Aktuelles zur Umsatzsteuer bei Bildungsleistungen medizinischer Einrichtungen
Umsatzsteuer bei Bildungsleistungen
Vor diesem Hintergrund waren Gesetzgeber und Finanzverwaltung in Bezug auf die Umsatzbesteuerung von Bildungsleistungen jüngst wie folgt sehr aktiv:
- Neuregelung § 4 Nr. 21 UStG durch JStG 2024
- Entwurf BMF-Schreiben v. 17. Januar 2025 zu § 4 Nr. 21 UStG [neu]
- Verfügung Bayerisches Landesamt für Steuern v. 17. Januar 2025 zur (weiteren) Gültigkeit bisheriger Bescheinigungen nach § 4 Nr. 21 UStG
- Ausdehnung Kleinunternehmerregelung § 19 UStG auf EU-Ausländer durch JStG 2024
- BMF-Schreiben v. 29. April 2024 zu Umsätzen aus Online-Veranstaltungsdienstleistungen und weiteren Online-Dienstleistungsangeboten
Nachfolgend soll dazu ein kurzer Überblick gegeben werden.
I. Neuregelung § 4 Nr. 21 UStG durch JStG 2024
Die Umsatzsteuerbefreiung von Unterrichtsleistungen ist in § 4 Nr. 21 und Nr. 22 UStG unter bestimmten Voraussetzungen geregelt. Hier bestanden allerdings seit Jahren unionsrechtliche Bedenken, da die Regelungen in wesentlichen Teilen nicht mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. i, j MwStSystRL in der Auslegung durch die europäische Rechtsprechung übereinstimmten. Daher wurde bereits im Rahmen der Gesetzgebungsverfahren zum JStG 2013 und JStG 2019 versucht, die Regelungen zu § 4 Nr. 21 und Nr. 22 UStG entsprechend anzupassen – jedoch ohne Erfolg. In der Zwischenzeit hatte die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, was den Gesetzgeber nun dazu zwang, im Rahmen des JStG 2024 erneut eine unionsrechtskonforme Lösung zu erarbeiten. Laut Gesetzesbegründung zum JStG 2024 sollte zudem eine Anpassung an die Rechtsprechung des EuGH erfolgen. Allerdings konnten die ursprünglich geplanten umfassenden Änderungen im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht vollständig durchgesetzt werden.
Zwar wurde § 4 Nr. 21 UStG neu gefasst, doch zeigt die endgültige Regelung viele Ähnlichkeiten mit der bisherigen Fassung:
§ 4 Nr. 21 UStG bis 31. Dezember 2024 | § 4 Nr. 21 UStG ab 1. Januar (JStG 2024) |
[Steuerfrei sind] a) die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, aa) wenn sie als Ersatzschulen gemäß Artikel 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind oder bb) wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten, b) die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer aa) an Hochschulen im Sinne der §§ 1 und 70 des Hochschulrahmengesetzes und öffentlichen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schulen oder bb) an privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit diese die Voraussetzungen des Buchstabens a erfüllen, c) Schul- und Hochschulunterricht, der von Privatlehrern erteilt wird. | [Steuerfrei sind] a) die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, aa) wenn sie als Ersatzschulen gemäß Artikel 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind oder bb) wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung erbringen, b) die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer aa) an Hochschulen im Sinne der §§ 1 und 70 des Hochschulrahmengesetzes und öffentlichen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schulen oder bb) an privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit diese die Voraussetzungen des Buchstabens a erfüllen, c) Schul- und Hochschulunterricht, der von Privatlehrern erteilt wird. |
§ 4 Nr. 21 Satz 1 a) bb) UStG [neu] befreit die genannten Einrichtungen, sofern die „zuständige Landesbehörde“ bescheinigt, dass sie Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung erbringen. Nach der bis zum 31. Dezember 2024 geltenden Rechtslage war zu bescheinigen, dass die Einrichtungen auf einen Beruf oder eine vor einer jPdöR abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Angesichts der grundsätzlichen Beibehaltung des „Bescheinigungsverfahrens“ ist jedoch durchaus fraglich, ob die Neuregelung insoweit unionsrechtskonform ausgestaltet wurde.
§ 4 Nr. 21 Satz 1 b) UstG [neu] gilt für freie Mitarbeiter (Rechtsform unerheblich, z. B. auch juristische Personen möglich), die an Schulen, Hochschulen oder ähnlichen Bildungseinrichtungen unterrichten.
§ 4 Nr. 21 Satz 1 c) UStG [neu] betrifft ausschließlich natürliche Personen, die persönlich, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung Unterrichtsleistungen erbringen (z. B. Schülernachhilfe).
Anders als etwa im Rahmen des § 2b UStG hat der Gesetzgeber auch keine Übergangsregelungen vorgesehen.
Die durchaus umstrittene Regelung des § 4 Nr. 22 a) UStG, wonach
„die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden“,
auch steuerfrei sind, bleibt unverändert. Aus unionsrechtlichen Gründen hätte hier wohl eigentlich (auch) eine Anpassung erfolgen müssen, aber das Fortbestehen der bisherigen Regelung lässt den genannten Einrichtungen (u. a. jPdöR, Gemeinnützige, Volkshochschulen) einen gewissen Gestaltungsspielraum. An der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung dürfte sich nichts ändern; danach sind „Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art“ solche, die als Erziehung von Kindern und Jugendlichen, als Schul- oder Hochschulunterricht, als Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung zu qualifizieren sind (vgl. Abschn. 4.22.1. (2) UStAE).
II. Entwurf BMF-Schreiben v. 17. Januar 2025 zu § 4 Nr. 21 UStG [neu]
Begleitend zur gesetzlichen Neufassung mit JStG 2024 erarbeitete das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ein 21-seitiges Anwendungsschreiben im Entwurf und legte diesen den einschlägigen Verbänden vor.
In Bezug auf das „Bescheinigungsverfahren“ ist zunächst festzuhalten, dass nach dem BMF-Entwurf eine vor dem 1. Januar 2025 durch die zuständige Landesbehörde ausgestellte Bescheinigung (wonach die Einrichtungen auf einen Beruf oder eine vor einer jPdöR abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten) bis zum Ablauf eines Gültigkeitszeitraums oder eines etwaigen Widerrufs als Nachweis i. S. d. § 4 Nr. 21 Satz 1 a) bb) UStG [neu] weiterhin anzuerkennen ist. Dies ist zu begrüßen, da in der Praxis hier verständlicherweise Fragen aufkamen.
Zwar dürfte der BMF-Entwurf im Übrigen einige Streitfragen klären. Allerdings enthält er auch nicht die von der Praxis erhoffte Übergangsregelung in Bezug auf die zeitliche Anwendung. So sehen sich insbesondere Bildungseinrichtungen, die bisher Vorsteuerabzug geltend machen konnten, u. U. mit Umsetzungsproblemen konfrontiert.
Ins Gewicht fällt vor allem, dass nun grundsätzlich nur noch direkt berufsbezogene Weiterbildungsangebote von der Umsatzsteuer befreit werden sollen. Vermitteln Angebote Kenntnisse und Fähigkeiten, die auch im Privatbereich genutzt und angewendet werden können, sollen sie grundsätzlich als steuerpflichtige „Freizeitgestaltung“ gelten, Zitat:
„Ist ein Kurs unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung auf die Erlangung regelmäßig nur im Privatleben angewandter Kenntnisse und Fähigkeiten ausgerichtet, ist der Charakter einer bloßen Freizeitgestaltung gegeben. In diesem Falle ist es dann ohne Belang, wenn einzelne Teilnehmer die Leistung tatsächlich im Hinblick auf eine schulische oder berufliche Nutzung in Anspruch nehmen bzw. später einen Beruf in diesem Bereich ergreifen. Die bloße Möglichkeit, während einer Freizeitveranstaltung erlernte Fähigkeiten oder Kenntnisse auch beruflich nutzen zu können, nimmt einer solchen Veranstaltung nicht den Freizeitcharakter.“
Verständlicherweise besteht nun insbesondere bei den (kommunalen) Volkshochschulen die große Sorge, dass künftig viele Kursangebote der Umsatzsteuer unterliegen sollen. Auch der § 4 Nr. 22 a) UStG („Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art“ = Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- oder Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung) dürfte hier in der Praxis nicht weiterhelfen.
Hier sollte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein und das BMF einige in der Praxis problematische Teile anpassen bzw. entschärfen.
III. Verfügung Bayerisches Landesamt für Steuern v. 17. Januar 2025 zur (weiteren) Gültigkeit bisheriger Bescheinigungen nach § 4 Nr. 21 UStG
Zeitgleich mit dem Entwurf des o. g. BMF-Schreibens veröffentlichte das Bayerische Landesamt für Steuern (LfSt Bayern) mit Datum vom 17. Januar 2025 eine Verfügung (Az. S 7179.1.1-21/4 St33).
Positiv festzuhalten ist zunächst, dass nach dem LfSt Bayern mit Anpassung des § 4 Nr. 21 UStG an die unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL „die bislang umsatzsteuerfreien Leistungen unverändert umsatzsteuerfrei“ bleiben sollen. Dies entspricht zwar auch der Gesetzesbegründung, allerdings ist nach dem oben skizzierten BMF-Entwurf durchaus fraglich, ob diese Aussage so haltbar ist.
Die Steuerbefreiung in § 4 Nr. 21 a) bb) UStG verlangt weiterhin eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde. Inhalt der Bescheinigung war bislang – nach altem Recht – die ordnungsgemäße Vorbereitung auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung. Hingegen soll nach neuem Recht die Erbringung von Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung Inhalt der Bescheinigung sein.
In diesem Zusammenhang verfügt das LfSt Bayern, dass vor Inkrafttreten des JStG 2024 ausgestellte Bescheinigungen nach § 4 Nr. 21 a bb) UStG auch die (neuen) gesetzlichen Voraussetzungen ab 1. Januar 2025 erfüllen und bis zum Ablauf eines etwaigen Gültigkeitszeitraums oder eines etwaigen Widerrufs weiter gültig sind. Die Beantragung einer neuen Bescheinigung zum 1. Januar 2025 sei daher grundsätzlich nicht erforderlich.
Diese Regelung entspricht dem o. g. BMF-Entwurf und ist zu begrüßen.
IV. Ausdehnung Kleinunternehmerregelung § 19 UStG auf EU-Ausländer durch JStG 2024
Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde auch die Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG grundlegend novelliert.
Dies hat auch Auswirkungen auf den Einkauf von Dozentenleistungen, die mangels Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG auf Ebene der „einkaufenden“ Bildungseinrichtung der Umsatzsteuer im Reverse-Charge-Verfahren (§ 13b UStG) unterlagen.
So verpflichtete die Richtlinie (EU) 2020/285 des Rates v. 18. Februar 2020 die Mitgliedstaaten, bestehende Regelungen für Kleinunternehmer*innen bis spätestens 1. Januar 2025 anzupassen. Ein zentraler Aspekt der Neuregelung ist die Aufhebung der bisherigen Beschränkung auf das Inland. Während die Kleinunternehmerregelung bislang nur im Ansässigkeitsstaat des*der Unternehmers*Unternehmerin in Anspruch genommen werden konnte, ist es nunmehr möglich, sich innerhalb der gesamten EU grenzüberschreitend von der Umsatzsteuer befreien zu lassen. Dafür wird eine unionsweit einheitliche Umsatzgrenze von 100.000 € (netto) für alle in der EU erbrachten Leistungen eingeführt („Unionsgrenze“).
Im Zuge dieser Reform erhöht Deutschland die nationalen Umsatzgrenzen: Die Schwelle für das Vorjahr steigt von 22.000 € (brutto) auf 25.000 € (netto), während die Grenze für das laufende Jahr von 50.000 € (brutto) auf 100.000 € (netto) angehoben wird. Um die Einhaltung der Voraussetzungen der grenzüberschreitenden Kleinunternehmerregelung zu gewährleisten, sieht ein neuer § 19a UStG ein spezielles Meldeverfahren für im Inland ansässige Unternehmer*innen vor, die die Steuerbefreiung in einem anderen Mitgliedstaat nutzen möchten. Zu diesem Zweck vergibt das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eine neue Identifikationsnummer mit dem Zusatz „EX“.
Unternehmer*innen mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat, die die deutsche Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen möchten, müssen ein entsprechendes Meldeverfahren in ihrem Ansässigkeitsstaat durchlaufen. Die Regelung nach § 19a UStG verpflichtet grenzüberschreitend steuerbefreite Kleinunternehmer*innen insbesondere dazu, sämtliche in der EU erzielten Umsätze vierteljährlich in einer elektronischen Umsatzmeldung an die Finanzverwaltung zu übermitteln. Dies führt sowohl für Unternehmer*innen als auch für die Finanzbehörden zu einem erheblichen administrativen Aufwand. Zudem müssen grenzüberschreitend steuerbefreite Kleinunternehmer*innen kontinuierlich sicherstellen, dass sie die festgelegten Umsatzgrenzen einhalten.
V. BMF-Schreiben v. 29. April 2024 zu Umsätzen aus Online-Veranstaltungsdienstleistungen und weiteren Online-Dienstleistungsangeboten
Mit Schreiben v. 29. April 2024 (Az. III C 3 – S 7117-j/21/10002 :004) hatte das BMF bereits im vergangenen Jahr Stellung zu Umsätzen aus Online-Veranstaltungsdienstleistungen und weiteren Online-Dienstleistungsangeboten genommen.
Veranstaltungen im Bereich der Kunst und Kultur, aber auch auf dem Gebiet der Wissenschaft, der Bildung, des Sports oder der Unterhaltung werden zunehmend nicht nur in Präsenz, sondern auch über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz angeboten. Dabei sind die Angebotsformen vielfältig. Teilweise werden Liveveranstaltungen parallel in Echtzeit digital übertragen, teilweise ersetzt die Liveübertragung die persönliche Teilnahme vor Ort sogar vollständig und vielfach werden Livemitschnitte oder vorproduzierte Aufzeichnungen entsprechender Veranstaltungen (wie beispielsweise Konzerte, aber auch Unterrichts- oder Fitnesskurse) digital zum Auf- und Abruf via Streaming oder Download zur Verfügung gestellt. Neben der Frage nach dem Leistungsort ist in diesen Fällen auch zu klären, inwieweit Steuerbefreiungen oder Steuerermäßigungen anwendbar sind. Dies betrifft vor allem Veranstaltungen auf dem Gebiet der Kunst und Kultur (Streaming von Konzerten, Orchester- oder Theateraufführungen), bei welchen eine Befreiung nach § 4 Nr. 20 UStG bzw. eine Ermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 a) UStG in Betracht kommen kann, aber vermehrt auch Bildungs- und Gesundheitsdienstleistungen, bei welchen ebenfalls eine Steuerbefreiung möglich ist.
Im Grundsatz enthält das Schreiben keine Überraschungen. So handelt es sich z. B. bei der Bereitstellung einer (vorproduzierten) Aufzeichnung einer Veranstaltung durch einen Unternehmer (Veranstalter) in digitaler Form, die durch den Empfänger individuell zu einem späteren festen oder frei wählbaren Zeitpunkt abgerufen werden kann und ausschließlich über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz übertragen wird, um eine auf elektronischem Weg erbrachte und dem Regelsteuersatz (19 Prozent) unterliegende sonstige Leistung.
Hingegen sind im Gegensatz zur digitalen Bereitstellung von aufgezeichneten Inhalten bei Livestreaming-Angeboten Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 20 ff. UStG möglich, sofern die Umsätze von einer nach dieser Vorschrift begünstigten Einrichtung (z. B. Bildungseinrichtung i. S. d. § 4 Nr. 21, 22 UStG) erbracht werden. Maßgeblich für diese Beurteilung ist grundsätzlich die Interaktion mit dem Publikum, die neben verschiedenen Bekundungen wie Beifall etc. (ggf. auch über Button-Funktionen oder soziale Netzwerke) aber auch im bloßen Zuhören bestehen kann und ausschließlich in Echtzeit stattfindet.
Ob es sich bei sog. Leistungskombinationen/Kombinationsprodukten, bei denen neben einem Livestream (mit und ohne Interaktionsmöglichkeit) auch eine Aufzeichnung angeboten wird (die zu einem späteren, vom Nutzer gewählten Zeitpunkt abgerufen werden kann), um eine selbstständige, getrennt zu beurteilende Leistung oder – zusammen mit der Bereitstellung des Livestreams – um eine einheitliche Leistung handelt, ist nach den allgemeinen Regelungen zur Einheitlichkeit der Leistung zu beurteilen.
Danach soll es sich bei der kombinierten Bereitstellung eines Livestreams (mit und ohne Interaktionsmöglichkeit) und einer Aufzeichnung, die zu einem späteren, vom Nutzer gewählten Zeitpunkt abgerufen werden kann, um eine „Leistung eigener Art“ handeln, die insgesamt dem Regelsteuersatz (19 Prozent) unterliegt. Eine Aufteilung des Entgelts komme nicht in Betracht.
Diese Sichtweise des BMF halten wir insbesondere bei Bildungsleistungen für fragwürdig. Denn wir gehen davon aus, dass nach Besuch einer Vor-Ort(„Live“)-Bildungsveranstaltung seitens der Teilnehmer*innen später in der Regel eher selten bzw. nur (noch) ganz gezielt auf die Aufzeichnung zurückgegriffen wird. Daher sollte die Finanzverwaltung diesbezüglich ihre Auffassung noch einmal überdenken. Möglichweise könnte auch versucht werden, in „Extremfällen“ eine Einigung mit dem lokalen Finanzamt zu erzielen.
Abhilfe könnte eine entsprechende Preisgestaltung schaffen. Denn wird neben der Bereitstellung eines Livestreams (mit und ohne Interaktionsmöglichkeit) gegen Zahlung eines gesonderten Entgelts oder aber eines Aufpreises zusätzlich die zu einem späteren vom Nutzer gewählten Zeitpunkt abrufbare Aufzeichnung angeboten, liegen zwei selbstständige Leistungen vor, die getrennt zu beurteilen sind. Mithin könnte der „Livebesuch“ vor Ort unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 21, 22 UStG umsatzsteuerfrei bleiben.
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