Mietvertraglich geschuldete Sollbeschaffenheit vom Vermieter nicht abänderbar durch vom Mieter zu duldende Modernisierungsarbeiten

BGH: Der Vermieter kann die mietvertraglich geschuldete Sollbeschaffenheit auch nicht durch vom Mieter zu duldende Modernisierungsarbeiten abändern. Vom Mieter zu duldende Modernisierungsarbeiten können daher Mängelrechte des Mieters auslösen.
Der BGH hat entschieden (Hinweisbeschluss vom 19. Juli 2022 – VIII ZR 194/21), dass wenn bei einer bei Mietbeginn vorhandenen Gasetagenheizung ein irreparabler Defekt auftritt, der Mieter als vertragsmäßigen Zustand den Einbau einer neuen Gasetagenheizung verlangen kann und der Vermieter diesen vertragsgemäßen Zustand auch nicht einseitig durch den modernisierenden Anschluss der Wohnung an die vorhandene Zentralheizungsanlage ändern kann. Von dem Mieter zu duldende Modernisierungsarbeiten, die zu einer für den Mieter nachteiligen Veränderung des vertraglich geschuldeten Zustands führen, können deshalb Mängelrechte des Mieters auslösen.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um den Ersatz von Aufwendungen für den Austausch einer Gasetagenheizung, die sich in der vom klagenden Mieter 2008 angemieteten Wohnung im Mehrfamilienhaus des beklagten Vermieters befindet. Die Gasetagenheizung dient auch der Warmwasserversorgung der Wohnung. Im Jahr 2015 wurde im Haus eine Zentralheizung mit Warmwasserversorgung eingebaut, an welche die meisten Wohnungen – nicht jedoch die Wohnung des Mieters – angeschlossen wurden.

Am 7. November 2016 zeigte der Mieter dem Vermieter einen nicht mehr zu reparierenden Defekt der Gastherme an, die zum Ausfall der Gasetagenheizung führte. Mit anwaltlichen Schreiben vom 15. und 18. November 2016 forderte er den Vermieter unter Fristsetzung auf, die Beheizbarkeit der Wohnung sowie die Warmwasserversorgung wiederherzustellen. Für den Fall des erfolglosen Fristablaufs wurde die Durchführung einer Ersatzvornahme angekündigt. Der Vermieter bot dem Mieter daraufhin den Anschluss der Wohnung an die im Haus vorhandene zentrale Wärmeversorgungs- und Warmwasseranlage an, was der Mieter ablehnte. Nach fruchtlosem Fristablauf ließ der Mieter die Gastherme zu Kosten von 3.393,35 € austauschen.

Mit der Klage hat der Mieter den Vermieter im Wesentlichen auf Zahlung von Aufwendungsersatz in Anspruch genommen. Während des Prozesses hat der Vermieter mit Schreiben vom 6. Juni 2017 und 18. Juli 2018 die Durchführung von diversen Modernisierungsmaßnahmen gegenüber dem Mieter angekündigt und mit Schriftsatz vom 26. Februar 2017 widerklagend die Duldung folgender Maßnahmen begehrt: Anschluss der Wohnung an die zentrale Wärmeversorgungs- und Warmwasseranlage, Einbau neuer Heizkörper in der Wohnung nebst dazugehörigen Rohren, Abriss der Gasetagentherme nebst Anschlusstechnik.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

Inhalt der Entscheidung

Der BGH hat den Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen Austausches der Gastherme in Höhe von 3.393,35 € gemäß § 536a Abs. Nr. 1 BGB bejaht, da der Vermieter sich im Zeitpunkt des Austausches der Gastherme mit der Behebung des Defekts der Gasetagenheizung und damit der Beseitigung eines Mangels in Verzug befand.

Da Parteiabreden zur Beschaffenheit des Mietgegenstandes fehlten, sei der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand nach § 535 Abs. 1 BGB nach den gesamten Umständen des Mietverhältnisses und den daraus in – ggf. ergänzender – Auslegung abzuleitenden Standards, insbesondere nach dem Mietgegenstand und dessen beabsichtigter Nutzung sowie der Verkehrsanschauung unter Beachtung des in § 242 BGB normierten Grundsatzes von Treu und Glauben zu bestimmen.

Gemessen daran umfasse der vertragsgemäße Gebrauch vorliegend die Überlassung einer funktionsfähigen Gasetagenheizung und damit korrespondierend auch deren Instandhaltung. Denn die Mietwohnung sei von Anfang an mit einer Gasetagenheizung ausgestattet gewesen, die der Wärme- und Warmwasserversorgung der Wohnung diente und damit Teil des von dem Vermieter zu gewährleistenden Wohnstandards war. Unter Berücksichtigung dieser von dem Vermieter zur Verfügung gestellten Ausstattung sei davon auszugehen, dass dem Mieter nicht nur eine Versorgung der Wohnung mit Wärme und Warmwasser ermöglicht werden sollte, sondern der vertragsgemäße Zustand eine Beheizungsmöglichkeit in Form einer Gasetagenheizung umfassen sollte.

Dieser Zustand der Wohnung unterliege im Laufe des Mietverhältnisses selbst dann nicht der einseitigen Bestimmung durch den Vermieter, wenn eine Pflicht des Mieters zur Duldung von Modernisierungsmaßnahmen bestünde. Die Vornahme von Modernisierungsarbeiten führe nicht zu einer Änderung der nach dem Mietvertrag geschuldeten Sollbeschaffenheit der Mietsache. Hierfür gebe es keine Grundlage im Gesetz. Von dem Mieter zu duldende Modernisierungsmaßnahmen, die zu einer für den Mieter nachteiligen Veränderung des vertraglich geschuldeten Zustands des Mietgegenstandes führten, könnten deshalb Mängelrechte des Mieters auslösen. Selbst wenn der Vermieter also den Anschluss an die zentrale Heiz- und Warmwasserversorgung als Modernisierungsmaßnahme begehrt hätte, wäre der Mieter zum Zeitpunkt der Mangelbeseitigung berechtigt gewesen, die Herstellung der Funktionstüchtigkeit der Gasetagenheizung zu verlangen.

Der Vermieter befand sich nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist auch in Verzug. Eine Mahnung gemäß § 286 Abs. 1 BGB lag vor. Dem Eintritt des Verzugs steht auch nicht entgegen, dass der Vermieter den Anschluss an die zentrale Warmwasserversorgungs- und Heizungsanlage des Mietgegenstands angeboten hat. Ein solches Angebot entsprach nicht der geschuldeten Leistung, denn der Vermieter hat nicht die Wiederherstellung einer funktionsfähigen Gasetagenheizung angeboten.

Fazit und Ausblick

Die Entscheidung setzt den Hinweisbeschluss des BGH vom 12. Oktober 2021 (VIII ZR 51/20) inhaltlich fort. Darin hatte der BGH letztlich entschieden, dass eine vom Mieter zu duldende Verkleinerung des zur Mitbenutzung überlassenen Fahrradkellers (von 49 m² auf 7 m²) Minderungsrechten des Mieters nicht entgegenstehe, da die vertraglich festgelegte Sollbeschaffenheit des Mietgegenstandes nicht durch die Modernisierungsmaßnahmen verändert werde.

Vor dem Hintergrund der Energiewende und höheren Kosten dürfte eine Vielzahl an Gesetzen – z. B. das Gesetz zur Aufteilung der Kohlendioxidkosten – Vermietern künftig erhebliche Anreize für Modernisierungsmaßnahmen bieten und diese vermehrt zur Durchführung von energetischen Modernisierungsmaßnahmen gemäß § 555 b Nr. 1 BGB veranlassen. Die beiden BGH-Entscheidungen zeigen aber auf, dass die Durchführung von energetischen Modernisierungsmaßnahmen mit erheblichen Risiken für Vermieter verbunden ist.

Der gewisse Widerspruch liegt hier darin, dass dem Mieter trotz Duldungspflicht bezüglich einer Modernisierungsmaßnahme Mängelrechte zustehen können. Dies wiederum könnte den Vermieter sogar dazu veranlassen, keine risikoreichen Modernisierungsmaßnahmen durchzuführen. Unklar ist, wie dieses „Dilemma“ gelöst werden kann. Denkbar wäre etwa, dem Vermieter ein gewisses Gestaltungsrecht zur Änderung der Sollbeschaffenheit des Mietgegenstandes durch Ausführung von Modernisierungsmaßnahmen einzuräumen. Dieses Recht könnte als Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB eingeordnet werden, sodass der Vermieter die Grenzen des „billigen Ermessens“ einzuhalten hätte. Allerdings müssten derartige Grenzen auch wiederum von der Rechtsprechung näher definiert werden.  

Autor

Christoph von Loeper
Tel: +49 30 208 88 1412

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Immobilienrecht Newsletter 3-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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