Umsatzsteuer: umsatzsteuerfreie Beförderung von kranken und verletzten Personen

In seinem Urteil vom 24. August 2022 (XI R 25/20) hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Beförderung kranker und verletzter Personen oder solcher mit Behinderung durch einen hierfür anerkannten Unternehmer als „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistung“ im Sinne des Artikels 132 Abs. 1 Buchst. g Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) umsatzsteuerfrei ist.

Hintergrund

Gegenstand des Klageverfahrens war die Frage, ob die Beförderung von kranken und verletzten Personen nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) oder nach der MwStSystRL als umsatzsteuerfrei zu behandeln ist.

Sachverhalt

Der Kläger erbrachte Personenbeförderungsleistungen ausschließlich für und an kranke, behinderte oder verletzte Personen. Eine entsprechende Genehmigung zum Verkehr mit Mietwagen nach § 49 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) lag vor und galt nur für die Beförderung für Fahrgäste, die aufgrund ihrer körperlichen, geistigen oder seelischen Verfassung zur Einrichtung, Behandlung, Therapie, Arbeitsstätte, zum Krankenhaus, Arzt etc. gefahren werden müssen. Abgerechnet wurden die Leistungen direkt mit den Krankenkassen oder Berufsgenossenschaften oder bei Ablehnung direkt gegenüber dem Patienten.

Das Finanzamt bejahte die Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG nur teilweise und lehnte diese ab, soweit die Leistungen nicht mit Fahrzeugen erbracht wurden, die hierfür besonders eingerichtet waren.

Entscheidung des BFH

Nach Ansicht des BFH sind die Personenbeförderungsleistungen des Klägers nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL umsatzsteuerfrei. Bei diesen Dienstleistungen handelt es sich um „eng mit der Sozialfürsorge und sozialen Sicherheit“ verbundene Leistungen. Die unionsrechtliche Steuerbefreiungsvorschrift knüpft an leistungs- und personenbezogene Voraussetzungen an und nicht daran, welche Fahrzeuge für das Erbringen der Dienstleistungen verwendet werden.

Diese leistungs- und personenbezogenen Voraussetzungen liegen nach Ansicht des BFH vor. Gegenstand der strittigen Personenbeförderung war der Transport kranker oder verletzter Personen oder solcher mit Behinderung. Die grundsätzliche Abrechnung gegenüber Sozialleistungsträgern steht dem nicht entgegen.

Auch ist der Kläger im Inland als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt. Dies leitet der BFH ab aus der gesetzlichen Verankerung der Verordnungsfähigkeit der vom Kläger ausgeführten Krankenfahrten im Sozialversicherungsrecht als Teil der vertragsärztlichen Versorgung (§ 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V) und der tatsächlichen Kostenübernahme durch Sozialversicherungsträger in einem großen Teil der Fälle.

Einen Wettbewerb mit anderen Dienstleistern, welcher die Umsatzsteuerfreiheit nach europäischem Recht ausschließt (Art. 134 Buchst. b MwStSystRL), hat der BFH verneint. Der Kläger hat vielmehr Dienstleistungen erbracht, die über die bloßer Beförderung der kranken und verletzten Personen hinausgehen (Begleitung ins Krankenhaus; Bereitstellung von Notfallset und Sauerstoff). Eine Berufung auf Unionsrecht ist damit zulässig.

Bedeutung für die Praxis

Besondere Bedeutung hat das Urteil für die Unternehmen, die als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt sind, Krankentransporte durchführen und die damit entstehende Kosten zum Beispiel gegenüber Krankenkassen abrechnen dürfen. Diese können sich künftig auf das europäische Recht berufen und die Leistungen umsatzsteuerfrei abrechnen, unabhängig davon, welche Fahrzeuge verwendet werden.

Nach Ansicht des Gerichts entscheidet nicht die Ausstattung des Fahrzeugs über die Umsatzsteuerfreiheit der abzurechnenden Leistungen, sondern vielmehr die erbrachten Sonderleistungen, welche „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit“ verbunden sein müssen. Auf dieser Grundlage konnte der BFH auch einen Wettbewerb mit anderen Taxi- und Mietwagenunternehmen ausschließen, da die erbrachten Dienstleistungen über eine bloße Beförderungsleistung hinausgehen.

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