteils findet sich hier. Die rechtskonforme Trennung der Vergabe- und Bieterseite in Konzessionsverfahren bleibt bei der Beteiligung von Eigenbewerbern eine herausfordernde Aufgabe für die Kommunen.

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 2-2021. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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