BGH – Zum Gesamtschuldverhältnis zwischen Architekt und Bauunternehmer bei Verfehlungen des Architekten in der Leistungsphase 9

In dem vom BGH zum Aktenzeichen VII ZR 90/22 verhandelten Revisionsverfahren hatte sich dieser im Kern mit der Frage zu befassen, wann Architekt und Bauunternehmer gesamtschuldnerisch gegenüber dem Bauherrn haften und unter welchen Voraussetzungen dem Architekten im Innenverhältnis etwaige Ausgleichsansprüche gegen den Bauunternehmer zustehen können.

Sachverhalt

Der Bauherr hatte den Architekten im Zusammenhang mit der Errichtung eines Einfamilienhauses mit den Leistungsphasen 1–9 gemäß HOAI beauftragt. Vertraglich war eine Teilabnahme nach Leistungsphase 8 (Objektüberwachung) vorgesehen. Die bauausführenden Gewerke wurden im Wege der Einzelvergabe vergeben. Die Abnahme der Werkleistungen der Bauunternehmer und die Teilabnahme der Leistungsphasen 1–8 des Architekten erfolgten in den Jahren 2004 und 2005. Im Jahr 2005 rügte der Bauherr Feuchtigkeit in mehreren Räumen und an der Fassade des Hauses.

Der Architekt unterließ nach Ansicht des Bauherrn die erforderlichen sachverständigen Untersuchungen, weshalb er diesen im Jahr 2011 in einem vorgeschalteten Rechtsstreit wegen Verletzung von Pflichten aus dem Architektenvertrag gerichtlich in Anspruch nahm – konkret wegen des Ausfalls von Gewährleistungsansprüchen gegen die bauausführenden Unternehmen. Der Architekt berief sich auf Verjährung. Da jedoch zumindest Ansprüche wegen der Verletzung von Pflichten aus der Leistungsphase 9 (Objektbetreuung, Objektbegehung) noch nicht verjährt und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch begründet waren, verpflichtete sich der Architekt im Ergebnis zur vergleichsweisen Zahlung von 225.000,00 € an den Bauherrn.

Im hiesigen Rechtsstreit versuchte nun der Versicherer des Architekten (aus übergegangenem Recht), sich die an den Bauherrn gezahlten Kosten im Wege eines sog. Gesamtschuldnerausgleichsanspruchs von dem Bauunternehmer, der den Feuchtigkeitsmangel grundsätzlich zu vertreten hatte, teilweise erstatten zu lassen.

Gesetzlicher Rahmen

Im Ausgangspunkt sehen die gesetzlichen Regelungen (§§ 421 ff. BGB) vor, dass ein Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner fordern kann, sofern mehrere eine Leistung in der Weise schulden, dass jeder grundsätzlich die ganze Leistung bewirken muss, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist. Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt auch für die übrigen Schuldner. Im Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern besteht dann im Grundsatz ein Ausgleichsanspruch.

Entscheidung des BGH

Der BGH folgte der Sicht der Vorinstanzen und wies die Klage des Versicherers mit Urteil vom 1. Dezember 2022 ab. Voraussetzung einer gesamtschuldnerischen Haftung sei, dass zwischen den Schuldnern aufgrund einer „Gleichstufigkeit“ der Verpflichtungen eine Tilgungsgemeinschaft bestehe. An dieser fehle es, wenn der Leistungszweck der einen gegenüber der anderen Verpflichtung nachrangig sei.

Der Senat folgert, dass ein Gesamtschuldnerausgleichsanspruch daher in der Konstellation nicht bestehe, dass dem Bauherrn einerseits ein Schadensersatzanspruch gegen den Architekten wegen Verletzung der vertraglich vereinbarten Objektbetreuungspflicht (Leistungsphase 9) zusteht und andererseits Mängelansprüche gegen den Bauunternehmer wegen diesem zuzurechnender Mängel des Bauwerks. Denn während die vertraglichen Verpflichtungen des Bauunternehmers (und die des Architekten aus den Leistungsphasen 1–8) auf die mangelfreie Errichtung des Hauses bezogen seien, beginne die Verpflichtung des Architekten aus der Leistungsphase 9 (Objektbetreuung, Objektbegehung) erst, wenn das Bauwerk bereits errichtet und die Werkleistungen der Bauunternehmer abgenommen seien. Erst mit Eintritt der Verjährung der gegen den Bauunternehmer gerichteten Mängelansprüche sei der Schadensersatzanspruch gegen den Architekten überhaupt entstanden. Eine Erfüllung der Mängelansprüche durch den Bauunternehmer vor Eintritt der Verjährung hätte daher nicht dazu geführt, dass der Architekt von seiner Schadensersatzpflicht befreit worden wäre, sondern dazu, dass eine solche gar nicht erst entstanden wäre.

Architekt und Bauunternehmer hätten also nicht – jeder auf seine Art – für die Beseitigung desselben Schadens einzustehen. Mit anderen Worten: Der Bauherr hätte im konkreten Fall nicht nach seiner Wahl den Bauunternehmer oder den Architekten auf Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden oder diesbezüglichen Schadensersatz in Anspruch nehmen können – nicht jedenfalls, wenn sich die Pflichtverletzung des Architekten erst in der Leistungsphase 9 ergibt.

Fazit und Ausblick

Der Entscheidung des BGH ist zu entnehmen, dass eine gesamtschuldnerische Haftung von Architekt und Bauunternehmer nur wegen Verfehlungen des Architekten während der Leistungsphasen 1–8, also während der Errichtungsphase, in Betracht kommt. Für den Architekten ergeben sich damit in der Leistungsphase 9 nochmals gesteigerte Sorgfaltsanforderungen, da etwaige Ausgleichsansprüche gegenüber dem Bauunternehmer mangels Gesamtschuldnerstellung nicht in Betracht kommen.

Autor

David Pamer
Tel: +49 30 208 88 1167

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Immobilienrecht Newsletter 2-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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