BGH zur Verwendung eines Doktortitels in der Bezeichnung eines MVZ

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 11. Februar 2021 (Az. I ZR 126/19) entschieden, wann ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) einen Doktortitel zur Bezeichnung des MVZ nutzen darf.

Im Fall ging es um ein zahnärztliches MVZ, dessen Träger eine GmbH ist. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH ist ein promovierter Zahnarzt, wobei jedoch in dem konkreten MVZ, das die GmbH betreibt/betrieb, kein promovierter Zahnarzt tätig ist/war. Der zahnärztliche Bezirksverband erhob deshalb Unterlassungsklage. Er wollte eine Verwendung des Namensbestandteils „Dr.“ verhindern, solange das lokale Unternehmen keinen promovierten Zahnarzt beschäftigte.

Die Leitsätze der BGH lauten:

  1. Eine für die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen oder für einen Kaufentschluss erhebliche Täuschung über die Verhältnisse des Unternehmens kann vorliegen, wenn nicht unerhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs einem in der Firma enthaltenen Doktortitel entnehmen, dass ein promovierter Akademiker Geschäftsinhaber oder ein die Gesellschaftsbelange maßgeblich mitbestimmender Gesellschafter sei oder gewesen sei, und daraus herleiten, dass besondere wissenschaftliche Kenntnisse und Fähigkeiten des Genannten auf dem Fachgebiet des in Frage stehenden Geschäftsbetriebs die Güte der angebotenen Waren mitbestimmten (Fortführung von BGH, Urteil vom 24. Oktober 1991 – I ZR 271/89, GRUR 1992, 122 = WRP 1992, 101 – Dr. Stein ... GmbH).
  2. Der Doktortitel wird im Verkehr als Nachweis einer besonderen wissenschaftlichen Qualifikation angesehen, die über den Hochschulabschluss hinausgeht (Weiterentwicklung von BGH, GRUR 1992, 122 – Dr. Stein ... GmbH; Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 8. Mai 2018 – II ZB 7/17, GmbHR 2018, 846; Beschluss vom 8. Mai 2018 – II ZB 26/17, GmbHR 2018, 850; Beschluss vom 8. Mai 2018 – II ZB 27/17, GmbHR 2018, 848).
  3. Bei Verwendung eines Doktortitels zur Bezeichnung eines zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentrums bezieht sich die Erwartung des Verkehrs nicht auf die maßgebliche (kaufmännische) Mitbestimmung durch einen promovierten Gesellschafter im Trägerunternehmen, sondern auf die (medizinische) Leitung des Versorgungszentrums durch einen promovierten Zahnarzt.

Nach der aktuellen Fassung des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB darf die Firma keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Der Beklagte hat dem BGH zufolge gegen das Irreführungsverbot nach § 8 Abs. 1, §§ 3, 5 Abs. 1 UWG verstoßen, indem er den „Dr.“ im Namen des Zentrums führte, ohne dort einen promovierten Zahnarzt als medizinischen Leiter zu beschäftigen.

Der BGH betont:

„Der akademische Titel beweist unabhängig von Fakultätszusätzen und sich daraus ergebenden Spezialkenntnissen eine abgeschlossene Hochschulausbildung. Seinem Träger wird in der breiten Öffentlichkeit – gleich ob zu Recht oder zu Unrecht – besonderes Vertrauen in seine intellektuellen Fähigkeiten, seinen guten Ruf und seine Zuverlässigkeit entgegengebracht.“

In drei neueren Beschlüssen hatte der Bundesgerichtshof zwar entschieden, dass die verbleibenden Partner einer Partnerschaft von Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern nach dem Ausscheiden des promovierten Namensgebers auch dann nach § 24 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 2 Abs. 2 PartGG zur Fortführung des Namens der Partnerschaft befugt sind, wenn keiner von ihnen promoviert hat. Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof maßgeblich darauf abgestellt, dass für die Zulassung als Rechtsanwalt oder Steuerberater beziehungsweise die Bestellung als Wirtschaftsprüfer im Grundsatz eine akademische Ausbildung erforderlich ist (vgl. § 4 Satz 1 Nr. 1 BRAO, § 5 Abs. 1 DRiG; § 35 Abs. 1 Satz 1, § 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StBerG; § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 1 WiPrO). Daher ist die besondere Wertschätzung, die dem Doktortitel aufgrund der darin zum Ausdruck kommenden abgeschlossenen Hochschulausbildung von der breiten Öffentlichkeit entgegengebracht wird, auch nach dem Ausscheiden des promovierten Namensgebers begründet. Das Berufungsgericht hat dem BGH zufolge diese Rechtsprechung zu Unrecht auf die im Streitfall vorzunehmende Prüfung am Maßstab des § 5 Abs. 1 UWG übertragen.

Der BGH betont die besondere Bedeutung des Doktortitels im Bereich der gesundheitsbezogenen Werbung. Nach der Rechtsprechung des BGH hängt es von der Art des Geschäftsbetriebs ab, ob sich die generelle Wertschätzung für den Doktortitel in einer für den Geschäftsverkehr erheblichen Weise auswirkt. Im Bereich der Gesundheitswerbung gelten besonders strenge Anforderungen für den Ausschluss einer Irreführungsgefahr. Diese gelten auch für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Firma eines Unternehmens, das gesundheitsbezogene Dienstleistungen anbietet.

Der BGH führt aus:

„Die Erwartung des Verkehrs bei Verwendung eines Doktortitels zur Bezeichnung eines solchen Versorgungszentrums bezieht sich allerdings nicht auf die maßgebliche (kaufmännische) Mitbestimmung durch einen promovierten Gesellschafter im Trägerunternehmen, sondern auf die (medizinische) Leitung des Versorgungszentrums durch einen promovierten Zahnarzt. Dies folgt daraus, dass sich die Verbraucher noch immer am hergebrachten Leitbild des niedergelassenen selbstständigen Zahnarztes orientieren und dieses auf die noch verhältnismäßig neue Organisationsform des zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentrums übertragen. Es kann auch nicht als beim Verkehr bekannt vorausgesetzt werden, dass ein Trägerunternehmen mehrere zahnärztliche medizinische Versorgungszentren betreiben darf. Dementsprechend erstrecken sich die von einem Doktortitel ausgehenden Erwartungen der Verbraucher auf die medizinische Leitung des Versorgungszentrums vor Ort. Diese Funktion kommt dem sogenannten ärztlichen Leiter zu, der gemäß § 95 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 SGB V in medizinischen Fragen weisungsfrei gestellt ist und somit die wesentliche Verantwortung für die Qualität der Patientenversorgung trägt. Wird für ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum eine Bezeichnung verwendet, die der Verkehr als Kürzel für eine promovierte ärztliche Leitung verstehen kann, bedarf es daher eines klarstellenden Hinweises, dass die ärztliche Leitung nicht über einen Doktortitel verfügt, soweit sich dies nicht mit hinreichender Klarheit aus anderen Umständen ergibt.“

Der BGH hat die Sache zur neuen Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die besondere Praxisrelevanz des Urteils zeigt sich daran, dass im Bereich des Gesundheitswesens nicht nur bei MVZ, sondern auch z. B. bei Praxen, Krankenhäusern und Medizinprodukteherstellern in der Unternehmensbezeichnung der Titel „Dr.“ verwendet wird.

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Health-Care-Newsletter 2-2021. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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