MVZ: Fehlende Unterschrift auf der Sammelerklärung führt zur Rückforderung des gesamten Honorars

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 13. Dezember 2023 – B 6 KA 15/22 R – entschieden, dass Sammelerklärungen zu Honorarabrechnungen eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) vom ärztlichen Leiter zu unterzeichnen sind, wenn dies im Honorarverteilungsmaßstab vorgesehen ist.

Der Honorarverteilungsmaßstab regelt die quartalsweise Verteilung der Gesamtvergütung auf die Vertragsärzte und Vertragszahnärzte. Fehlt die Unterschrift des ärztlichen Leiters, ist die Kassenärztliche Vereinigung zur Honorarrückforderung berechtigt. Auch wenn von der Entscheidung des BSG bisher nur ein Terminsbericht vorliegt, dürften die sich aus dem Urteil ergebenden Konsequenzen für MVZ gravierend sein.

Sachverhalt

In dem Verfahren vor dem Bundessozialgericht (Az. B 6 KA 15/22 R) war zwischen den Beteiligten eine Honorarrückforderung streitig. Klägerin war ein in der Rechtsform einer GmbH betriebenes Medizinisches Versorgungszentrum (im Folgenden: MVZ oder MVZ-GmbH), das nach der gesetzlichen Konzeption eine ärztlich geleitete Einrichtung ist. Das MVZ hatte für die im Streit betroffenen Quartale 2/2013 und 3/2013 eine ärztliche Leiterin bestellt, ohne die betroffene Ärztin hierüber zu informieren. Dies legte sie gegenüber der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) offen und wies darauf hin, dass sie keine Sammelerklärung unterzeichnet habe. Nachdem die KVNO festgestellt hatte, dass die verfahrensgegenständlichen Sammelerklärungen zu den Honorarabrechnungen vom Geschäftsführer der MVZ-GmbH und nicht – wie nach dem Honorarverteilungsmaßstab vorgesehen – vom ärztlichen Leiter des MVZ unterzeichnet worden waren, hob sie die betreffenden Honorarbescheide auf und forderte das gesamte Honorar für die genannten Quartale in Höhe von 153.611,64 € zurück.

Entscheidung

Widerspruch gegenüber der KVNO, Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf (Urteil vom 21. Juni 2017 – S 33 KA 288/14), Berufung (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, 1. September 2021 – L 11 KA 49/17) und Revision des MVZ blieben ohne Erfolg. Das BSG führte aus, dass die KVNO die Honorarbescheide zu Recht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben habe. Die Rückforderung des gesamten Honorars in voller Höhe sei berechtigt gewesen, da die eingereichten Sammelerklärungen zu den Abrechnungen nicht von einem ärztlichen Leiter des MVZ unterzeichnet worden seien, was die entsprechende Regelung im Honorarverteilungsmaßstab aber voraussetze.

Zur Begründung führte das BSG aus, dass es sich bei der betreffenden Regelung nicht um ein bloßes Formerfordernis handele. Vielmehr lasse erst die ordnungsgemäße Sammelerklärung den Honoraranspruch für die geltend gemachten Leistungen entstehen. Der ärztliche Leiter trage die Verantwortung für die Steuerung der Betriebsabläufe. Dazu gehöre auch die Erstellung und Kontrolle der Abrechnungen sowie die Abgabe korrekter und ordnungsgemäßer Sammelerklärungen, weil er die erforderliche medizinische Fachkompetenz besitze, um beurteilen zu können, ob die von den einzelnen Ärzten gemeldeten Behandlungsvorgänge Grundlage einer ordnungsgemäßen Quartalsabrechnung seien. Schließlich werde der Geschäftsführer der MVZ-Trägergesellschaft durch die Regelung im Honorarverteilungsmaßstab nicht aus seiner gesetzlichen Vertretung nach dem Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung verdrängt, da Erstere bereits keine gesellschaftsrechtliche Vertretungsregelung darstelle. Im Ergebnis begegne es daher keinen Bedenken, dass der Honorarverteilungsmaßstab die Unterschrift des ärztlichen Leiters auf der Sammelerklärung verlange.

Praxishinweis

Auch wenn das Urteil des BSG noch nicht vorliegt, ist spätestens jetzt eine genaue Prüfung des jeweiligen Honorarverteilungsmaßstabes und der ggf. weiter zu beachtenden Rechtsgrundlagen (z. B. Abrechnungsordnung) angezeigt, die je nach KV variieren können. Nach derzeitigem Stand müssen im Geltungsbereich der KV Bayern der ärztliche Leiter und ein Vertretungsberechtigter des MVZ (z. B. stellvertretender ärztlicher Leiter) die Sammelerklärung unterzeichnen. Demgegenüber müssen in Niedersachsen alle Vertragsärzte oder alternativ eine ärztlich tätigte vertretungsberechtigte Person und in Schleswig-Holstein der ärztliche Leiter sowie alle Vertragsärzte, soweit diese im MVZ tätig sind, die Sammelerklärung unterzeichnen. Das Urteil des BSG hat zur Folge, dass MVZ zukünftig noch stärker gefordert sein werden, durch Vertretungsregelungen oder andere Maßnahmen eine lückenlose ärztliche Leitung sicherzustellen, um das Risiko erheblicher Honorarrückforderungen durch die KVen zu vermeiden.  

Alexander Greiff
Tel: +49 30 208 88 1305

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