Gegenläufige finanzgerichtliche Entscheidungen über Neuregelungen des Grundsteuergesetzes
Gegenläufige finanzgerichtliche Entscheidungen
Auf Grundlage dieser Entscheidung hat der Gesetzgeber ein neues Verfahren zur Bemessung der Grundsteuer kodifiziert. Nach den Kritiken in der Literatur liegen mittlerweile die ersten Auffassungen der Finanzgerichte vor, was für gewerbliche Krankenhäuser von Relevanz ist und Argumentationspunkte in Einspruchs- und Klageverfahren bietet.
Historie
Das Bundesverfassungsgericht hat am 10. April 2018 entschieden, dass dem Gesetzgeber bei der Wahl der Bemessungsgrundlage und Ausgestaltung der Bewertungsregeln der Steuer ein großer Gestaltungsspielraum zustehe, solange sie geeignet sind, den Belastungsgrund der Steuer zu erfassen und dabei die Relation der Wirtschaftsgüter zueinander realitätsgerecht abzubilden. Selbst wenn der Sinn von Bewertungsregeln in der Vermeidung eines erheblichen Verwaltungsmehraufwandes im automatisierten Massenverfahren bestehe, so müsse eine realitätsnahe Besteuerung durch diese Bewertung gewährleistet sein.
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts kam zu dem Entschluss, dass die Einheitsbewertung nach der alten Rechtslage im Wege typisierter und pauschalierter Bewertungsregeln ohne weitere Feststellungen nicht realitätsgerecht war und dadurch Wertverzerrungen entstanden, die nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG vereinbar waren.
Auf Grundlage dieser Entscheidung erfolgte eine viel diskutierte Grundsteuerreform, die mit der Einführung des sog. Bundesmodells u. a. grundlegende Änderungen im Grundsteuer- und Bewertungsgesetz vorgenommen worden sind.
Entscheidungen der Finanzgerichte
Nunmehr liegen erste Entscheidungen der Finanzgerichte Sachsen und Rheinland-Pfalz vor, die sich mit der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen nach der neuen Rechtslage auseinandersetzen. Die Finanzgerichte kommen zu unterschiedlichen Auffassungen:
Das Finanzgericht Sachsen entschied durch Urteil vom 24. Oktober 2023 (Az. 2 K 547/23), dass gegen die neuen Regelungen des Grundsteuergesetzes und die sächsischen Sondervorschriften zur Feststellung der Grundsteuerwerte und dem Grundsteuermessbetrag keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Dem Gesetzgeber sei eine möglichst einfache und praktikable Gestaltung zur Bewertung des Grundbesitzes erlaubt, weshalb auch generalisierende, typisierende und pauschalierende Feststellungen getroffen werden dürfen. Die Grenze dieses Gestaltungsspielraums, insbesondere der Gleichheitssatz des Art. 3 GG, sei mit den neuen Regelungen gewahrt.
Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz kam in seinen Beschlüssen zu zwei Eilanträgen am 23. November 2023 (Az. 4 V 1295/23, 4 V 1429/23) zu einer anderen Auffassung und hat entschieden, dass die Vollziehung der dort angegriffenen Grundsteuerwertbescheide wegen ernstlicher Zweifel an der einfach rechtlichen Rechtmäßigkeit und insbesondere der Verfassungsmäßigkeit der entscheidungserheblichen Bewertungsregelungen auszusetzen sei. Der entscheidende Senat sieht durch die Bewertungsregelungen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG verletzt, da er sich nicht an das Gebot der realitäts- und relationsgerechten Grundstücksbewertung halte. Ob durch das aufgestellte Bewertungssystem relationsgerechte Bewertungsergebnisse erreicht und dadurch tatsächliche Wertunterschiede angemessen abgebildet sind, sei bereits mangels eindeutigen Belastungsgrundes der Grundsteuer nicht möglich. Zudem würde die Vielzahl gesetzlicher Typisierungen und Pauschalierungen, unter nahezu vollständiger Nichtberücksichtigung des konkret bewerteten Grundstücks, dazu führen, dass nicht von einer gleichheitsgerechten Bewertung ausgegangen werden könne. Außerdem bestehe keine Möglichkeit, einen unter dem typisierten Grundsteuerwert liegenden Wert eines Grundstücks nachzuweisen.
Fazit und Ausblick
Bemerkenswert ist, dass das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in seinen Entscheidungen im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein Gebot der realitäts- und relationsgerechten Grundstücksbewertung formuliert hat und die Regelungen des Grundsteuer- und Bewertungsgesetzes daran misst. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung dagegen ausdrücklich festgehalten, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung zur Bewältigung durch ein automatisiertes Massenverfahren eine erhebliche Einschätzungsprärogative besitze, solange die getroffenen Regelungen geeignet sind, eine realitäts- und relationsgerechte Bewertungsregelung zur Bemessung der Steuer zu ermöglichen. Dabei dürfen die Bewertungsregeln nicht generell realitätsnahe Bewertungen unmöglich machen.
Die konkreten Bewertungsfälle, über die die Finanzgerichte zu entscheiden hatten, lassen keine Schlussfolgerung zu, dass die neuen Regelungen im Bewertungsgesetz verfassungswidrig bzw. verfassungsgemäß sind. Ein Interessenverband hat bereits vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg die erste Musterklage erhoben und angekündigt, eine Überprüfung der reformierten Grundsteuer durch das Bundesverfassungsgericht erreichen zu wollen. Für eine rechtssichere Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit bleibt insbesondere dieses Verfahren abzuwarten.
Jens Krieger
Tel: +49 30 208 88 1280
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