Bürokratieentlastungsgesetz IV – Abschaffung der Schriftform für Gewerberaummietverträge?

Die Bundesregierung hat am 30. August 2023 unter dem Motto „Unnötige Bürokratie abbauen – Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen und Verwaltung entlasten“ ein Eckpunktepapier für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) veröffentlicht.

Bei Durchsicht des Eckpunktepapiers fällt der Immobilienbranche v. a. eine Formulierung sofort auf: „Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) wollen wir Schriftformerfordernisse insbesondere im Vereins-, Schuld- und Mietrecht aufheben. Beispielsweise soll das Schriftformerfordernis für Mietverträge über Gewerberäume gestrichen werden.“

Eine Abschaffung des Schrifterfordernisses für Gewerberaummietverträge? Während manche geneigt sein mögen, diese Frage positiv zu beantworten, drängt sich für andere die Folgefrage auf, wie dann künftig in der Praxis v. a. mit langfristigen Mietverträgen umzugehen sein soll. Der nachfolgende Beitrag soll einen Überblick über die Grundsätze des Schriftformerfordernisses und damit verbundene Reformvorhaben geben.

Grundsätze des Schriftformerfordernisses

Mietverträge sind grundsätzlich formfrei. Sie unterliegen jedoch, wenn sie länger als ein Jahr bestehen sollen, gemäß § 550 BGB der Schriftform. Schriftform bedeutet dabei mit Blick auf § 126 BGB im Grundsatz, dass eine schriftliche Mietvertragsurkunde vorliegen muss, die von den Mietvertragsparteien eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet wird. Bei nachträglichen Änderungen oder Ergänzungen des Mietvertrages, jedenfalls bei vertragswesentlichen Punkten, ist das Schriftformerfordernis ebenfalls einzuhalten – in der Regel durch ebenfalls der Schriftform entsprechende Nachträge. Ein formunwirksamer Nachtrag kann die Formwirksamkeit sämtlicher vorangegangener Mietvertrags- und Nachtragsurkunden verletzen.

Rechtsfolge eines Schriftformverstoßes, sei es im Mietvertrag oder in späteren Nachträgen zum Mietvertrag, ist nicht die Unwirksamkeit des Mietvertrages, sondern die Unwirksamkeit der Laufzeitvereinbarung des Mietvertrags. Das bedeutet, der Mietvertrag besteht wirksam, gilt jedoch als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Der Mietvertrag ist dann, obwohl an sich eine bestimmte Festlaufzeit vereinbart wurde, von beiden Parteien jederzeit mit der gesetzlichen Frist ggf. vorzeitig kündbar. Dies kann in der Praxis v. a. bei langfristigen Gewerbemietverträgen und damit zusammenhängenden Standortentscheidungen sowie getätigten Investitionen zu erheblichen Risiken führen – sowohl für Mieter als auch für Vermieter und Investoren.

Hauptzweck des Schriftformerfordernisses ist der Schutz des Grundstückserwerbers, der kraft Gesetzes gemäß § 566 BGB mit dem Eigentumsübergang automatisch als neuer Vermieter anstelle des bisherigen Eigentümers in einen bestehenden Mietvertrag eintritt. Der Erwerber soll erkennen können, in welche mietvertraglichen Vereinbarungen er eintritt und insbesondere, für welche Dauer. Zwar tritt ein Erwerber nach dem Gesetz auch in nicht schriftformwahrende und ggf. sogar nur mündliche geschlossene Mietverträge sowie Abreden zum Mietvertrag ein. Die Möglichkeit einer vorzeitigen Kündbarkeit des Mietvertrages in der gesetzlichen Kündigungsfrist, wenn dieser eben nicht der strengen Schriftform entspricht, soll den Erwerber dann jedoch davor schützen, langfristig an ihm vorab nicht zu erkennende Regelungen und Vereinbarungen gebunden zu sein.

Rückblick

Die zum Schriftformerfordernis in Politik und Rechtswissenschaft zuletzt diskutieren Ansätze sind vielseitig und reichen von einer Beibehaltung über die ersatzlose Streichung bis hin zur Einführung einer gesetzlichen Schriftformheilungsklausel. Sogar über die Streichung des Schriftformerfordernisses unter Einrichtung eines öffentlichen Registers, in dem Mietverträge zum Schutz des Erwerbers erfasst werden könnten, wurde diskutiert.

Der Bundesrat hat Ende 2019 eine Gesetzesinitiative eingebracht und unter Streichung des § 550 BGB eine Ergänzung des § 566 BGB um einen neuen Absatz 3 vorgeschlagen. Danach wäre lediglich der Erwerber, nicht aber die bisherigen Parteien des Mietvertrages, zur Kündigung des Mietverhältnisses nach den gesetzlichen Vorschriften berechtigt gewesen, wenn der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen wurde. Die Initiative des Bundesrates wurde u. a. deshalb kritisiert, weil sie den Mieter einseitig benachteilige, wenn dieser selbst nicht mehr kündigen könne. Der Bundestag hat den Gesetzentwurf abgelehnt.

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat sodann am 26. Oktober 2021 einen Diskussionsentwurf zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht vorgelegt. Danach soll ein neuer § 578a BGB in das Gesetz eingefügt werden. Bei Gewerbemietverhältnissen soll für den Abschluss des Mietvertrages für längere Zeit als ein Jahr weiterhin das Schriftformerfordernis gelten, für Rechtsgeschäfte zur Änderung des Mietvertrages soll hingegen die Textform ausreichen.

Die Einführung der Textform, also z. B. per E-Mail, könne nach dem BMJ zur Vereinfachung beitragen, ohne auf eine Dokumentation der Änderung, insbesondere mit Blick auf den Erwerber, gänzlich zu verzichten. Im Entwurf wird sodann vorgeschlagen, bei Nichteinhaltung der Textform die Nichtigkeit der Vertragsänderung eintreten zu lassen, ohne dass die Wirksamkeit des Mietvertrages (im Übrigen) berührt wird.

Mögliche Vorteile und Risiken einer Streichung des Schriftformerfordernisses

Für eine sinnvolle Modifikation des Schriftformerfordernisses spricht, dass dieses in der Praxis oftmals zu hohen formalen Hürden führt und daher fehleranfällig ist. Häufig treffen Mietvertragsparteien (unbewusst) formunwirksame nachträgliche Abreden zum Mietvertrag. Beispielhaft sei hier genannt, dass per E-Mail eine durchaus vertragswesentliche Änderung vorgeschlagen wird, die die andere Partei lediglich per E-Mail bestätigt, was bereits eine schriftformwidrige Nebenabrede darstellt, wenn die Parteien die so beschlossene Vertragsänderung tatsächlich umsetzen. Insbesondere läuft das Schriftformerfordernis daher den v. a. zwischen Geschäftsleuten gängigen modernen kommunikativen (elektronischen) Austauschmethoden eigentlich zuwider, da es gerade nicht zur Dynamisierung und Vereinfachung bei Vertragsschluss und Vertragsänderungen beiträgt. Schließlich wird das Schriftformerfordernis auch häufig als Ausstiegsszenario dazu genutzt, unliebsam gewordene Mietverträge „loszuwerden“.

Der Schutz des Erwerbers sollte demgegenüber jedoch ernst genommen werden. Bei einer (ersatzlosen) Streichung des Schriftformerfordernisses müsste der Erwerber u. U. ungeahnte Überraschungen in Form von mündlichen Vertragsvereinbarungen hinnehmen, ohne sich durch vorzeitige Kündigung von einer langfristigen Vertragslaufzeit lösen zu können. Diese sich aus dem vorzeitigen Kündigungsrecht bei Schriftformverstößen ergebende Gelegenheit des Erwerbers/ Vermieters – gerade auch als Verhandlungsargument gegen unbekannte und unliebsame Forderungen des Mieters – ist in der Praxis nicht zu unterschätzen.

Ausblick

Die Gesetzesinitiativen, Vorschläge und Diskussionsgrundlagen der letzten Jahre dürften keinen Zweifel daran lassen, dass früher oder später eine relevante Änderung des Schriftformerfordernisses umgesetzt werden dürfte. Die Diskussion bleibt im Fluss. Eine weitere Gesetzesinitiative darf mit Spannung erwartet werden, insbesondere auch deshalb, weil im Eckpunktepapier zum BEG IV nun wieder recht pauschal von einer Streichung des Schriftformerfordernisses für Mietverträge über Gewerberäume gesprochen wird. Ob damit tatsächlich eine vollständige und ersatzlose – und insoweit wenig praktikable – Streichung gemeint ist, bleibt abzuwarten.

Autor

Julian Bühler
Tel: +49 711 666 31 803

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Immobilienrecht Newsletter 3-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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