Grundlegende Reform der Krankenhausvergütung – die Empfehlung der Regierungskommission

Im Mai 2022 wurde die im Koalitionsvertrag vereinbarte „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ eingerichtet. Diese hat inzwischen drei Empfehlungen vorgelegt. Die 1. Stellungnahme vom 8. Juli 2022 betrifft Empfehlungen der AG Pädiatrie und Geburtshilfe für eine kurzfristige Reform der stationären Vergütung für Pädiatrie, Kinderchirurgie und Geburtshilfe. Die 2. Stellungnahme vom 22. September 2022 betrifft Tagesbehandlungen im Krankenhaus zur kurzfristigen Entlastung der Krankenhäuser und des Gesundheitswesens, und die 3. Empfehlung vom 6. Dezember 2022, um die es in diesem Beitrag gehen soll, die grundlegende Reform der Krankenhausvergütung.

Grundprinzipien des Reformvorschlags

Im Kern geht es um eine teilweise Abkehr von der derzeitigen leistungs- und mengenbasierten Krankenhausfinanzierung. Es gibt drei zentrale Prinzipien:

Einheitliche Definition von Versorgungsstufen

Es wird eine einheitliche Definition von Krankenhausversorgungsstufen (Leveln), um lokale, regionale und überregionale Versorgungsaufträge abzugrenzen, eingeführt. Folgende Level sind vorgesehen:

  • Level 1 – Grundversorgung wird unterteilt in: i (integrierte ambulant/stationäre Versorgung) und n (mit Notfallstufe – orientiert an den Vorgaben des G-BA-Notfallstufenkonzepts),
  • Level 2 – Regel- und Schwerpunktversorgung und
  • Level 3 – Maximalversorgung (mit Level 3-U = Universitätsmedizin).

Für die einzelnen Level sollen bundeseinheitlich Mindestvoraussetzungen gelten. Die Zuordnung der Krankenhäuser zu den Leveln erfolgt dann durch die Länder und die Einhaltung der Mindestvoraussetzungen wird vom Medizinischen Dienst überprüft.

Zum Hintergrund: Krankenhausplanung ist nach der Gesetzgebungskompetenz Ländersache. In den einzelnen Bundesländern gibt es Unterschiede betreffend der Eingruppierung von Krankenhäusern danach, ob sie z. B. der Grund- und Regelversorgung, zugehören. Es erscheint zweifelhaft, dass sich der Vorschlag mit der (derzeitigen) Kompetenzverteilung verträgt. Einige große Länder, Bayern und NRW, haben auch bereits Widerstand angekündigt.

Einführung von Leistungsgruppen

Ähnlich wie bereits in NRW (vgl. Beiträge im Newsletter 2/2020 und 2/2021, dort 32 Leistungsbereiche mit 64 untergeordneten Leistungsgruppen) sollen 128 Leistungsgruppen mit einer konkreten Definition von Strukturvorgaben eingeführt werden. Die Leistungsgruppen werden nach ICD-10-Diagnosen und OPS-Codes definiert. Die Leistungsgruppen werden dann den Leveln zugeordnet. Das heißt, einem Level-3-Krankenhaus werden ggf. alle 128 Leistungsgruppen zugeordnet, einem Level-1-Krankenhaus eben nur die für einfachere chirurgische Behandlungen etc. Die Zuordnung der Leistungsgruppen zu den Leveln erfolgt wiederum durch das Land.

Vergütung von Vorhalteleistungen

Für die Krankenhäuser der Level 1-n, 2, 3 (inklusive Unikliniken) wird für jede Leistungsgruppe der Anteil des Vorhaltebudgets festgelegt. Der Vorhalteanteil wird aus den derzeitigen aDRG ausgegliedert, normativ festgelegt und potenziell angepasst. Zu der Vorhaltung gehört ergänzend auch das ausgegliederte Pflegebudget. Die Vergütung der Leistungen setzt sich zukünftig also aus der allgemeinen Vorhaltefinanzierung, der Vorhaltefinanzierung für das Pflegebudget und dem verbleibenden Restanteil der aDRG – den sogenannten rDRG – zusammen.

Für die Leistungsgruppen der Intensivmedizin, der Notfallmedizin, der Geburtshilfe und der Neonatologie wird ein 60-prozentiger Vorhalteanteil, für alle übrigen Leistungsgruppen ein 40-prozentiger Vorhaltanteil empfohlen. Die Verteilung des jeweils festgelegten Vorhaltebudgets an die jeweiligen Krankenhausträger soll durch das Bundesamt für Soziale Sicherung erfolgen.

Die Vergütung der Level-1i-Krankenhäuser soll auf Basis von degressiven Tagespauschalen erfolgen. Die Vergütung der ärztlichen Leistungen erfolgt durch erhöhte Tagespauschalen bei fest am Krankenhaus angestellten Ärztinnen und Ärzten und nach EBM für Ärzte mit KV-Zulassung (analog zu belegärztlichen Leistungen). Hiermit soll ein hoher Anreiz einer engen sektorenübergreifenden Versorgung entstehen.

Gesonderte Berücksichtigung von Fachkliniken (und Belegkrankenhäusern?)

Nur minimale Hinweise finden sich zum Umgang mit Fachkliniken und Belegkrankenhäusern. Zu Fachkliniken äußert sich die Empfehlung wie folgt:

„Aufgrund der Besonderheit der deutschen Krankenhauslandschaft bedarf es zusätzlich zu den drei Leveln einer gesonderten Berücksichtigung der Fachkliniken mit einer häufig hohen Expertise und hohen Fallzahlen in ihren spezifischen und begrenzten Fachgebieten. Sie müssen gesondert betrachtet werden, weil sie typischerweise keine Notaufnahmen haben, aber teilweise für die Versorgung der Bevölkerung trotzdem elementar sind. Ihr Leistungsspektrum entspricht grundsätzlich dem Level 2, zum Teil Level 3. Die Regierungskommission regt trotzdem an, dass diese hochqualifizierten Kliniken zukünftig baulich und inhaltlich in Kliniken der Stufe II und III integriert werden.“

Mit anderen Worten, mehr als die Empfehlung der langfristigen Abschaffung von singulären Fachklinik- Standorten gibt das Papier nicht her. Gerade Fachkliniken (die zum Teil auch Belegkliniken sind) sind an der Schnittstelle der Sektoren tätig. Ob mit der Integration von singulären Fachkliniken in Level-2- oder -3-Krankenhäuser wirklich Synergien zu erzielen sind, scheint zweifelhaft. Hier hätte jeweils eine Einordnung in Level 1i nahegelegen. Dass eine solche Zuordnung nicht vorgenommen wurde, verwundert, da es im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Vergütung der Level-1i-Krankenhäuser heißt: „Die Vergütung der ärztlichen Leistungen erfolgt … nach EBM für Ärzte mit KV-Zulassung (analog zu belegärztlichen Leistungen)“. Diese Formulierung lässt zumindest hoffen, dass das Belegarztwesen nicht grundsätzlich angegangen werden soll.

Weitere Empfehlung

Um effizienzsteigernde Zusammenlegungen von Standorten oder Fachabteilungen (nicht genannt, aber vermutlich auch gemeint: Schließungen von Krankenhäusern) zu fördern, empfiehlt die Kommission die Neuauflage des Krankenhausstrukturfonds, der dabei gleichzeitig auch ökologische Neubauten fördern sollte, um langfristig Klimaneutralität der Krankenhäuser zu erreichen. Bisher wurden mit Mitteln des KHSFV 34 Krankenhäuser geschlossen.

Ausblick

Um es vorwegzunehmen: Die Empfehlung wurde noch nicht in einen Gesetzesentwurf überführt. Der Bundesgesundheitsminister hält die Vorschläge aber „für einen guten Ansatz, der weiterverfolgt wird“. Bis ein Gesetzentwurf vorliegt und das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen hat, wird es noch eine Weile dauern. Im Anschluss daran wird sich eine Konvergenzphase anschließen, die Empfehlung lautet auf fünf Jahre. Auch wenn abzuwarten bleibt, ob die Länder mitziehen werden, werden Teile der Reform wahrscheinlich kommen, sicherlich aber nicht vor 2024. Insofern werden wir die weitere Entwicklung zunächst aufmerksam beobachten.

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Autor

Dr. Moritz Ulrich
Tel: +49 30 208 88 1408

Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 1-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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