„Berliner Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“ steckt neue Ziele
Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen
„Das Wohnen ist zur sozialen Frage unserer Zeit geworden, auf die wir entschieden reagieren wollen (…).“ Mit diesen Worten beginnt die gemeinsame Vereinbarung des Berliner Bündnisses für Wohnungsbau und bezahlbares Wohnen, welche von den Mitgliedern am 20. Juni 2022 unterzeichnet wurde.
Hintergrund
Das Bündnis war zu Beginn der Legislaturperiode vor allem auf Wunsch der Berliner SPD gegründet worden. Teil des Bündnisses sind unter anderem Vertreter des Landes Berlin, der kommunalen und privaten Wohnungswirtschaft sowie der Industrieund Handelskammer Berlin. Das Bündnis hat sich in der Vereinbarung zu den zentralen Themen schneller und bezahlbarer Wohnungsneubau, Mietentwicklung und Mieterschutz sowie Städtebau und Architektur verständigt. Es soll ungefähr die Hälfte der Berliner Wohnungen repräsentieren, so die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey. Auch die private Wohnungsgesellschaft Vonovia unterzeichnete die Vereinbarung, die bis zum 20. Juni 2027 gilt. Zu beachten ist, dass mit der Vereinbarung keine Übereinkünfte getroffen wurden, die zugunsten von Berliner Mietern verbindlich gelten oder einklagbar sind.
Im Folgenden sollen nur einige zentrale Punkte zum berechtigten Personenkreis sowie der Begrenzung der Miethöhe vorgestellt werden.
Vergabe von 30 % der Wohnungen an WBS-berechtigte Haushalte bei der Wiedervermietung
Zur Erhaltung einer „sozial gemischten Vermietungsstruktur“ verpflichten sich die teilnehmenden großen privaten Wohnungsunternehmen (ab 3.000 Wohneinheiten im Eigenbestand in Berlin), in der Wiedervermietung 30 % der Wohnungen an Haushalte zu vergeben, die ein Einkommen haben, mit dem sie Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein („WBS“) haben. Das heißt, die Mieter müssen nicht tatsächlich einen WBS besitzen, sondern lediglich die Kriterien erfüllen, welche sie für einen WBS berechtigen würden. Ob ein Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein besteht, richtet sich nach der jeweiligen Haushaltsgröße und dem Bruttoeinkommen. Die Anzahl der Vermietungen an WBS-berechtigte Haushalte soll dem Land Berlin einmal jährlich gemeldet werden.
Mieterhöhungen bei WBS-berechtigten Haushalten auf 30 % des Einkommens gedeckelt
Die Bündnispartner werden Erhöhungen der Nettokaltmiete, die bei WBS-berechtigten Haushalten zu Belastungen von mehr als 30 % des Haushaltsnettoeinkommens führen, nicht durchführen. Wohngeld und ähnliche Leistungen werden in die Ermittlung der 30 %-Grenze einbezogen. Die Anzahl der Erhöhungsverzichte wird dem Land Berlin einmal jährlich angezeigt.
Kappungsgrenze für Bestandsmieten auf max. 11 % begrenzt
Auf Bundesebene hatte die Ampel-Koalition in ihrem Koalitionsvertrag bereits angekündigt, die sog. Kappungsgrenze für Mieterhöhungen in angespannten Wohnungsmärkten im Gesetz von 15 % auf maximal 11 % in drei Jahren absenken zu wollen. In der Vereinbarung verpflichten sich die großen privaten Wohnungsunternehmen, sich an dieser neuen mietsenkenden Kappungsgrenze zu orientieren. Sie werden außerdem für WBS-berechtigte Haushalte bis zum 31. Dezember 2023 Mieterhöhungen um jährlich maximal 2 % vornehmen.
Fazit und Ausblick
Nachdem der „Berliner Mietendeckel“ im April 2021 vom Bundesverfassungsgericht mangels Landeskompetenz für nichtig erklärt wurde, versucht die Berliner Regierung nun über vertragliche Vereinbarungen flächendeckend die Mieten zu „deckeln“. Ende Mai 2022 schlugen die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und Bausenator Andreas Geisel allerdings noch vor, dass Vermieter sich freiwillig dazu verpflichten, generell Mieten auf maximal 30 % des Haushaltseinkommens zu begrenzen. Dieser Vorschlag wurde aber aus Angst davor, dass Vermieter dann künftig nur noch an finanzstarke Mieter vermieten würden, letztlich nicht umgesetzt.
Der Inhalt der aktuellen Vereinbarung bleibt auch deutlich hinter der im April 2021 getroffenen Kooperationsvereinbarung zwischen dem Berliner Senat und den Berliner Wohnungsbaugesellschaften zurück, nach welcher grundsätzlich 60 % der jährlich zur Wiedervermietung kommenden Wohnungen im Bestand der städtischen Wohnungsbaugesellschaften an WBS-berechtigte Haushalte vermietet werden sollen und WBS-berechtigte Mieter beim Vermieter im Rahmen einer Härtefallregelung beantragen können, dass die Nettokaltmiete bei Bestandsmieten auf 30 % des Haushaltsnettoeinkommens reduziert wird.
Insgesamt bleibt abzuwarten, ob das Bündnis einen „Erfolg“ darstellt. Einige Interessensvertreter haben sich geweigert, die Vereinbarung zu unterschreiben. So zum Beispiel der Berliner Mieterverein sowie der Zentrale Immobilien-Ausschuss (ZIA). Während der Berliner Mieterverein die Vereinbarung als „Worte ohne Wert“ ansieht, gingen dem ZIA die Verpflichtungen wiederum zu weit.
An der Vereinbarung lässt sich kritisieren, dass ein erheblicher Bürokratieaufwand zu befürchten ist, da Vermieter nun sowohl zu Beginn des Mietverhältnisses untersuchen müssen, ob ein Mieter WBS-berechtigt ist, als auch bei jeder Mieterhöhung das Haushaltseinkommen des Mieters überprüfen müssen. Zudem ist unklar, inwiefern fortwährend Aufklärungspflichten von Mietern hinsichtlich etwaiger Einkommenserhöhungen bestehen und durch diese die Begrenzung der Mieterhöhungen auf 30 % nachträglich wieder unterschritten würde.
Autor
Christoph von Loeper
Tel: +49 30 208 88 1422
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Immobilienrecht Newsletter 3-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.