Unternehmerentscheidung und Mitbestimmung des Betriebsrats

Fehlende gesetzliche Definition der Umstrukturierung

Umstrukturierungen auf Unternehmens- und Betriebsebene gehen nicht nur mit gesellschaftsrechtlichen, sondern auch mit arbeitsrechtlichen und insbesondere betriebsverfassungsrechtlichen Fragestellungen einher.

Die Beratungspraxis hat gezeigt, dass von Anfang an dabei großer Wert auf die Einbindung des Betriebsrats gelegt werden sollte. Arbeitgeber haben den Betriebsrat gemäß § 111 BetrVG über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. Dies gilt schon für Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern.

Das Betriebsverfassungsgesetz benennt selbst die Betriebsänderungen. Hierunter fallen die

  • Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
  • die Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
  • der Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
  • grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen sowie
  • die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.

Von Umstrukturierung ist hier erst einmal nicht die Rede. Gesetzlich ist dieser Begriff zudem nicht definiert. Er kann sehr weit verstanden werden und sämtliche Änderungen in der Unternehmens- und Betriebsorganisation des Arbeitgebers erfassen. Die Umstrukturierung ist dabei als Oberbegriff anzusehen, unter den sowohl Umstrukturierungen auf Unternehmensebene, auf Betriebsebene als auch auf beiden Ebenen fallen.

Umstrukturierungen allein auf Unternehmensebene berühren erst einmal nicht die Betriebsorganisation an sich. Dies gilt sowohl für den Fall des bloßen Gesellschafterwechsels als auch dann, wenn tatsächlich der Arbeitgeber wechselt. Bei einem Betriebsübergang in der Form, dass der gesamte Betrieb gemäß § 613a BGB übernommen wird, bleibt der Betrieb erhalten und der Erwerber tritt schon von Rechts wegen in die Arbeitsverhältnisse ein. Eine Umstrukturierung auf der Unternehmens- kann jedoch auch auf die Betriebsebene durchschlagen und es kann eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG vorliegen. Dies ist der Fall bei einer Ausgliederung von Betriebsteilen oder beim Kauf einer einzelnen Abteilung. In solchen Fällen sind Mitbestimmungsrechte zwingend zu wahren.

Mitbestimmungsrechte sind daher auch dann zu wahren, wenn zum Beispiel lediglich ein „Umzug“ stattfindet, d. h. wenn ein Betrieb oder ein Betriebsteil mit einem anderen Betrieb zusammengelegt wird. Man befindet sich dann im Anwendungsbereich des § 111 Nr. 2 BetrVG („Verlegung“). Auch wenn es sich lediglich um einen „Umzug“ womöglich innerhalb derselben Stadt handelt und dieser aus Sicht des Arbeitgebers nicht mit erheblichen Folgen für die Arbeitnehmer verbunden ist, sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zwingend zu wahren.

Gemäß § 111 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Eine Unterrichtung kann allerdings immer nur dann noch rechtzeitig erfolgen, wenn der Arbeitgeber keine unumkehrbaren Maßnahmen getroffen und damit vollendete Tatsachen geschaffen hat (BAG, Urt. v. 18.07.2017 – 1 AZR 546/15). Es muss also noch die Möglichkeit für den Betriebsrat bestehen, mit dem Arbeitgeber das Ob und Wie der Betriebsänderung zu beraten und Einfluss darauf zu nehmen. Hierbei gilt es, den richtigen Zeitpunkt zu finden, in dem eine hinreichend konkrete Unternehmerentscheidung gefasst ist, über die der Betriebsrat informiert werden und hinsichtlich deren Umsetzung er mit beraten kann. Auch wenn dies banal erscheinen mag, so zeigt die Praxis, dass gerade der Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat an dieser Stelle eine erhebliche Bedeutung beizumessen ist.

Frühzeitige und umfassende Kommunikation der Unternehmerentscheidung nicht allein im Interesse des Arbeitgebers

Auch wenn Arbeitgeber versucht sein können, Informationen zurückzuhalten, und bei Umstrukturierungen nicht als Erstes an die Einbeziehung des Betriebsrats denken, so ist darauf hinzuweisen, dass man sich mit einer Unterrichtung nicht zu lange Zeit nehmen sollte. Nicht selten werden Betriebsräte erst dann informiert, wenn die unternehmerische Entscheidung bereits unumkehrbar ist und sie de facto gar nicht mehr mitbestimmen können. Eine solche Situation sollte möglichst vermieden werden und sie gefährdet das vertrauensvolle Zusammenwirken zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Das vertrauensvolle Zusammenwirken zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ist jedoch insbesondere bei Umstrukturierungen spätestens dann entscheidend, wenn es um den Abschluss von gesetzlich vorgesehenem Interessenausgleich und Sozialplan bei Betriebsänderungen gemäß § 112 BetrVG geht.

Die Unterrichtung bildet die Grundlage für spätere Verhandlungen. Wenn sie unterbleibt und/oder nicht umfassend erfolgt, fehlt bereits ein elementarer Grundstein für spätere Verhandlungen, was sich in diesen auch zwangsläufig niederschlagen wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn man von Unternehmerseite sehr zurückhaltend mit den Informationen umgeht und der Betriebsrat sich schwer damit tut und mangels ausreichender Information auch tun muss, nachzuvollziehen, was die Konsequenzen der Umstrukturierung für den Betrieb sowie die Arbeitnehmer sind. In Unternehmen mit Betriebsrat sind diesem daher insbesondere die zur Durchführung seiner Arbeit erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Geschieht dies in unzureichender Weise, entstehen Spannungen und nicht selten sehen sich Betriebsräte gezwungen, Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen, um an die benötigten Informationen zu gelangen. Beachtet werden sollte in diesem Zusammenhang, dass Betriebsräte sich dann durch einen Rechtsanwalt beraten lassen können, wenn sie dessen Einschaltung nach Abwägung aller Umstände als notwendig erachten durften. Im Fall von unzureichender Unterrichtung dürfte dies leicht anzunehmen sein und Betriebsräte sehen häufig keine andere Wahl mehr, ihre Mitbestimmungsrechte durchzusetzen, als durch die Einschaltung anwaltlicher Hilfe. Dies lässt sich jedoch leicht vermeiden.

Die unzureichende Unterrichtung führt dann einerseits dazu, dass der Betriebsrat sich seiner Mitbestimmungsrechte beschnitten sieht, und andererseits, dass er anwaltliche Hilfe in Anspruch nimmt. Beides geht indes zum Nachteil des Arbeitgebers: Die sich anschließenden Verhandlungen zu Interessenausgleich und Sozialplan stehen bereits unter einem schlechten Vorzeichen, werden erschwert und ziehen sich möglicherweise in die Länge. Nicht selten ist das vertrauensvolle Zusammenwirken dann bereits nicht mehr möglich. Darüber hinaus trifft den Arbeitgeber gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG die Pflicht, die Kosten für die Beauftragung des Anwalts zu übernehmen. Mangels ausreichender Unterrichtung fühlt sich der Betriebsrat in derartigen Fällen nicht selten ausgebootet und versucht mit anwaltlicher Unterstützung an die seines Erachtens erforderlichen Informationen oder überhaupt an Informationen zu gelangen. Zu beachten ist dabei, dass die Einschaltung Dritter in die betrieblichen Belange nicht unbedingt ein Katalysator auf dem Weg zum Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan ist und zu weiteren Unstimmigkeiten führen kann.

Unsere Empfehlung

Fragen Sie sich also früh genug, ob im Rahmen einer Umstrukturierungsmaßnahme Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats betroffen sein können, und planen Sie frühzeitig die Unterrichtung und Mitbestimmung des Betriebsrats ein.

Eine konkrete unternehmerische Entscheidung muss dabei getroffen werden und sie sollte weder zu früh noch zu spät an den Betriebsrat herangetragen werden, damit dieser seine Arbeit aufnehmen kann. Die unternehmerische Entscheidung stellt die Basis für die Umstrukturierung und den sie begleitenden Prozess dar. Es empfiehlt sich daher, nach Abschluss notwendiger Vorbereitungshandlungen – bei denen der Betriebsrat noch nicht einzubeziehen ist – ein Kick-off-Meeting durchzuführen und die beabsichtigten Maßnahmen ausführlich und so konkret wie möglich (und nötig) vorzustellen. Je mehr Fragen hier bereits beantwortet werden, desto weniger fühlt sich der Betriebsrat im Nachhinein unzureichend informiert. Sicherlich hilfreich kann es auch sein, dem Betriebsrat zumindest im Anschluss an das Kick-off-Meeting die besprochenen Informationen zukommen zu lassen, damit dieser eine Arbeitsgrundlage erhält. Möglicherweise können somit bereits einige – ansonsten später ohnehin aufkommende – Fragen beantwortet werden und die oben aufgezeigten Konsequenzen können vermieden werden.

Eine sorgfältige Vorbereitung an dieser Stelle wird sich später auszahlen: Der Betriebsrat fühlt sich von Anfang an umfassend informiert und verspürt nicht das Bedürfnis, seine Rechte mit Hilfe von Rechtsanwälten durchsetzen zu müssen. Die beabsichtigten Maßnahmen werden sich im Einvernehmen mit dem Betriebsrat schneller und gütlicher umsetzen lassen. Letztlich bedeutet dies für Arbeitgeber nicht nur eine Zeit-, sondern auch Geldersparnis. Intransparenz beim Vorgehen innerhalb einer Umstrukturierung führt in mitbestimmten Unternehmen daher eher zu einer Störung des vertrauensvollen Zusammenwirkens als zu einer tatsächlichen Beschleunigung des Umstrukturierungsprozesses.

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Autor

Philipp Wollert, LL. B. (Köln/Paris 1)
Tel: +49 221 28 20 2531

Dies ist ein Beitrag aus unserem Newsletter „Menschen im Unternehmen“ 1-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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