Umsatzsteuerfreiheit einer privaten Krankenanstalt

Das Finanzgericht München beschäftigte sich in seiner Entscheidung vom 18. Oktober 10.2023 (Az. 3 K 317/18) mit der Frage, unter welchen Bedingungen eine private Krankenanstalt für ihre Leistungen eine Umsatzsteuerbefreiung nach der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) in Anspruch nehmen kann. Dabei liegt der Schwerpunkt der ausführlichen Begründung auf der Frage der Vergleichbarkeit der Bedingungen i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL.

Sachverhalt

Die Klägerin betrieb im Streitjahr 2014 ein privates Krankenhaus, das über keine Zulassung nach § 108 SGB V verfügte. Sie war aber im Besitz einer Genehmigung nach § 30 GewO für den Betrieb einer privaten Krankenanstalt. Das Leistungsangebot der Klägerin richtete sich an alle Patientengruppen, wobei gesetzlich Versicherte oder nicht versicherte Personen die Kosten selbst tragen mussten.

Die Patientenzimmer des Krankenhauses der Klägerin waren überwiegend als Einbettzimmer ausgestattet, die jeweils über eine eigene Nasszelle, einen Schreibtisch, einen Safe, einen Kühlschrank, eine Klimaanlage sowie ein Multimediasystem mit kostenlosem Internet, Telefon und TV-Gerät verfügten. Zu den weiteren Räumen des Krankenhauses zählten u. a. Operationsräume, ein Aufwachraum für die postoperative Patientenüberwachung sowie Räume für das Personal. Die Betreuung der Patient*innen erfolgte durch das eigene Pflegefachpersonal der Klägerin; für die fachärztliche Versorgung waren überwiegend sog. Belegärzt*innen zuständig.

Die Klägerin schloss über die stationäre Behandlung jeweils einen Vertrag mit den Patient*innen ab. Zu den den Patient*innen in Rechnung gestellten Klinikleistungen gehörten insbesondere die Unterbringung, die Krankenpflege sowie Heil- und Arzneimittel. Die Klägerin rechnete „die Klinikleistungen dem Grunde nach in entsprechender Anwendung der Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2014 zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, dem Verband der privaten Krankenversicherung und der Deutschen Krankengesellschaft“ und damit auf der Basis der sog. DRG-Fallpauschalen unter Zugrundelegung eines selbst festgelegten Krankenhaus-Basiswerts (von bis zu 4.998 €) ab. Dabei wich der selbst festgelegte Krankenhaus-Basiswert vom Landes-Basisfallwert ab (3.188 €).

Sofern die Behandlung medizinisch indiziert war, rechnete die Klägerin ihre Leistungen ohne Ausweis von Umsatzsteuer ab. Andere Leistungen gegenüber den Patient*innen und Begleitpersonen wurden zzgl. Umsatzsteuer in Rechnung gestellt und die Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt.

Im Streitjahr wurden zu rund 83 Prozent Privatpatient*innen (einschließlich „Beihilfepatient*innen“) behandelt; bei den übrigen Patient*innen handelte es sich um solche aus dem Ausland oder Selbstzahler*innen.

Entscheidung des FG

Das FG München lehnte in seiner umfangreich begründeten Entscheidung die Anwendung der Steuerbefreiung gem. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL ab. Nach dieser Vorschrift befreien die Mitgliedstaaten „Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze“. Handelt es sich bei dem Steuerpflichtigen, der diese Leistungen erbringt, nicht um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, sind diese Umsätze nach dem Wortlaut der MwStSystRL nur steuerfrei, wenn sie „unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt bzw. bewirkt werden“.

Im Ergebnis bestätigte das Gericht, dass die Klägerin eine ordnungsgemäß anerkannte Einrichtung i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL ist, die Krankenhausbehandlungen im Sinne dieser Vorschrift leistet. Diese Behandlungen erbringt die Klägerin jedoch nach Ansicht des Gerichts nicht unter Bedingungen, die mit den Bedingungen für Einrichtungen des öffentlichen Rechts in sozialer Hinsicht vergleichbar sind. 

Zur Frage der Vergleichbarkeit stellt das Gericht im Ergebnis darauf ab, dass dies auf nationaler Ebene aus den Vorgaben nach § 1 KHEntgG und § 1 KHG abzuleiten und somit der Vergleich nicht nur mit Einrichtungen des öffentlichen Rechts herzustellen ist. Die seitens der Klägerin gewählten Abrechnungsmodalitäten sprechen jedoch nach Auffassung des Gerichts gegen die Vergleichbarkeit der Abrechnungssystematik, da sie sich zwar an die Berechnung entsprechend der DRG-Fallpauschalen anlehnt, diese jedoch in mehreren Punkten modifiziert und diese Modifikation nicht gerechtfertigt sei. Daneben spreche gegen die die soziale Vergleichbarkeit im o. g. Sinne der Umstand, dass die Kosten der Leistungen der Klägerin nicht zu einem großen Teil von Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden. Dabei hat das Gericht entgegen der Auffassung des FG Köln (Az. 9 K 3310/11) die privaten Krankenversicherungsträger nicht als Einrichtung der sozialen Sicherheit anerkannt. Ebenso hat es entgegen der Auffassung des BFH (Az. V R 20/14) die Beihilfestellen nicht als Einrichtungen der sozialen Sicherheit anerkannt.

Als weiteres Argument gegen die soziale Vergleichbarkeit im Sinne der MwStSystRL führt das Gericht die fehlende Wirtschaftlichkeit der Klägerin an. Dieser Aspekt kann laut FG in die Prüfung der sozialen Vergleichbarkeit einbezogen werden, wenn damit das Ziel verfolgt wird, die Kosten der Heilbehandlung zu senken und den Einzelnen eine qualitativ hochwertige Behandlung zugänglich zu machen. Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzung nach Auffassung des Gerichts nicht, da sie neben den Mindestanforderungen an medizinisch notwendige Ausstattung und Leistung weitere Leistungen vorhalte und somit eine unwirtschaftliche Betriebsführung vorliege.  

Fazit

Die Umsatzbesteuerung von Privatkliniken beschäftigt weiterhin die Gerichte. Die vorliegende Entscheidung des FG München ist als Ergänzung zu zahlreichen Entscheidungen der nationalen Gerichte und des EuGH hinsichtlich des Anwendungsbereichs von Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL zu sehen. Besonders interessant ist, dass sich das Gericht im Rahmen der Prüfung der sozialen Vergleichbarkeit teilweise gegen die Auffassung der nationalen Gerichte positioniert. Es bleibt abzuwarten, ob und wie der BFH diese Argumentation im anhängigen Revisionsverfahren (Az. XI R 36/23) beurteilen wird.

Des Weiteren können die Ausführungen des FG aufgrund der Ergänzung des § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG zum 1. Januar 2020 nun auch für die Prüfung der nationalen Befreiungsvorschrift relevant werden. Hier bleibt es spannend, wie die durch das Gericht herausgearbeiteten Gesichtspunkte im Rahmen der gesetzlichen Eckpunkte zum Tatbestand der sozialen Vergleichbarkeit nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG vereinbart werden können. Auch hier hat wieder der BFH das letzte Wort, dessen Entscheidung hoffentlich mehr Rechtssicherheit für die Träger von Privatkliniken bringen wird.

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