Stock-Option- und sonstigen Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen
Stock-Option- und Mitarbeiterbeteiligungsprogramme
Die Gewährung von Aktienoptionen oder vergleichbaren Vergütungsmodellen wird in den letzten Jahren immer beliebter.
Vorläufige Klarheit in Bezug auf die Frage der Berücksichtigung solcher Leistungen bei Karenzentschädigungen vermittelt die – allerdings noch nicht rechtskräftige – LAG-Entscheidung vom 11.08.2021 – 10 Sa 284/21 (Vorinstanz ArbG Minden).
Karenzentschädigungen entstehen bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten von Arbeitnehmern. In der Entscheidung stritten die Parteien konkret um die Einbeziehung von sogenannten Restricted Stock Units (RSUs) bei einer Karenzentschädigung. Nach dem Arbeitsvertrag des Klägers hatte dieser während des Verbotszeitraums einen Anspruch auf die Hälfte der von ihm zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen. Dies richtete sich nach dem im Arbeitsvertrag vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbot und der Entschädigungsregelung. Einbezogen wurden auch die gesetzlichen Regelungen des Handelsgesetzbuchs (§§ 74 ff. HGB). Der Kläger wurde zudem bereits vor Abschluss des Arbeitsvertrages auf die Möglichkeit des Bezugs der RSUs aufmerksam gemacht.
Der beklagte Arbeitgeber richtete sich nach einem speziellen Modell, in dem sich das Gehalt bestimmter Mitarbeiter in herausgehobener Stellung aus den RSUs und einem moderaten Grundgehalt zusammensetzte. Die Teilnahme an diesem Modell hatte der Kläger mit der Konzernobergesellschaft vereinbart. Auch über die jährliche Zuteilung entschied die Konzernobergesellschaft. Die Gesamtvergütung, die sich aus dem Grundgehalt und den RSUs ergab, wurde dem Kläger von der Beklagten mitgeteilt, wobei sie in diesem Schreiben darauf hinwies, dass die RSUs von der Konzernobergesellschaft zur Verfügung gestellt und bei der Berechnung einer Karenzentschädigung nicht berücksichtigt würden. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass auch die RSUs, die im dreijährigen Zeitraum vor seinem Ausscheiden gewährt wurden, bei der Höhe der Karenzentschädigung berücksichtigt werden müssten.
Das LAG hat zugunsten der Beklagten entschieden, dass es sich bei den bezogenen RSUs nicht um vertragsgemäße Leistungen im Sinne von §§ 74 II, 74b II HGB i. V. m. § 110 GewO gehandelt habe. Hier kam es dem LAG ganz wesentlich auf die vertragsrechtliche Lage an. Es reiche nicht aus, dass die RSUs „im Zusammenhang“ mit einem bestehenden Arbeitsverhältnis ausgegeben würden. Wenn der Arbeitgeber nicht zur Leistung der RSUs im laufenden Arbeitsverhältnis verpflichtet sei, so könne dies auch nicht bei der Zahlung der Karenzentschädigung Berücksichtigung finden.
Entsprechende Programme, die im Folgenden erläutert werden, dienen insbesondere der Mitarbeiterbindung. In der Rechtspraxis sind oft die Rechtsnatur, der Verpflichtete und das anwendbare Recht für solche Leistungen fraglich. Eine rechtliche Analyse und Beratung ist dringend zu empfehlen.
Allgemeines
Um Arbeitnehmer langfristig an das Unternehmen zu binden und um sie zu motivieren, durch ihre Arbeitsleistung zum Unternehmenserfolg beizutragen, gibt es neben einer Vielzahl von Alternativen etwa Mitarbeiterbeteiligungsprogramme in Form von Aktienoptionsplänen. Hierbei werden Mitarbeiter durch sogenannte Restricted Stock Units und Aktienoptionen wirtschaftlich am Erfolg des Unternehmens beteiligt. Dabei erhalten Mitarbeiter bei der Erfüllung von bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf oder unmittelbar Anteile von Unternehmen. Arbeitnehmer können ihre Aktien des ausgebenden Unternehmens etwa zu einem zuvor festgelegten Preis kaufen. Dieses Recht der Aktienoptionen wird nach Ablauf einer konkreten Frist und unter bestimmten Voraussetzungen ermittelt. Sogenannte Restricted Stock Units (RSUs) sind in Gegensatz zu den Aktienoptionen Aktienbezugsrechte. Durch sie können Mitarbeiter eines Unternehmens Aktien erhalten, wenn eine bestimmte Sperr- oder Wartefrist abgelaufen ist und/ oder bestimmte sonstige Voraussetzungen erfüllt worden sind. Zum Beispiel nach Ablauf der Wartezeit werden sie dem Arbeitnehmer zugeteilt, sodass der Zeitpunkt des Aktienbezugs nicht in den Händen des Arbeitnehmers liegt. Scheidet der Arbeitnehmer vor Ablauf der jeweiligen Sperr- oder Wartefrist aus dem Konzern aus, kann es zum Verfall kommen.
Rechtliche Gestaltung
In einem Aktienoptionsplan werden die Grundsätze der Mitarbeiterbeteiligungsprogramme einseitig von der emittierenden Gesellschaft (meistens Konzernobergesellschaft) festgelegt. Durch Gewährungsverträge (Award Agreements), die zwischen den begünstigten Arbeitnehmern und der emittierenden Gesellschaft geschlossen werden, erfolgt die Zuteilung der im Plan vorgesehenen Leistungen. In solchen Gewährungsverträgen findet man zum Teil sehr komplexe Regelungen. Geregelt wird z. B. auch, unter welchen Voraussetzungen Optionen oder RSUs verfallen können, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von Fristen endet. Auch eine Sperr- bzw. Haltefrist wird üblicherweise hier bestimmt.
Rechtsweg
Grundsätzlich bestehen zwei Rechtsbeziehungen, wenn der Arbeitnehmer statt bei der aktienemittierenden Gesellschaft bei einer Tochtergesellschaft angestellt ist:
- zum einen das Rechtsverhältnis zwischen der aktienemittierenden Gesellschaft und dem Arbeitnehmer und
- zum anderen das Arbeitsverhältnis zwischen der Anstellungsgesellschaft (Arbeitgeber) und dem Arbeitnehmer.
Die ordentlichen Gerichte sind zuständig für Klagen gegen die Konzerngesellschaften. Die Arbeitsgerichte dagegen für Klagen gegen den Arbeitgeber als Anspruchsgegner.
Anspruchsgegner
Wenn Aktienoptionen bzw. RSUs nicht von der Anstellungsgesellschaft gewährt werden, sondern von einer anderen, dann ist Anspruchsgegner dieses andere vertragsschließende Konzernunternehmen. Problematisch für einen inländischen Arbeitgeber ist dann regelmäßig, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen er, gegebenenfalls neben dem Emittenten, passivlegitimiert ist. Hierbei ist entscheidend, wie die Parteien die Teilnahme am Aktienoptions- bzw. RSU-Programm vereinbart haben.
Regelung im Arbeitsvertrag
Im Arbeitsvertrag kann eine konkludente oder ausdrückliche Erklärung über die Teilnahme am Aktienoptions- bzw. RSU-Programm enthalten sein. Erst wenn die Gewährung von Optionen oder RSUs als Gegenleistung im Vertrag bezeichnet wird, ist allerdings eine Verpflichtung des Arbeitgebers anzunehmen. Die bloße Erwähnung des Programms begründet keinen Anspruch. Diese wäre etwa rein deklaratorischer Natur, wenn dies entsprechend formuliert ist. Unter anderem auch bei solchen Formulierungen ist anwaltliche Hilfe dringend zu empfehlen.
Regelung außerhalb des Arbeitsvertrags
Ob Erklärungen des Arbeitgebers einen Anspruch begründen, muss durch Auslegung festgestellt werden. Erwähnungen, Mitteilungen über die Leistungen oder Gespräche mit dem Arbeitgeber darüber führen nicht automatisch zu einer rechtlichen Verpflichtung. Ohne zusätzliche Anhaltspunkte kann in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber sich für solche Leistungen verpflichten will.
Auch der Gehaltsabrechnung etwa kann keine rechtlich bindende Erklärung entnommen werden, wenn in ihr RSUs bzw. Optionen erwähnt werden. Dazu ist der Arbeitgeber meist allein steuer- und sozialversicherungsrechtlich verpflichtet.
Exkurs: Anwendbarkeit deutschen Rechts
Für die Gewährungsverträge besteht der Grundsatz der freien Rechtswahl. Diese können eine konkludente oder ausdrückliche Rechtswahlvereinbarung enthalten. Erfolgen kann sie auch durch Bezugnahme auf einen anderen Vertrag oder in allgemeinen Geschäftsbedingungen. Wurde keine Rechtswahlvereinbarung getroffen, ist nach Art. 4 II Rom I-VO das Recht des Staates maßgebend, in dem die Partei, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung zu erbringen hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Besteht eine engere Verbindung zu einem anderen Staat, gilt dies nicht, Art. 4 III Rom I-VO. Wenn anhand der für den Vertrag charakteristischen Leistung das anzuwendende Recht nicht bestimmt werden kann, ist gemäß Art. 4 IV Rom I-VO das Recht des Staates maßgebend, zu dem der Vertrag die engste Verbindung aufweist. In der Regel ist die vertragscharakteristische Leistung in dem Staat, in dem die Konzernobergesellschaft ihren Sitz hat.
Zur Anwendung käme dann das ausländische Recht, auch wenn das Arbeitsverhältnis in Deutschland besteht. Freilich bleiben zwingende Arbeitnehmerschutzvorschriften aus dem deutschen Recht regelmäßig erhalten.
Mitbestimmungsrechte eines Betriebsrats
Gewährt die Konzernobergesellschaft Aktienoptionen, ist fraglich, ob bzw. in welchem Umfang ein beim Vertragsarbeitgeber bestehender Betriebsrat mitbestimmen kann. Das Bundesarbeitsgericht (BAGE 127, 1 = NZA 2008) hat in der Vergangenheit bereits einen Auskunftsanspruch des Betriebsrats (§ 80 II i. V. m. § 75 I BetrVG) abgelehnt. Nach der Entscheidung ist für den Erhalt der Auskunft ein Aufgabenbezug erforderlich, welcher fehle. Da der Arbeitgeber nicht selbst über die Verteilung von Aktienoptionen entscheide, finde auch der Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 75 I BetrVG keine Anwendung. Diese beziehe sich nämlich nur auf Entscheidungen des Arbeitgebers.
Wenn Aktienoptionen oder RSUs durch die Konzernobergesellschaft gewährt werden, besteht auch kein Auskunfts- oder Mitbestimmungsrecht aus § 87 I Nr. 10 BetrVG. Bestätigt wurde dies z. B. durch den BAG-Beschluss vom 12.06.2019, 1 ABR 57/17. Hat der Arbeitgeber sich nicht verpflichtet, solche Leistungen zu gewähren, sind sie auch nicht Teil des geschuldeten Entgelts. Auch hat der Arbeitgeber keinen Gestaltungsspielraum, was die Zuteilung der Leistungen angeht, so dass daran auch kein Betriebsrat beteiligt werden kann.
Fazit
Es ist große Sorgfalt bei der Gewährung entsprechender Anreize für die Arbeitnehmer geboten. Komplexe Vorgänge sind stringent zu strukturieren, um Rechtsnachteile für den Arbeitgeber zu vermeiden.
Haben Sie Fragen oder weiteren Informationsbedarf?
Autor
Andreas Thomas
Tel: +49 69 96 76 51 663
Dies ist ein Beitrag aus unserem Newsletter „Menschen im Unternehmen“ 1-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.