Drohender Fristablauf – Anwendung des neuen Umsatzsteuerrechts für juristische Personen des öffentlichen Rechts ab 1. Januar 2023!
Dies betrifft insbesondere im Rahmen des Leistungseinkaufs Eingangsleistungen, die ab dem 1. Januar 2023 für zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze verwendet werden, und die Angaben in aktuellen Fördermittelanträgen.
Hintergrund
Juristische Personen des öffentlichen Rechts (Körperschaften, Anstalten und Stiftungen) waren bis 31. Dezember 2016 ausschließlich mit ihren Betrieben gewerblicher Art (§ 4 KStG) sowie mit den in § 2 Abs. 3 UStG ausdrücklich genannten Tätigkeiten umsatzsteuerliche Unternehmer. Hoheitliche Tätigkeiten oder Tätigkeiten, die der Vermögensverwaltung zuzurechnen sind, konnten daher nicht Teil des umsatzsteuerlichen Unternehmens sein. Diese Regelung entsprach nicht den europarechtlichen Vorgaben. Aus diesem Grund wurde § 2 Abs. 3 UStG durch den Bundesfinanzhof (BFH) europarechtskonform ausgelegt. Hierbei wurde insbesondere die Definition des Betriebs gewerblicher Art durch den BFH vom Ertragsteuerrecht gelöst und auf Grundlage des Europarechts ausgelegt.
Bereits mit dem Steueränderungsgesetz 2015 wurde der bisherige § 2 Abs. 3 UStG gestrichen und durch § 2b UStG ersetzt. Die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft richtet sich nun auch für juristischen Personen des öffentlichen Rechts nach den allgemeinen Regelungen des § 2 UStG. Dies bedeutet, dass nach neuer Rechtslage grundsätzlich sämtliche Leistungen der öffentlichen Hand umsatzsteuerbar sind, sofern die Tatbestände des § 2 UStG erfüllt werden. Eine Ausnahme hierzu enthält jedoch § 2b UStG. Hiernach gelten juristischen Personen des öffentlichen Rechts vorbehaltlich § 2b Abs. 4 UStG nicht als umsatzsteuerliche Unternehmer, wenn sie (entgeltliche) Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, und eine Behandlung als Nichtunternehmer zu keinen größeren Wettbewerbsverzerrungen führt.
Der Gesetzgeber hatte den juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Möglichkeit eingeräumt, die alte Rechtslage (§ 2 Abs. 3 a. F. UStG) für sämtliche vor dem 1. Januar 2021 ausgeführten Leistungen weiterhin anzuwenden. Durch das Corona-Steuerhilfegesetz wurde die zunächst bis zum 31. Dezember 2020 bestehende Übergangsfrist um zwei Jahre bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 verlängert. Derzeit ist nicht erkennbar, dass diese Frist nochmals verlängert werden könnte.
Handlungsbedarf
- Für juristische Personen des öffentlichen Rechts bedeutet dies, dass diese spätestens bis zum 31. Dezember 2022 sämtliche ihrer Tätigkeiten dahingehend beurteilen müssen, ob diese nach neuer Rechtslage umsatzsteuerrelevant sind. Für die Umsetzung diesbezüglicher Projekte ist typischerweise ein längerer Zeitraum einzuplanen (abhängig vom Tätigkeitsumfang der jeweiligen Einrichtung).
- Die sich aus diesem Projekt ergebenden Erkenntnisse können ggf. Auswirkungen auf bereits eingereichte Ertrag- bzw. Umsatzsteuererklärungen/ abgelaufene Veranlagungszeiträume entfalten. Darüber hinaus können die Erkennt- nisse aus dem Projekt auch zu einer Neubeurteilung der Verwendungsabsicht von in der Vergangenheit angeschafften Wirtschaftsgütern führen. Auch hier wäre zu prüfen, ob ein entsprechender Vorsteuerabzug (ggf. noch nachträglich) geltend gemacht werden kann.
- Ebenso ist bei der Beantragung von Fördermitteln zu berücksichtigen, dass sich ggf. die Berechtigung zum Vorsteuerabzug bzw. dessen Umfang zum 1. Januar 2023 ändert. Es ist sicherzustellen, dass in den Fördermittelanträgen auch diesbezüglich zutreffende Angaben gemacht werden. Hinsichtlich bereits laufender Fördermittelprojekte ist zu prüfen, ob ggf. Änderungsmitteilungen an den/die Fördermittelgeber erfolgen müssen.
Autor*innen
Torsten Volkmann
Tel: +49 30 208 88 1332
Britta Benkisser
Tel: +49 351 45 15 2201
Haben Sie Fragen oder weiteren Informationsbedarf?
Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 1-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.