BGH: Unzulässige Nutzung einer Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 15. Juli 2022 (V ZR 127/21) entschieden, dass die Nutzung einer Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken in einem der gewerblichen Nutzung vorbehaltenen Gebäudeteil einer gemischt genutzten Anlage bei typisierender Betrachtung regelmäßig stört und daher Unterlassung dieser Wohnnutzung verlangt werden kann.

Sachverhalt

Der Kläger verlangte von dem Beklagten Unterlassung der Wohnnutzung einer Teileigentumseinheit. Diese diente ursprünglich zum Betrieb einer Zahnarztpraxis und wurde 2018 zu Wohnzwecken umgebaut und seither als Wohnung genutzt.

Die Teilungserklärung sieht eine räumliche Trennung von Wohnen und Gewerbe vor. Es gibt einige Einheiten als Wohnungen im Dachgeschoss und die übrigen Einheiten sind Teileigentumseinheiten. Die Ausübung eines Berufs oder Gewerbes in einer Wohnung bedurfte der schriftlichen Zustimmung des Verwalters. Umgekehrt war eine Nutzungsänderung der Teileigentumseinheiten zu Wohnzwecken mit Verwalterzustimmung nicht vorgesehen:

Mit der Revisionsbegründung reichte der Beklagte ein Schreiben des Hausverwalters ein, wonach die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer der weiteren Rechtsverfolgung durch den Kläger widersprach. Der Kläger erklärte den Rechtsstreit daraufhin für erledigt.

Inhalt der Entscheidung

Der BGH bejaht den Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, da nach seiner Auffassung die zweckwidrige Wohnnutzung der Teileigentumseinheit bei typisierender Betrachtungsweise mehr störe als die vorgesehene Nutzung.

Die nach dem vereinbarten Nutzungszweck ausgeschlossene Nutzung könne sich nur dann als zulässig erweisen, wenn sie bei typisierender Betrachtung nicht mehr störe als die vorgesehene Nutzung. Diese Einschränkung des Unterlassungsanspruchs sei nach den Grundsätzen einer ergänzenden Vertragsauslegung und damit der Teilungserklärung selbst geboten.

So könne beispielsweise die Nutzung einer Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken im Einzelfall zulässig sein, wenn die zu betrachtende Anlage „im Übrigen“ allein aus Wohnungen bestehe. Umgekehrt störe in einem nur beruflichen und gewerblichen Zwecken dienenden Gebäude die Wohnnutzung bei typisierender Betracht regelmäßig mehr als die vorgesehene Nutzung. Ferner störe die Wohnnutzung einer Teileigentumseinheit in dem der gewerblichen Nutzung vorbehaltenen Gebäudeteil bei typisierender Betrachtung auch dann regelmäßig mehr als die vorgesehene Nutzung, wenn die Teilungserklärung einer Anlage, zu der sowohl Wohnungs- als auch Teileigentumseinheiten gehören, innerhalb eines Gebäudes eine räumliche Trennung von Wohnen und Gewerbe vorsehe.

Der BGH folgte dem Berufungsgericht, das der Unterlassungsklage stattgegeben und die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung aufgrund der abschließenden Regelung verneint hatte. Schon der Umstand, dass die Ausübung eines Gewerbes in den zu Wohnzwecken dienenden Einheiten zulässig sein könne, während der umgekehrte Fall, nämlich die Nutzung einer Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken, gerade nicht vorgesehen sei, deute darauf hin, dass der Eigentümer eine solche Nutzung nicht habe zulassen wollen. Der BGH führt weiter die räumliche Trennung von Wohn- und Gewerbeeinheiten in der Anlage an: Nach dem Konzept in der Teilungserklärung solle (allenfalls) im Dachgeschoss gewohnt werden, während die übrigen Gebäudeteile (nur) gewerblichen Zwecken dienen. In einer solchen gemischten, aber räumlich getrennten Anlage hätten sowohl die Teil- als auch die Wohnungseigentümer ein berechtigtes Interesse daran, dass die vorgegebene räumliche Trennung erhalten bleibe, um etwaige Nutzungskonflikte von vornherein zu vermeiden.

Die Entscheidung ist auch unter einem anderen Gesichtspunkt lesenswert. Zu fragen war nämlich u. a. auch, ob nicht seit Inkrafttreten des WEMoG gemäß § 9a Abs. 2 WEG eigentlich allein die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Geltendmachung des Anspruchs berufen gewesen wäre. Die Klage war jedoch bis zum erledigenden Ereignis – Widerspruch der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen die weitere Rechtsverfolgung durch Schreiben der Verwalterin – zulässig und begründet und ist (erst) durch das erledigende Ereignis unzulässig geworden. Der BGH bemüht für die bereits vor dem Inkrafttreten des WEMoG bei Gericht anhängigen Verfahren den Rechtsgedanken des § 48 Abs. 5 WEG: Die Prozessführungsbefugnis des Klägers (sowie im Ergebnis die Aktiv- und Passivlegitimation der Parteien) bestehe fort, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht werde.

Fazit und Ausblick

Die zweckwidrige Nutzung von Sondereigentum ist praxisrelevant und beschäftigt Gerichte wie Verwalter gleichermaßen. Der BGH setzt seine bereits bestehende Rechtsprechung fort und sorgt damit für weitere Rechtssicherheit. Es wird jedoch erneut deutlich, dass sich pauschale Aussagen zur zulässigen Nutzung verbieten und eine „typisierende Betrachtung“ im Einzelfall schwierig sein kann.

Der jeweilige Nutzungszweck sollte bereits bei der Gestaltung der Gemeinschaftsordnung klar formuliert und durchdacht werden ebenso wie Regelungen zu späteren Nutzungsänderungen und deren Voraussetzungen. Spätere, regelmäßig streitanfällige nicht zuvor geregelte Zweckänderungen und eine Auslegung unzureichender Gemeinschaftsordnungen können so verhindert werden. Unsere Rechtsanwält* innen unterstützen und beraten Sie dabei gerne.

Autoren

Florian Grüner
Tel: +49 30 208 88 1413

Julian Bühler
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Immobilienrecht Newsletter 1-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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