Hessen sucht den Schulterschluss – Einführung der UVgO ist in Planung

Lange hat sich Hessen gegen die Einführung der UVgO gewehrt. Obgleich diese in den meisten Bundesländern bereits Anwendung findet, verweist das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz nach wie vor auf die VOL/A. Dies soll sich nun ändern.

Am 18. März 2021 hat im Hessischen Landtag die erste Lesung über den Gesetzesentwurf zur Änderung des Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetzes (HVTG) stattgefunden. Der Entwurf sieht vor, dass für die Vergabe von Lieferungen und Dienstleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte statt der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen Teil A (VOL/A) nunmehr die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) Anwendung finden soll. Zudem soll neben dem Schutz mittelständischer Interessen vor allem die Nachhaltigkeit im Fokus stehen. Ebenfalls angestrebt ist die Vereinfachung und Beschleunigung des Vergabeverfahrens.

Zunächst ist festzustellen, dass der Gesetzesentwurf vom 9. März 2021 das HTVG wesentlich verschlanken soll, indem Paragrafen zusammengeführt, gekürzt oder gestrichen werden. Außerdem sollen zahlreiche Neuerungen eingeführt werden. Die Vergabefreigrenzen haben sich aus Sicht der Gesetzesinitiatoren bewährt und sollen nicht angepasst werden.

Hinsichtlich der Nachhaltigkeit bzw. der Berücksichtigung sozialer, ökologischer und innovativer Anforderung entfällt der Katalog der Anforderungen des § 3 HTVG, die ein Auftraggeber bei der Auftragsvergabe berücksichtigen konnte. § 3 n. F. statuiert hingegen, dass diese Aspekte zu berücksichtigen sind. Zwar wird klargestellt, dass kein Anwendungszwang besteht, dennoch ist klar erkennbar, dass eine Berücksichtigung grundsätzlich erfolgen soll.

Ein weiterer Paukenschlag verbirgt sich in § 18 HTVG n. F., der auch im Unterschwellenbereich einen Rechtsschutz für Bieter/Bewerber einführt. Neben Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist Hessen damit das vierte Bundesland, das einen entsprechenden Rechtsschutz gewähren will. Leider versäumt es der Entwurf, den entscheidenden Schritt in dieser Sache zu gehen: Denn die Entscheidung der Vergabekompetenzstelle ist für den Auftraggeber nicht bindend. Er kann sich daher auch entscheiden, die Empfehlung der Vergabekompetenzstelle nicht umzusetzen.

Hinsichtlich der Vergabe freiberuflicher Leistungen löst sich der Gesetzesentwurf von den starren Regelungen seines aktuell noch geltenden Vorgängers und verweist konsequenterweise nunmehr auf die Sonderregelungen des § 50 UVgO. Dieser wiederum nimmt freiberufliche Leistungen von der Anwendung der §§ 8 ff. UVgO aus und ersetzt diese schlicht mit der Regel, dass freiberufliche Leistungen „im Wettbewerb“ zu vergeben sind.

Schließlich wird ergänzend zum Wettbewerbsregister, das derzeit vom BKartA in Betrieb genommen wird, eine landeseigene Informationsstelle eingerichtet, die ergänzend zum Wettbewerbsregister ein sog. Informationsverzeichnis führen soll. In dieses Verzeichnis sollen neben den im Wettbewerbsregister enthaltenen Informationen auch fakultative Ausschlussgründe (§124 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4, 8 und 9 GWB), Verstöße gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (§ 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 SchwarzArbG) und Ordnungswidrigkeiten nach § 23 Abs. 1 und 2 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und § 21 Mindestlohngesetz mit einem Bußgeld von mindestens 2.500 € erfasst werden.

Bei der Eintragung kommt es – anders als beim Wettbewerbsregister – auch nicht auf die Rechtsbzw. Bestandskraft der Entscheidung an. Eine Abfragepflicht ist jedoch nur für Auftraggeber des Landes, aber nicht für die Gemeinden, Eigenbetriebe und kommunalen Arbeitsgemeinschaften und Zweckverbände vorgesehen und beschränkt sich im Gleichlauf mit dem Wettbewerbsregister auf Beschaffungen mit einem Auftragswert von über 30.000 €.

Der Gesetzesentwurf stellt einen wichtigen Schritt in der Vereinheitlichung des Vergaberechts im Unterschwellenbereich dar. Auch die stärkere Einbeziehung sozialer, ökologischer, innovativer und umweltbezogener Aspekte ist begrüßenswert. Die Einführung eines Rechtsschutzes im Unterschwellenbereich ist ebenfalls bemerkenswert. Ob sich deren Empfehlungen bei den öffentlichen Auftraggebern auch durchsetzen werden und welche Änderungen der Entwurf noch erwartet, bleibt abzuwarten.

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