Steuerfreiheit von ärztlichen Heilbehandlungen im Rahmen von Krankenhausleistungen
FG Schleswig-Holstein v. 17. Mai 2022 – 4 K 119/18
Mit Urteil vom 17. Mai 2022 hat das FG Schleswig-Holstein entschieden, dass ärztliche Heilbehandlungen gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG als Heilbehandlungsleistungen auch dann steuerfrei sind, wenn sie im Rahmen von Krankenhausleistungen erbracht werden und diese Krankenhausleistungen ihrerseits nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG begünstigt sind, weil nicht alle Voraussetzungen dieser Norm erfüllt sind. Entgegen der Auffassung des FG Düsseldorf (Urteil v. 17. Februar 2017 – 1 K 1994/13 U) wird die Anwendung von § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG (Heilbehandlungsleistungen) nicht dadurch verhindert, dass der Anwendungsbereich von § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG (Krankenhausbehandlungen) dem Grunde nach eröffnet ist. Die Revision beim BFH ist anhängig (V R 10/22).
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, erbrachte im Streitjahr Leistungen im Bereich der ästhetisch-plastischen Chirurgie durch ihren Geschäftsführer und Alleingesellschafter, den Arzt Dr. C. Sämtliche durch die Klägerin durchgeführten Operationen erfolgten ausschließlich in Räumlichkeiten von Krankenhäusern, die die Vorgaben von § 108 SGB V erfüllten. Dabei erfolgten einige Behandlungen an Standorten, an denen die Klägerin selbst nach § 30 GewO unter dem Dach der Klinik E konzessioniert war. Andere Behandlungen erfolgten an Standorten, an denen die Klägerin die Behandlungsmöglichkeiten anderer nach § 30 GewO konzessionierter Klinken in eigener Verantwortung nutzte. Dabei bestanden drei verschiedene Behandlungskonstellationen:
- In der ersten Konstellation erfolgte die Sprechstunde in einer Klinik („Klinik G“), wo auch die Operation und der stationäre Aufenthalt erfolgten.
- In der zweiten Konstellation erfolgte die Sprechstunde in einer anderen Klinik („Klinik I“), während die Operation/der stationäre Aufenthalt im Rahmen der Krankenhauskonzession der Klägerin an einem anderen Standort erfolgte.
- In der dritten Konstellation wurde die Sprechstunde in der Klinik I durchgeführt, wo auch die Operation und der stationäre Aufenthalt erfolgten.
Zwischen der Klägerin und dem beklagten Finanzamt wurde im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung Einigung über den Anteil medizinisch indizierter Heilbehandlungen der Klägerin getroffen. Insoweit war dies nicht Streitgegenstand der Klage.
Vielmehr vertrat das beklagte Finanzamt – unter Berufung auf die Entscheidung des FG Düsseldorf vom 17. Februar 2017 – die Auffassung, dass die Klägerin als Krankenhaus i. S. d. § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG einzustufen sei. Da die Voraussetzungen dieser Befreiungsvorschrift aber nicht vorlagen, könne die Umsatzsteuerbefreiung insgesamt – also auch mit Blick auf die medizinisch indizierten Heilbehandlungen – nicht gewährt werden. Insbesondere sei es ausgeschlossen, § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG als Befreiungsvorschrift heranzuziehen.
Nach erfolglosem Einspruch wendete sich hiergegen die Klägerin im Rahmen der Klage.
Entscheidungsgründe
Das FG Schleswig-Holstein gab der Klage statt und erklärte, dass für den – unstreitig zwischen den Parteien bestehenden – Anteil medizinisch indizierter Heilbehandlungen der Klägerin § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG greift und dieser somit von der Umsatzsteuer befreit ist.
Dabei stellte das FG Schleswig-Holstein zunächst fest, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG im Streitfall vorlagen. Bei richtlinienkonformer Auslegung setze die Vorschrift voraus, dass der Unternehmer
- eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin (d. h. Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, die Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen) durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt
- und dass er die dafür erforderliche Qualifikation besitzt.
Der Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Klägerin war als Erbringer medizinischer Leistungen als approbierter Arzt hinreichend qualifiziert. Auch lag eine – durch die tatsächliche Verständigung im Umfang zwischen den Parteien unstreitige – medizinisch indizierte Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin vor.
Diese Steuerbefreiung sei auch nicht – so das FG Schleswig-Holstein – dadurch ausgeschlossen, dass der persönliche Anwendungsbereich von § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG dem Grunde nach erfüllt und die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG dadurch verdrängt wäre. Zwar sprächen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin auch Krankenhausleistungen im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG und Art. 132 Abs. 1 Buchst. b Mehrwertsteuersystemrichtlinie erbracht habe. Jedoch teile der Senat nicht die Auffassung des Beklagten und des FG Düsseldorf, wonach medizinisch indizierte Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die von einem approbierten Arzt erbracht werden, im Anwendungsbereich der ab 2009 geltenden Rechtslage nicht (mehr) nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei sein können, wenn die Behandlungen in einem Krankenhaus erfolgen und damit grundsätzlich der Anwendungsbereich des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG/Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b Mehrwertsteuersystemrichtlinie eröffnet sei.
Das FG Schleswig-Holstein stellt dabei ausführlich die Rechtsprechung des FG Düsseldorf einerseits sowie das Verfahren des FG Niedersachsen vom 3. September 2015 (Az.: 16 K 340/12) andererseits dar, welches im Rahmen der Revision beim BFH dem EuGH vorgelegt wurde. Der EuGH hatte mit Urteil vom 18. September 2019 (C-700/17 „Peters“) entschieden, dass sich die Steuerfreiheit der im Streitfall entrichteten Heilbehandlung eines Facharztes nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c Mehrwertsteuersystemrichtlinie (entspricht § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG) beurteile, wenn nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b Mehrwertsteuersystemrichtlinie erfüllt seien. Im Nachgang entschied das FG Niedersachsen sodann, dass die Vorschrift des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG bei den dort streitigen Heilbehandlungen unabhängig von dem Ort der Leistungserbringung neben der Vorschrift des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG anwendbar sei.
Das FG Schleswig-Holstein hat sich dieser Rechtsprechung nunmehr angeschlossen und eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG bejaht. Die Revision beim BFH ist anhängig (V R 10/22).
Ausblick
Das Urteil ist aufgrund der umfangreichen Darstellung der Historie und der ausführlichen Beschreibung des Verhältnisses von Heilbehandlungsleistungen gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG und Krankenhausbehandlungsleistungen gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung lesenswert.
Das Verfahren ist – trotz der vorhandenen EuGH-Rechtsprechung aus unserer Sicht überraschend – beim BFH anhängig. Ob sich der BFH tatsächlich noch einmal mit dem Konkurrenzverhältnis von § 4 Nr. 14 Buchst. a und b UStG befassen wird, bleibt abzuwarten. Vor dem Hintergrund der eindeutigen EuGH-Rechtsprechung auf diesem Gebiet wäre eine vom FG Schleswig-Holstein abweichende Rechtsprechung sehr überraschend.
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Autorin
Dr. Kristina Frankus
Tel: +49 221 28 20 2503
Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 4-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.