BSG: Rechtsstreit um die Abrechnung vom Krankenhaus veranlasster strahlentherapeutischer Drittleistungen
BSG: Rechtsstreit um die Abrechnung
Der Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Trägerin eines in den Krankenhausplan des Landes Hamburg aufgenommenen Plankrankenhauses, welches einen Versorgungsauftrag für Innere Medizin besitzt. Über einen Versorgungsauftrag für Strahlentherapie verfügt das Krankenhaus nicht.
Beklagte ist eine Krankenkasse, deren Versicherte im Juli 2015 aufgrund von metastasierendem Gebärmutterkrebs im klagenden Krankenhaus stationär mit Chemotherapie behandelt wurde. Während des Aufenthalts wurde die zuvor ambulante Strahlentherapie von der beigeladenen Arztpraxis fortgesetzt und dem Krankenhaus in Höhe von rund 5.000 € in Rechnung gestellt. Die Krankenkasse zahlte nur einen Teil des Rechnungsbetrags. Sie behauptete, dass die strahlentherapeutischen Leistungen eigenverantwortlich von der Praxis erbracht wurden und nicht als allgemeine Krankenhausleistungen nach § 2 KHEntgG abzurechnen seien. Daher kürzte sie die Vergütung entsprechend.
Das Sozialgericht hat die Krankenkasse zur Zahlung des Differenzbetrags verurteilt. Die Berufung wurde vom Landessozialgericht zurückgewiesen, da die Strahlentherapie als eine vom Krankenhaus veranlasste Leistung Dritter gemäß § 2 Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 KHEntgG erbracht worden sei. Dies fiele unter die Gesamtverantwortung des Krankenhauses und wäre vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses für „Innere Medizin“ abgedeckt. Zudem werde das Leistungsgeschehen in der stationären Versorgung durch die Kliniken mit einem ausdrücklichen Versorgungsauftrag für Strahlenheilkunde wegen der unterschiedlichen Struktur der Versorgung in der Strahlenheilkunde nicht vollständig abgebildet.
Die Entscheidung
Die Revision der beklagten Krankenkasse war erfolgreich. Das Urteil des Landessozialgerichts wurde aufgehoben, und die Klage wurde abgewiesen. Das klagende Krankenhaus hat keinen Anspruch auf Vergütung für die durchgeführte ambulante Strahlentherapie. Obwohl es sich um eine Leistung handelte, die auf Anforderung des Krankenhauses von einem Dritten erbracht wurde und somit als allgemeine Krankenhausleistung betrachtet wird, hatte das Krankenhaus keinen Versorgungsauftrag für die Erbringung strahlentherapeutischer Leistungen. Daher durfte es diese Leistungen nicht kodieren und abrechnen. Leistungen, die von Dritten auf Anforderung des Krankenhauses erbracht werden, sind nur dann als eigenständige Leistungen kodierfähig, wenn das Krankenhaus diese im Rahmen des Versorgungsauftrags selbst erbringen durfte. Das Krankenhaus war verpflichtet, hierdurch die unstreitig vorhandene strahlentherapeutische Behandlungsbedürftigkeit der Versicherten abzudecken, denn es durfte die Versicherte – anders als bei der hiervon ausgenommenen Dialyse – nicht auf einen ambulanten Leistungserbringer verweisen (Verbot der ambulanten Parallelbehandlung). Der Versorgungsauftrag des Krankenhauses sei danach auf die Indikationsstellung und Koordination extern beauftragter strahlentherapeutischer Leistungen beschränkt, nicht jedoch auf die Durchführung dieser Leistungen selbst.
Die Konsequenzen
Die Entscheidung erscheint vordergründig nachvollziehbar. Ein Krankenhaus kann keine stationären Leistungen abrechnen, für die es keinen Versorgungsauftrag hat. Die Widersprüchlichkeit und Sprengkraft der Entscheidung liegt aber darin, dass das Krankenhaus verpflichtet gewesen sein soll, die Behandlung abzudecken, ohne sie abrechnen zu können, und dass gleichzeitig eine ambulante Parallelbehandlung unzulässig sein soll. D. h., im konkreten Fall hätte das Krankenhaus die Patientin nur in ein Krankenhaus verlegen können, dass über einen Versorgungsauftrag für Strahlentherapie verfügt und die Strahlentherapie stationär erbringen kann, mit der Folge, dass es auch die anderen Leistungen, die es sonst kodieren und abrechnen kann, nicht mehr hätte erbringen und abrechnen dürfen.
Praxishinweise
Bereits am 26. April 2022 traf der 1. Senat (Az. B 1 KR 15/21 R) eine Entscheidung bezüglich der Zulässigkeit der Drittauslagerung strahlentherapeutischer Leistungen an eine mit dem Krankenhaus kooperierende Vertragsarztpraxis (vgl. unseren Newsletter Healthcare 2/2022). Das betroffene Krankenhaus ist in den Krankenhausplan aufgenommen und verfügt seit 2005 über keine Strahlentherapieabteilung mehr. In der Entscheidung wurde festgestellt, dass das Krankenhaus verpflichtet ist, die räumlichen, apparativen und personellen Ressourcen zur Erbringung wesentlicher Leistungen selbst bereitzustellen und diese Leistungen nicht regelmäßig an Dritte auslagern darf. Dies betraf insbesondere die Fortsetzung ambulant begonnener Bestrahlungen während vollstationärer Behandlungen.
Die nun getroffene Entscheidung führt zu einer weiteren Verschlechterung der Lage für Patient*innen, Krankenhäuser und niedergelassene Strahlentherapeut*innen. Patient*innen, für die eine ambulante Bestrahlung in der Regel ausreichend ist, können, wenn sie aus anderen Gründen einer stationären Aufnahme bedürfen, nur noch in Krankenhäusern mit eigener Strahlentherapie aufgenommen werden, die dann auch noch den Anforderungen des Bundessozialgerichtsurteils aus dem Jahr 2022 entsprechen müssen. Dafür werden Patient*innen weite Wege in Kauf nehmen müssen.
Profitieren dürften allein die Maximalversorger und Universitätskliniken. Das Krankenhaus ohne Strahlentherapie verliert diese Patient*innen und damit auch die Erlöse insgesamt, falls diese auch bestrahlt werden müssen. Die niedergelassenen Strahlentherapeut* innen dürfen auch nicht mehr unterstützen, sobald die Patient*innen stationär aufgenommen wurden.
Noch dazu kommt, dass die bevorstehende Reform der Krankenhausfinanzierung und die Einführung der Hybrid-DRG in die gegenteilige Richtung weist. Kooperationen im Bereich Strahlentherapie sind durch den Verweis auf die Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen ausdrücklich erwünscht (vgl. hierzu den Beitrag in diesem Newsletter). Bis es so weit ist, kann es aber auch noch dauern.
Entscheidend muss sein, dass die Patient*innen bestmöglich behandelt werden, und nicht, durch wen. Die bestmögliche Behandlung muss dann adäquat vergütet werden, sonst erbringt sie am Ende niemand mehr. Die Sektorentrennung, die im Verbot der ambulanten Parallelbehandlung zum Ausdruck kommt, muss überwunden werden, und zwar schnell. Hier ist der Gesetzgeber gefragt. Am einfachsten und schnellsten wäre es wohl, eine Ausnahme, wie bei ambulanten Dialysebehandlungen, einzuführen, bevor durch die Reform der Krankenhausfinanzierung ohnehin die Karten noch einmal neu gemischt werden.
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Autoren
Dr. Moritz Ulrich
Tel: + 49 30 208 88 1445
Denise Gehrmann
Tel: + 49 30 208 88 1512
Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 4-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.