BGH – Corona-Schäden können von Betriebsschließungsversicherungen umfasst sein

Der BGH hat entschieden (Urteil vom 18. Januar 2023 – IV ZR 465/21), dass Versicherungsnehmer, die ihren Betrieb im Corona-Lockdown aufgrund behördlicher Anordnung (teil-)schließen mussten und in deren Versicherungsvertrag keine versicherten Krankheiten namentlich aufgelistet sind, von ihren Versicherern ab dem 23. Mai 2020 (Tag der Aufnahme von Covid-19 in das Infektionsschutzgesetz) die Versicherungsleistungen verlangen können. Dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Covid-19 noch nicht im Infektionsschutzgesetz enthalten war, ist unerheblich, da im Zweifel der Zeitpunkt des Schadeneintritts maßgeblich ist.

Sachverhalt

Mit Allgemeinverfügung vom 18. März 2020 untersagte der zuständige Landkreis den Betreibern von Beherbergungsstätten, Personen zu touristischen Zwecken zu beherbergen. Nach vorübergehender Lockerung der Maßnahmen war es Beherbergungsstätten ab dem 2. November 2020 erneut untersagt, Übernachtungen zu touristischen Zwecken anzubieten.

Der Kläger hält bei dem beklagten Versicherer eine sogenannte Betriebsschließungsversicherung. Er begehrt aufgrund der teilweisen Einstellung seines Hotelbetriebs in der Zeit vom 18. März bis zum 25. Mai 2020 Entschädigungsleistungen sowie die Feststellung, dass der Versicherer verpflichtet ist, ihm den aus der erneuten Schließung ab dem 2. November 2020 entstandenen Schaden zu ersetzen. Dem Versicherungsvertrag lagen Versicherungsbedingungen (VB) zugrunde, wonach die in den §§ 6 und 7 Infektionsschutzgesetz namentlich genannten Krankheiten versichert sind und der Versicherungsnehmer bei einer behördlichen Vollschließung oder Teilschließung des Betriebs aufgrund dieser Krankheiten zu entschädigen ist.

Der Versicherer hatte sich geweigert, die während der Schließung entstandenen Schäden zu ersetzen. Dabei hatte er sich darauf berufen, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Covid-19 noch nicht als Krankheit im Infektionsschutzgesetz aufgenommen war.

Inhalt der Entscheidung

Der BGH entschied, dass bei Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungsversicherung, die hinsichtlich des Versicherungsschutzes bei einer behördlich angeordneten Betriebsschließung eine reine Verweisung – ohne eigenen Krankheits-Katalog – auf die namentlich genannten Krankheiten gemäß §§ 6 und 7 Infektionsschutzgesetz vorsehen, kein Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers für den ersten Corona-Lockdown ab März 2020 bestehe. Hinsichtlich des zweiten Lockdowns ab November 2022 bestehe dagegen ein Leistungsanspruch wegen der zwischenzeitlichen Aufnahme von Covid-19 in das Infektionsschutzgesetz.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, welche Krankheiten von der Versicherungsleistung umfasst seien, sei der Zeitpunkt des Schadeneintritts beim Versicherungsnehmer und nicht der Vertragsschluss. Dies folge aus der „Unklarheitenregelung“ gemäß § 305 c Abs. 2 BGB. Für den Versicherungsnehmer sei aus den Vertragsbedingungen nämlich nicht ersichtlich, auf welchen Zeitpunkt es für den Leistungsanspruch ankomme. Diese Auslegungsunsicherheit gehe zulasten des Versicherers als Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Da ausdrücklich auch Teilschließungen mitversichert waren, war die Frage, ob die Beschränkungen auf touristische Übernachtungen (Geschäftsreisende durften ja weiterhin beherbergt werden) einer vollständigen Schließung gleichzustellen sind, nicht entscheidungserheblich.

Fazit und Ausblick

In unserem Newsletter Immobilienrecht 2/2022 hatten wir bereits das erste Urteil des BGH zu Leistungen aus Betriebsschließungsversicherungen während des Corona-Lockdowns vorgestellt. Der BGH hatte entschieden (Urteil vom 26. Januar 2022 – IV ZR 144/21), dass der Versicherungsnehmer keinen Leistungsanspruch aus Versicherungen habe, die zwar auf die §§ 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes verweisen, zugleich aber einen eigenen abschließenden Krankheiten-Katalog enthalten, in dem Covid-19 nicht aufgeführt ist.

In der hier besprochenen Entscheidung hatte der BGH dagegen zu Versicherungen ohne Katalog zu entscheiden, die hinsichtlich des Versicherungsumfangs schlicht auf die §§ 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes verweisen. Diese Form des Verweises kommt selten vor. In den meisten Fällen sind die Krankheiten in den Versicherungen abschließend aufgelistet und daher nach Vertragsschluss auch nicht „dynamisch erweiterbar“. Die Entscheidung des BGH ist insgesamt folgerichtig und nachvollziehbar: Ein Leistungsanspruch kann nur dann bestehen, wenn zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles die Krankheit bereits im Infektionsschutzgesetz aufgenommen war. Dass im Zweifel formularvertraglich der für den Versicherungsnehmer günstigere Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses für das Leistungsversprechen des Versicherers maßgeblich sein soll – und nicht der Vertragsschluss – dürfte bei Versicherern zu Anpassungen der Vertragsbedingungen führen.

Autor

Christoph von Loeper
Tel: +49 30 208 88 1422

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Immobilienrecht Newsletter 2-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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