Gewerbesteuerpflicht eines von einer Hebammen GmbH betriebenen Geburtshauses

Mit Urteil vom 21. November 2022 hat das FG München entschieden, dass ein von einer Hebamme geführtes Geburtshaus in der Rechtsform einer GmbH der Gewerbesteuer unterliegt. Keiner der infrage kommenden Befreiungstatbestände des § 3 Nr. 20 Gewerbesteuergesetz (GewStG) sei einschlägig. Gegen das Urteil wurde vor dem BFH unter dem Aktenzeichen V R 1 / 23 Revision eingelegt.

Die GmbH betrieb im Streitjahr 2015 in eigenen Räumlichkeiten ein Geburtshaus. Gesellschafter-Geschäftsführerin ist eine ausgebildete Hebamme. Tätig im Geburtshaus sind weitere angestellte und freiberufliche Hebammen, (Kinder-)Krankenschwestern und weitere angelernte Mitarbeitende. Die gegebenenfalls notwendige ärztliche Betreuung war durch die Rufbereitschaft eines Facharztes für Gynäkologie im gleichen Haus sowie weiterer Ärzte in unmittelbare Nähe gesichert. Durch einen eigenen Hubschrauberlandeplatz konnten die wenigen Patientinnen, bei denen ein Kaiserschnitt erforderlich wurde, notfallgerecht in die nächste gynäkologische Klinik gebracht werden.

Die Kostenabrechnungen der Klägerin erfolgten aufder Grundlage des mit den Entbindenden geschlossenenGeburtshausvertrages. Gemäß eines Ergänzungsvertragesnach §134a SGB V („Versorgung mitHebammenhilfe“) zahlen die gesetzlichen Krankenkassenpro Geburt eine sogenannte Betriebskostenpauschale.Auch eine zusätzlich erhobeneRufbereitschafts-Pauschale für die vier Wochen vorund nach dem berechneten Geburtstermin wurdei. d. R. von den Krankenkassen übernommen. Einweiterhin erhobener sogenannter Unkostenbeitragfür Aufenthalt, Pflege, Überwachung und Betreuungmusste von den Frauen selbst getragen werden.Die Kosten für die Entbindungen waren in der Regelgünstiger, als wenn sie in einem Krankenhaus durchgeführt worden wären.

Nach § 3 Nr. 20 GewStG sind Krankenhäuser, Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime, Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen sowie Einrichtungen zur ambulanten oder stationären Rehabilitation von der Gewerbesteuer befreit, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Die Vorschrift bezweckt, so das urteilende Gericht, die bestehenden Versorgungsstrukturen bei der Behandlung kranker und pflegebedürftiger Personen zu verbessern und die Sozialversicherungsträger von Aufwendungen zu entlasten.

Der Begriff des Krankenhauses ist in diesem Zusammenhang nicht den Steuergesetzen, sondern dem Sozialrecht zu entnehmen. Einschlägig sind § 2 Nr. 1 KHG und § 107 SGB V:

  • § 2 Nr. 1 KHG beschreibt Krankenhäuser als Einrichtungen, in denen durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistungen Krankheiten, Leiden oder Körperschäden festgestellt, geheilt oder gelindert werden sollen oder Geburtshilfe geleistet wird und in denen die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden können.
  • Krankenhäuser i. S. d. § 107 Abs. 1 SGB V sind Einrichtungen, die der Krankenhausbehandlung oder Geburtshilfe dienen, fachlich medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten, mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichem, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten, und in denen die Patienten untergebracht und verpflegt werden können.

Nach § 24f SGB V ist unter Geburtshilfe die Entbindung zu verstehen. Diese kann in einem Krankenhaus ambulant oder stationär erfolgen, aber auch in anderen stationären Einrichtungen erbracht werden. In allen Fällen müssten die Einrichtungen nach den maßgeblichen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften unter ständiger ärztlicher Leitung stehen. Da die fachliche Leitung der Geburtshaus GmbH allein bei deren Geschäftsführerin, einer Hebamme lag, wurde die Geburtshilfe im vorliegenden Fall nicht durch ärztliche Hilfeleistungen erbracht. Die bloße Hinzuziehung eines selbstständigen Arztes bei Komplikationen sei insoweit nicht ausreichend. Die Geburtshaus GmbH sei daher nicht als Krankenhaus im Sinne des § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG zu verstehen und daher von der Befreiung ausgeschlossen.

Auch die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Gewerbesteuerpflicht nach § 3 Nr. 20 Buchstabe d) GewStG als „Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und bei Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen“ liege nicht vor. Bei Schwangeren und Entbindenden handelt es sich nicht um pflegebedürftige Personen im Sinne des Sozialversicherungsrechtes. Schwangerschaft und Entbindung gelten danach nur im Falle von mehr als drei Monate andauernden Komplikationen als Krankheit im Sinne eines „regelwidrigen Körperzustands“.

Auch stelle die Geburtshilfe keine Leistung der ambulanten oder stationären Rehabilitation dar. Die auf solche Leistungen anwendbare Befreiungsvorschrift nach § 3 Nr. 20 Buchstabe e) GewStG ist daher nicht einschlägig.

Praxishinweis

Die Entscheidung reiht sich in eine ganze Serie jüngst ergangener Entscheidungen zur Reichweite der Gewerbesteuerbefreiung für Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen nach § 3 Nr. 20 GewStG ein. Im Fall des von einer Hebamme geleiteten Geburtshauses kommt hinzu, dass deren selbstständige Tätigkeit i. S. d. § 18 EStG nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Zwar lässt § 3 des Ergänzungsvertrag nach § 134a SGB V den Betrieb und die Anerkennung zur kassenärztlichen Versorgung quasi in jeder Rechtsform zu. Der Hebamme bleibt aber das Risiko, dass bei der Wahl einer GmbH eine Belastung mit Gewerbesteuer einzukalkulieren wäre. Inwieweit die Revision des Urteils durch den BFH zu einem anderen Ergebnis führt, bleibt abzuwarten.

Haben Sie Fragen oder weiteren Informationsbedarf?

Sprechen Sie uns an

Autor

Jens Krieger
Tel: +49 30 208 88 1280

Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 2-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

Want to know more?