(Teil-)Privatisierungen kommunaler Krankenhäuser im Licht der EuGH-Rechtsprechung zur umsatzsteuerlichen Organschaft

Mit zwei viel beachteten Urteilen (Aktenzeichen C-141/20 und C-269/20 vom 1. Dezember 2022) hat der Europäische Gerichtshof grundsätzlich die Unionsrechtskonformität der deutschen Regelungen zur umsatzsteuerlichen Organschaft bestätigt. Auch wenn sich aus den Urteilen weitergehende grundsätzliche Fragestellungen ergeben, hat der EuGH jedenfalls eine Frage, die sich typischerweise in Zusammenhang mit der (Teil-)Privatisierung kommunaler Krankenhäuser, Pflegeheime o. Ä. stellt, beantwortet. Dieses ist zu begrüßen, da sich im Zuge der von Gesundheitsminister Karl Lauterbach angestoßenen Krankenhausreform diese Fragen sicherlich wieder häufiger stellen werden.

Die Privatisierung kommunaler Einrichtungen erfolgt oftmals durch Verkauf der Mehrheit der Anteile der kommunalen Eigengesellschaften an einen überregional tätigen Krankenhausbetreiber. Durch die Einbindung in den Klinikverbund sollen Synergien gehoben und das Weiterbestehen der Standorte gesichert werden. Betriebswirtschaftliche Voraussetzung ist regelmäßig die Einbeziehung der Einrichtung in den umsatzsteuerlichen Organkreis des Erwerbers. Andererseits fordert die lokale Politik regelmäßig gesellschaftsrechtlich abgesicherte Standortgarantien und Mitspracherechte hinsichtlich des grundsätzlichen Umfangs des Versorgungsangebots.

Aus umsatzsteuerlicher Sicht war bisher ungeklärt, ob beispielsweise Einstimmigkeitserfordernisse für solche grundsätzlichen Entscheidungen, die umsatzsteuerliche Organschaft zum Konzern des Erwerbers verhindern. So erfordert nach Auffassung des BMF und des BFH die für die umsatzsteuerliche erforderliche finanzielle Eingliederung neben dem Besitz der entscheidenden Anteilsmehrheit an der Organgesellschaft die Möglichkeit des Organträgers, durch Mehrheitsbeschlüsse seinen Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen (sog. Eingliederung mit Durchgriffsrechten, A 2.8 Abs. 5 UStAE). Diese Möglichkeit wäre beispielsweise bei einem Einstimmigkeitserfordernis nicht gegeben.

Der EuGH hat nunmehr in der Rechtssache C-141/20 entschieden, dass das übergeordnete Unionsrecht einer nationalen Regelung, die zusätzlich zu der gesellschaftsrechtlichen Mehrheitsbeteiligung auch eine Stimmrechtsmehrheit erfordert, entgegensteht. Diese könne auch nicht aus einer Notwendigkeit für die Missbrauchsverhinderung abgeleitet werden, da die deutsche Regierung selbst einräumt, dass dieses Erfordernis nicht notwendig sei, solange der Organträger in der Lage sei, seinen Willen bei den Organgesellschaften durchzusetzen.

Da gesellschaftsrechtlich verankerte Einstimmigkeitserfordernisse für Grundlagenentscheidungen regelmäßig nicht die (operative) Erhebung der Umsatzsteuer berühren, dürfte in diesen Fällen das Vorliegen der finanziellen Eingliederung nunmehr regelmäßig zu bejahen sein. Die Missbrauchsverhinderung im operativen Geschäft ergibt sich üblicherweise durch eine starke organisatorische Eingliederung, z. B. durch Geschäftsführeridentität oder Berufung (leitender) Angestellter des Organträgers als Geschäftsführer der privatisierten Gesellschaft.

Wermutstropfen für die Anwendung der Entscheidung ist, dass die Finanzverwaltung diese bisher nicht in den Umsatzsteueranwendungserlass übernommen hat. Dieses dürfte voraussichtlich erst nach Ergehen der Entscheidung des Bundesfinanzhofs im nunmehr unter Aktenzeichen XI R 29/22 geführten Ausgangsverfahren erfolgen.

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Autor

Jens Krieger
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