Erste Novelle des Verpackungsgesetzes – gut gemeint und gut gemacht?

Das Bundeskabinett hat am 20. Januar 2021 den Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung von Vorgaben der Einwegkunststoffrichtlinie und der Abfallrahmenrichtlinie im Verpackungsgesetz und in anderen Gesetzen beschlossen.*

Die Novelle des Verpackungsgesetzes befindet sich  derzeit im Gesetzgebungsverfahren und soll voraussichtlich noch im Mai dieses Jahres final verabschiedet werden.

Mit dem Gesetzentwurf werden bestimmte Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/904 in deutsches Recht umgesetzt (soweit diese nicht insbesondere in der Einwegkunststoffverbotsverordnung, der Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung oder für  Berichtspflichten im Umweltstatistikgesetz umgesetzt sind oder werden). Im Wesentlichen erfolgt die Umsetzung im Verpackungsgesetz; daneben werden einzelne Vorgaben auch im Kreislaufwirtschaftsgesetz und im Wasserhaushaltsgesetz umgesetzt.2

Der Regierungsentwurf sieht u. a. folgende Änderungen vor:

Mehr Transparenz, weniger Unterlizenzierung

§ 7 Abs. 2 S. 3 RegE-VerpackG regelt, dass sich nunmehr alle Herstellenden (bzw. Erstinverkehr bringenden) registrieren müssen, wenn diese Ware in Serviceverpackungen an die Endverbrauchen den abgeben. Dies gilt auch dann, wenn die Lizenzierungspflicht auf die Vorvertreibenden übertragen worden ist. Hiermit soll die Lücke geschlossen werden, die bisher klafft, wenn Letztvertreibende von systembeteiligungspflichtigen Verpackungen die Lizenzierungspflicht vorverlagert haben und deshalb nicht selbst im Verpackungsregister registriert sind.

Mit der Änderung des § 9 Abs. 1 VerpackG gilt zusätzlich die Registrierungspflicht nicht mehr nur für  systembeteiligungspflichtige Verpackungen, sondern für sämtliche mit Ware befüllten Verpackungen, also z.B. Transportverpackungen und Mehrwegverpackungen.

Diese erweiterte Registrierungspflicht, die erst am 1. Juli 2022 in Kraft treten soll, dient der Umsetzung von Artikel 8a Absatz 5 der Richtlinie 2008/98/ EG, mithin der Verbesserung des Überwachungs und Durchsetzungsrahmens für die Regelungen zur erweiterten Herstellerverantwortung, insbesondere im Bereich der systembeteiligungspflichtigen Verpackungen.

Außerdem wird mit dem neuen § 7 Abs. 7 Betreiben den von elektronischen Marktplätzen eine Überprüfungspflicht der systembeteiligungspflichtigen Verpackungen, die sie vertreiben, auferlegt. Dies ist der Entwicklung geschuldet, dass über das  Internet immer mehr verpackte Waren aus dem Ausland nach Deutschland versandt werden. Da die Pflichten des Verpackungsgesetzes insbesondere gegenüber Herstellenden, die ihren Sitz außerhalb der Europäischen Union haben, besonders schwer durchzusetzen sind, werden diese auf alle Handels ebenen ausgeweitet. Liegt keine Systembeteiligung vor, besteht ein Vertriebsverbot, das auch für alle  nachfolgenden Vertreibenden gilt. Anders hingegen, wenn statt der Systembeteiligung eine Branchenlösung betrieben wird.

Da sich durch die Erweiterung der Beteiligungs und Registrierungspflichten geschätzte 350.000 Herstellende erstmals registrieren lassen müssen, erfahren diese Gesetzesänderungen Kritik aus der Industrie: Der Zentralverband Gartenbau e.V. (ZVG) lehnt die erweiterten Registrierungspflichten auf alle Verpackungsarten mit der Sorge ab, dass diese künftig auch jeden Blumenladen, Garteneinzelhandel und Hofladen treffen, die bislang durch die Verlagerung der Lizenzierungspflicht auf die Vorvertreibenden einen erheblich geringeren Verwaltungsaufwand haben.3

Weniger PET, mehr Pfand

Der neu eingeführte § 30a legt in Umsetzung von Artikel 6 Absatz 5 in Verbindung mit Teil F des Anhangs der Richtlinie (EU) 2019/904 Mindestrezyklatanteile bei bestimmten Einwegkunststoffgetränkeflaschen fest.

Die Vorgaben nach § 30a Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 sind ab unterschiedlichen Zeitpunkten anzuwenden und beziehen sich auf unterschiedliche Arten von  Einwegkunststoffgetränkeflaschen. Gemäß § 30a  Absatz 1 Satz 1 ist das Inverkehrbringen von  hauptsächlich aus Polyethylenterephthalat (PET) bestehenden Einwegkunststoffgetränkeflaschen ab dem 1. Januar 2025 nur noch gestattet, wenn das  in der Flasche jeweils enthaltene PET zu mindestens 25 Masseprozent aus Kunststoffrezyklaten  besteht. Ab dem 1. Januar 2030 dürfen dann nach  §30a Absatz 1 Satz 2 sämtliche Einwegkunststoffgetränkeflaschen, unabhängig von der Kunststoffart, nur noch in Verkehr gebracht werden, wenn der in der  Flasche jeweils enthaltene Kunststoff zu mindestens 30 Masseprozent aus Kunststoffrezyklaten besteht.4

Die Änderung des § 31 führt zu einer Erweiterung der Pfandpflicht auf sämtliche Einwegkunststoffgetränkeflaschen und Getränkedosen mit einer Übergangsfrist für Milch und Milcherzeugnisse.

Immer mehr Mehrweg

Schließlich wird mit dem neuen Abschnitt 7 „Minderung des Verbrauchs bestimmter Einwegverpackungen“ eine Verpflichtung von Handel und Gastronomie eingeführt, bei To-go-Angeboten neben Einwegverpackungen stets auch Mehrwegverpackungen anzubieten. Eine Erleichterung für kleine Unternehmen besteht nur insoweit, als dass diese verpflichtet sind, von Kund*innen mitgebrachte  Mehrwegbehältnisse zu befüllen. Für die in Verkehr gebrachten Mehrwegverpackungen gilt zusätzlich auch eine Rücknahmepflicht.

Gerade vor dem Hintergrund der massiv angestiegenen Einwegverpackungen aufgrund des Außer-Haus Geschäftes in der Coronapandemie5 und der in  den letzten Jahren insgesamt ansteigenden Mengen an Verpackungsmüll6 wird die Einführung dieses Abschnitts von Umweltverbänden zumindest grundsätzlich begrüßt. Die Pflicht, Mehrwegverpackungen anzubieten, geht diesen jedoch nicht weit genug:  Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland  e.V. (BUND) und der Naturschutzbund e.V. (NABU) kritisieren, dass der derzeitige Entwurf es noch zu vielen Unternehmen freistelle, ob sie Mehrwegalter nativen anbieten, da auch oder gerade in kleinen gastronomischen Betrieben erhebliche Mengen an To-go-Einwegverpackungen und Einweggetränkebechern anfallen.7 Auch fehle es an steuerlichen Anreizen für den Einsatz von Mehrwegverpackungen.8 Derzeit ist nur festgelegt, dass diese nicht teurer sein dürfen als Einwegverpackungen.

Zu wenig für die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger

Eine von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern (örE) dringend geforderte Novellierung ist indes unterblieben: § 22 Verpackungsgesetz zur Regelung der Abstimmungsvereinbarung zwischen örE und Systemen wurde im aktuellen Gesetzänderungsverfahren nicht angerührt.

Für die Mitbenutzung der Erfassung von PPK („seiner Sammelstruktur“) durch die dualen Systeme kann der örE gemäß § 22 Abs. 4 VerpackG ein angemessenes Entgelt verlangen (vgl. unseren Artikel im Newsletter Public Sector 01/2021 „Preisturbulenzen am Altpapiermarkt“9). In gleicher Weise können die dualen Systeme vom örE verlangen, dass dieser ihnen die Mitbenutzung der Sammelstruktur gestattet. Aber auch der örE kann verlangen, dass die dualen Systeme gegen ein angemessenes Entgelt die Nichtverpackungsabfälle aus PPK mitsammeln. Die Mitbenutzung der Erfassung von PPK ist in den  Abstimmungsvereinbarungen zwischen dem örE und den dualen Systemen zu regeln.

Vor allem die Höhe des Mitbenutzungsanteils der dualen Systeme war bereits in der Vergangenheit Streitgegenstand im Rahmen der Verhandlungen der Leistungsverträge, als das Verpackungsgesetz noch die Verpackungsverordnung war.

Auch die Rahmenvorgaben nach § 22 Abs. 2 Ver packG zur Sammlung der restentleerten Kunststoff-, Metall- und Verbundverpackungen bei privaten Haushaltungen hätten spätestens seit dem Beschluss des VG Würzburg vom 23. März 2021 (W 10 S 21.60) eine Überarbeitung erfordert. Hier waren die Vorgaben des örE zur Sammlung von LVP im Vollservice als rechtswidrig beurteilt worden, da sie über den Rahmen des § 22 Abs. 2 VerpackG hinausgingen.

Der gern zitierte Beschluss führt im Ergebnis dazu, dass in denselben Haushalten für die verschiedenen Abfallbehälter verschiedene Abholregeln gelten: Die Restmülltonnen des örE werden im Vollservice von ihrem Standplatz geholt und dorthin zurückgebracht, die gelbe Tonne des dualen Systems muss von den Nutzenden an den Fahrbahnrand gestellt werden, auch wenn die Abholung am gleichen Tag erfolgt. Entsprechend gering war das Verständnis der Gebührenzahlenden.

Gerade im Bereich PPK führt die Coronapandemie durch den verstärkten Online-Handel und -Versand zu einem erheblichen Mengenanstieg.10 Die Kartons des Versandhandels fallen in den Bereich der Verpackungsentsorgung, für die die dualen Systeme zuständig sind. Diese werden aber gemeinsam in der blauen Papiertonne mit Zeitungen und Zeitschriften gesammelt, für die wiederum die Kommunen zuständig sind. Deshalb bedarf es einer Abstimmung der örE mit den dualen Systemen zur Mitbenutzung und den Massezuordnungen.

Diese Abstimmung scheitert aber regelmäßig mit der Folge, dass Entsorgungskosten für PPK von den Kommunen übernommen werden, die bei einer verursachungsgerechten Verteilung mindestens zur Hälfte von den dualen Systemen zu übernehmen wären. Im schlimmsten Fall kommt es dabei zu grundsätzlich unzulässigen Quersubventionierungen der PPK Sammelstruktur durch die Gebührenzahlenden.

Der VKU hat die Gesetzgeberin deshalb aufgefordert, eine Regelung aufzunehmen, dass ein PPK-Mitbenutzungsentgelt – losgelöst von der Abstimmungsver einbarung selbst – mit Ablauf eines Rechnungsjahres einseitig vom örE festgelegt werden kann, wenn über dieses keine Einigung zustande gekommen ist.11 Dies hätte in der Tat den vom VKU dargestellten Vorteil, dass ein Rechtsstreit unmittelbar über das Entgelt geführt werden könnte und nicht über einen Systemwiderruf erfolgen müsste.

Mehr oder weniger gelungen

Insgesamt bleibt die Novelle des Verpackungsgesetzes hinter ihren Möglichkeiten zurück. Einerseits werden wichtige Schritte zur Vermeidung von Verpackungsmüll genommen, die aber ohne eine Pönalisierung der Verwendung von Einwegverpackungen im To-go-Betrieb oder wenigstens die Schaffung von (finanziellen) Anreizen bei der Verwendung von Mehrwegverpackungen nur einen Teilerfolg versprechen.

Andererseits wurden dringende Forderungen der örE bislang nicht gehört, rechtssichere Rahmenbedingungen für die Abstimmungen nach § 22 VerpackG zu schaffen und eine verursachungsgerechte Kosten verteilung bei PPK zu ermöglichen. Es handelt sich bei den Änderungen des Gesetzes somit nur um die unionsrechtlich zwingenden Mindestanforderungen.

In Zeiten zunehmender Konsumkritik und wachsender Zero-Waste-Bewegungen insbesondere bei jungen Wählenden bleibt die Hoffnung, dass bei künftigen Novellen des Verpackungsgesetzes die Möglichkeiten der Abfallvermeidung weiter ausgeschöpft werden und die örE bei ihrer Aufgabenerfüllung der Daseinsvorsorge rechtssichere Rahmenvorgaben erhalten.

Wir unterstützen kommunale Aufgabenträger bei Verhandlungen mit den dualen Systemen. Dabei beraten wir aus rechtlicher Sicht in Bezug auf die abzuschließenden Vereinbarungen und aus betriebswirtschaftlicher Sicht bei der Kalkulation der Kosten als Grundlage des Mitbenutzungsentgeltes.

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* Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung von Vorgaben der Einwegkunststoffrichtlinie und der Abfallrahmenrichtlinie im Verpackungsgesetz und in anderen Gesetzen | Gesetze und Verordnungen | BMU (Zugriff am 07.05.2021)

2 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 08.01.2021, S. 1

3 ZVG enttäuscht über geplantes neues Verpackungsgesetz – Zentralverband Gartenbau e.V. (g-net.de) (Zugriff am 07.05.2021)

4 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 08.01.2021, S. 87

5 www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/corona-krise-darf-nicht-zur-muellkrise-werden deutsche-umwelthilfe-fordert-konsequente-mehrwegfoerder/ (Zugriff am 07.05.2021)

6 www.umweltbundesamt.de/daten/ressourcen-abfall/verwertung-entsorgung-ausgewaehlter-abfallarten/ verpackungsabfaelle (Zugriff am 07.05.2021)

7 Verpackungsgesetz: Immer mehr Verpackungsmüll – BUND fordert schnelle Einführung von Pfand-Mehrwegsystem – BUND e.V. (Zugriff am 07.05.2021)

8 Einführung der Mehrwegpflicht schützt Meere – NABU (Zugriff am 07.05.2021)

9 www.mazars.de/Home/ber-uns/Aktuelles/Presse-Medien/Newsletter/Public-Sector-Newsletter/Public-Sector Newsletter-1-2021/Preisturbulenzen-am-Altpapiermarkt

10 Onlinehandel: DHL erwartet auch nach Corona mehr Pakete (faz.net) (Zugriff am 07.05.2021)

11 Stellungnahme des VKU zur Novelle des VerpackG (Zugriff am 07.05.2021)

   

Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 2-2021. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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