Zum Verhältnis des Informationsfreiheitsgesetzes zum Vergaberecht

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Beschluss vom 15. Dezember 2020 (Az. 10 C 24.19) zum Verhältnis des Informationsfreiheitsgesetzes zum Vergaberecht entschieden und damit eine Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung getroffen.

Der amtliche Leitsatz lautet:

„Das Informationsfreiheitsgesetz wird nach Abschluss des Vergabeverfahrens nicht durch Vorschriften der Vergabeverordnung verdrängt. § 5 Abs. 2 Satz 2 VgV ist eine Vertraulichkeitsregelung im Sinne von § 3 Nr. 4 IFG.“

Zum Beschluss

Der Senat hatte grundsätzlich bereits zuvor mit Urteilen vom 24. November 2020 (BVerwG 10 C 12.19 bis 10 C 15.19) entschieden, dass einem Antrag auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz grundsätzlich der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden kann. Der Anspruch auf Informationszugang könne allerdings nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen als rechtsmissbräuchlich abgelehnt werden. Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung sei nur dann begründet, wenn es dem Antragsteller nicht um die begehrte Information gehe, er vielmehr ausschließlich andere und von der Rechtsordnung missbilligte Zwecke verfolge. Diese Voraussetzungen seien etwa dann gegeben, wenn das Informationsbegehren den Zweck verfolge, die informationspflichtige Behörde lahmzulegen.

Auch müsse der Antragsteller sein Informationsinteresse im Antrag nicht darlegen; es werde vom Gesetz vermutet. Es sei Sache der informationspflichtigen Behörde, gegen diese Vermutung den Beweis des Gegenteils zu führen. Ihre Darlegung ist hierbei nicht auf Umstände beschränkt, die das konkrete Verfahren betreffen; die Feststellung informationsfremder Zwecke kann sich aus anderen Umständen ergeben. Auch das Gericht muss im Streitfall eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände vornehmen. In diesem Zuge hatte das OVG Berlin-Brandenburg als Vorinstanz unzutreffend angenommen, dass ein von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten nur jenseits der Grenzen der Meinungsbildungs- und Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG angenommen werden und der Staat eine Überschreitung erst bei einer seinen Bestand gefährdenden Funktionsbeeinträchtigung seiner Einrichtungen annehmen könne. Diese Sichtweise ist dem BVerwG zufolge offenbar zu eng.

In der Sache begründet das BVerwG seinen Beschluss wie folgt:

„Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird das Informationsfreiheitsgesetz nach§ 1 Abs. 3 IFG durch Normen verdrängt, die einen mit § 1 Abs. 1 IFG abstrakt-identischen sachlichen Regelungsgehalt aufweisen und sich als abschließende Regelung verstehen. Sowohl ausgehend vom Wortlaut des § 1 Abs. 3 IFG als auch mit Blick auf Sinn und Zweck der Regelung, den Vorrang des Fachrechts gegenüber dem allgemeinen Informationszugangsrecht zu gewährleisten, ist hierfür maßgeblich, ob die anderweitige Regelung dem sachlichen Gegenstand nach Regelungen über den Zugang zu amtlichen Informationen trifft. Darüber hinaus ist ausschlaggebend, ob die andere Regelung diesen Zugang nicht nur im Einzelfall, sondern allgemein oder doch typischerweise gestattet und an nach dem Informationsfreiheitsgesetz Informationspflichtige adressiert ist. Die anderweitige Regelung muss dem Einzelnen allerdings keinen individuellen, gerichtlich durchsetzbaren Informationszugangsanspruch verleihen (BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2020 – 10 C 16.19 – NVwZ 2020, 1680 Rn. 9 ff.).

Danach gehen vergaberechtliche Vorschriften, die sich auf ein abgeschlossenes Vergabeverfahren beziehen, dem Informationsfreiheitsgesetz nicht vor (vgl. Debus, in: Hrsg. Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, Stand November 2020, § 1 IFG Rn. 209 ff.; Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 339 f.). Der hiermaßgebliche § 5 Abs. 2 Satz 2 der Vergabeverordnung (VgV) vom 12. April 2016 (BGBl. I S. 624) regelt nicht den Zugang zu Informationen, sondern schließt ihn aus. Nach dieser Bestimmung sind die Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträge und Angebote einschließlich ihrer Anlagen sowie die Dokumentation über Öffnung und Wertung der Teilnahmeanträge und Angebote auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens vertraulich zu behandeln. Demnach begründet § 5 Abs. 2 Satz 2 VgV gerade keine behördliche Informationspflicht, sondern ist eine Vertraulichkeitsregelung im Sinne von § 3 Nr. 4 IFG.“

Dies ist ein ganz entscheidender Unterschied, denn das OVG Berlin-Brandenburg als Vorinstanz hatte im entschiedenen Fall den Versagungsgrund des § 3 Nr. 4 IFG i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 2 VgV verneint, weil die von der Beklagten begehrten Schwärzungen zum Schutz der Rechte Dritter von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts umfasst seien. Somit obsiegte der Auskunft begehrende Antragsteller.

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