
Gewerbemietverträge: Von der Schriftform zur Textform
Gewerbemietverträge: Schriftform zu Textform
Die ehemalige Ampel-Koalition veröffentlichte am 30. August 2023 unter dem Motto „Unnötige Bürokratie abbauen – Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen und Verwaltung entlasten“ ein Eckpunktepapier für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV), das auch die Aufhebung der Schriftform in Gewerbemietverträgen vorsah (vgl. den Artikel in unserem Newsletter „Update Immobilienrecht“ 3/2023). Der korrespondierende Gesetzesentwurf wurde schließlich am 26. September 2024 vom Deutschen Bundestag beschlossen. Der Bundesrat hat am 18. Oktober 2024 zugestimmt. Das BEG IV tritt hinsichtlich der für Gewerbemietverträge relevanten Änderung der Schriftform am 1. Januar 2025 in Kraft.
Bisherige Rechtslage: Schriftformerfordernis in Gewerbemietverträgen
Gemäß § 578 BGB ist bei Gewerbemietverträgen das gesetzliche Schriftformerfordernis gemäß § 550 BGB entsprechend anzuwenden. Der Schriftform unterliegen daher Gewerbemietverträge, die für längere Zeit als ein Jahr abgeschlossen werden. Die Prüfung der Schriftform nimmt insbesondere bei der immobilienrechtlichen Due Diligence regelmäßig einen Schwerpunkt ein. Grund dafür ist, dass bei Nichteinhaltung der Schriftform der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt und von den Vertragsparteien mit den (kurzen) gesetzlichen Kündigungsfristen gekündigt werden kann. Dies kann für Mieter den Verlust ihres wesentlichen Betriebsstandortes und für den Vermieter den Verlust von sicher eingeplanten Mieteinnahmen bedeuten. Schriftform bedeutet vor allem, dass eine schriftliche Mietvertragsurkunde vorliegen muss, die von den Mietvertragsparteien eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet wird, und dass die vertragswesentlichen Abreden (u. a. Parteien, Mietgegenstand, Miete, Laufzeit) in der Urkunde hinreichend bestimmbar enthalten sind. Das Schriftformerfordernis gilt auch bei Änderungen des Mietvertrags.
Neue Rechtslage: von der Schriftform zur Textform
Durch das BEG IV wird zunächst der Normverweis auf § 550 BGB gestrichen. Sodann wird § 578 Abs. 1 BGB wie folgt ergänzt:
„§ 550 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr nicht in Textform abgeschlossen wird, für unbestimmte Zeit gilt“.
In Artikel 15 des BEG IV wurde ferner eine Überleitungsvorschrift wie folgt eingeführt:
„Auf Mietverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2025 entstanden sind, ist § 578 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis einschließlich 31. Dezember 2024 geltenden Fassung bis einschließlich 1. Januar 2026 weiter anzuwenden. Abweichend von Satz 1 ist auf Mietverhältnisse nach Satz 1, deren Änderung ab dem 1. Januar 2025 vereinbart wird, bereits ab dem Zeitpunkt der Änderungsvereinbarung § 578 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung vom 1. Januar 2025 anzuwenden.“
Zusammengefasst dürfte daraus zu folgern sein:
Für Gewerberaummietverträge, die ab dem 1. Januar 2025 abgeschlossen werden, gilt ausschließlich die neue Rechtslage mit dem Textformerfordernis.
Für Gewerberaummietverträge, die bis zum 31. Dezember 2024 abgeschlossen worden sind und für die ab dem 1. Januar 2025 keine Änderung vereinbart wird, gilt bis zum 31. Dezember 2025 noch die alte Rechtslage. Das heißt, dass in diesem Zeitraum die Kündigung eines Gewerberaumietvertrages noch auf einen Schriftformverstoß gestützt werden kann, auch wenn die Textform gewahrt ist.
Für Gewerberaummietverträge, die bis zum 31. Dezember 2024 abgeschlossen worden sind, gilt die neue Rechtslage, wenn für diese ab dem 1. Januar 2025 eine Änderung vereinbart worden ist. Nach der Gesetzesbegründung (vgl. Seite 102 der BT-Drucksache 20/11306) gilt das Textformerfordernis dann für den gesamten Vertrag. War also der Ursprungsmietvertrag schriftformwidrig, aber textformkonform, scheidet eine vorzeitige Kündigung unter Berufung auf den Schriftformmangel aus.
Was bedeutet Textform?
Die Textform ist in § 126b BGB geregelt. Es genügt eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist und die auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird. Textform bedeutet also insbesondere Erklärungen per E-Mail, Fax, Brief, (Papier-)Ausdruck, ggf. auch ohne Unterschrift, SMS oder andere elektronische Dokumente. Zugespitzt ausgedrückt: Künftig erscheint es zumindest denkbar, den fünfjährigen Büromietvertrag – formgerecht! – per SMS abzuschließen, wenn die Anforderungen des § 126b BGB eingehalten sind.
Fazit und Folgen für die Praxis
Die Schriftform wird im Grundsatz ab dem 1. Januar 2025 nicht mehr die vom Gesetz verlangte Form für langfristige Gewerbemietverträge, wie auch Pachtverträge sein. Auswirkungen auf Wohnraummietverträge bestehen dagegen nicht. Betrachtet man die „Historie“ zur Schriftform, insbesondere die hierzu ergangene unzählige Rechtsprechung und (Kommentar-)Literatur sowie gescheiterten gesetzlichen Änderungsinitiativen, darf die Herabstufung des Formerfordernisses durchaus als Revolution bezeichnet werden. Mit Spannung blicken wir daher auf die immobilienrechtliche Rechtsprechung und Praxis, die sich mit den neuen Anforderungen sowie Folgen für die Due Diligence und die Gestaltung von Kaufverträgen auseinandersetzen werden. Folgende Themen- und Problemfelder seien beispielhaft genannt:
Für die immobilienrechtliche Due Diligence bedeutet die Einführung der Textform theoretisch, dass der Erwerber künftig den gesamten Mail- und Schriftverkehr prüfen muss. Nur so kann verhindert werden, dass etwaige in Textform getroffene Nebenabreden nicht übersehen werden. Die Leistbarkeit dieser Prüfung wird vom Einzelfall abhängen, tendenziell dürfte der damit verbundene Bereitstellungs- und Prüfungsaufwand aber zu groß sein. Aus Erwerbersicht ist daher zu überlegen, wie Risiken abgesichert werden können. Denkbar ist, dass man den Prüfungsumfang auf die vom Verkäufer als „mietvertragsrelevant“ eingeschätzten Dokumente festlegt und zusätzliche Verkäufergarantien verlangt, die darauf gerichtet sind, dass keine darüber hinausgehenden Nebenabreden in Textform bestehen („Vollständigkeitsgarantie“).
Ferner stellt sich die Frage, wie Unklarheiten über den Vertragsinhalt oder unbeabsichtigte Nebenabreden in Textform künftig verhindert werden können. Zunächst sollten auch künftig alle Vereinbarungen zwischen den Mietvertragsparteien dokumentiert werden. Empfohlen wird beispielsweise, künftig in der Mailkorrespondenz oder im Schriftverkehr deutlich darauf hinzuweisen, ob man noch verhandelt oder ob bereits eine vertragliche Einigung vorliegt. Andernfalls könnten Unklarheiten bezüglich des vereinbarten Inhalts des Mietvertrages oder unbeabsichtigte textformkonforme Nebenabreden entstehen. Wie realistisch und praxistauglich das ist, steht auf einem anderen Blatt. Auch der Nachweis des Zugangs einer E-Mail dürfte schwieriger werden. Eine Zustellung durch Einwurfeinschreiben, wie dies bei Dokumenten in Papierform möglich ist, gibt es bei E-Mails nicht. Zwar kann man vom Empfänger eine Empfangs- oder Lesebestätigung anfordern. Bestätigt der Empfänger den Zugang der E-Mail aber nicht, wird man diesen kaum nachweisen können.
Nichts dürfte die Einführung der Textform am Erfordernis der einheitlichen Vertragsurkunde ändern: Werden insbesondere Anlagen dem Vertrag nicht beigefügt oder widersprechen sich Anlageninhalt und Vertragstext in nicht aufklär- bzw. auslegbarer Weise, kann ein Verstoß gegen die Textform vorliegen. Auch die Textform vermag daher das Risiko eines Formverstoßes und darauf gestützte Kündigungen künftig nicht zu beseitigen.
Ob das BEG IV die erhofften Erleichterungen bringt, bleibt abzuwarten. Es entstehen jedenfalls auch neue Unsicherheiten in der Praxis, die insbesondere in der Due Diligence und Vertragsgestaltung neue Herausforderungen mit sich bringen werden. Unsere mit den neuen Anforderungen vertrauten Immobilienrechtsanwält*innen unterstützen Sie gerne.
Dies ist ein Beitrag aus unserem Immobilienrecht Newsletter 1-2025. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.
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